Volltext Seite (XML)
daS neue Königreich Italien an; die Zurückhaltung oder auch die Abneigung anderer vermochte nicht, die vollendete Thatsachc ungeschehen zu machen. — Nach jahrelangen Vorbereitungen verkündete Kaiser Alcxander.il. von Rußland die Aufhebung der Leib eigenschaft für den 1. October. Die Ungeduld der leibeigenen Bauern und die Abneigung vieler Edelleute ließ die Uebergangsperiode nicht ruhig verlaufen. In vielen Provinzen des weiten Reichs brachen Bauernaufstände aus, die blutig unterdrückt wurden. März. Die holsteinische Stäudeversammlung trat am 6. in Itzehoe zusammen. Der Umstand, daß ihr die dänische Regierung das Budget nicht vorlegtc, während sie, wie durch die englischen Par- lamenisverhandlungen an den Tag kam, den frem den Mächten versichert hatte, dies sei geschehen, führte zu sehr ärgerlichen Verhandlungen erst zwi schen dem Landtage und dem dänisch-holsteinischen Minister Raaslöff und dann zwischen diesem und seinen Kollegen in Kopenhagen. Raaslöff nahm seine Entlassung; alle Welt erfuhr die Unwahrheit der dänischcn Ministerialversicherung, aber den Hol steinern war damit nicht geholfen. Der Landtag ging auseinander, wie er gekommen war: unbefrie digt und ohne Aussicht auf Hilfe. — Die II. Kam mer des würtembergischen Landtags verwarf mit 63 gegen 27 Stimmen das Konkordat, worauf der Kultminister Rümelin seine Entlassung nahm, was sonst deutsche Minister eigentlich nicht zu thun pfle gen. — Der österreichische Fmanzminister ries eine Konferenz von Fachmännern zusammen, um deren Rath wegen Aushilfe der Staatesinanzen zu hören. Es scheint nicht, als ob diese Konferenz im Stande gewesen sci, ihre Aufgabe zu lösen, denn die Finanz lage Oesterreichs ist nach der Konferenz dieselbe bedrängte geblieben wie vor derselben. Die Abnei gung der Ungarn gegen österreichische Anordnungen und Einrichtungen trat immer heftiger hervor und zeigte sich auch dadurch, daß fast überall an Re- gicrungsgcbäuden die kaiserlichen Adler entfernt und durch das ungarische Wappen ersetzt, und daß die von der kaiserlichen Regierung ausgeschriebenen, aber noch von keinem ungarischen Landtag bewil ligten Steuern nicht bezahlt wurden. — Bei Gele genheit der Adreßdcbatte im französischen Senat hielt der Prinz Napoleon eine heftige Rede gegen die vertriebenen Bourbonen. Der im Exil in Eng land lebende Herzog von Aumale veröffentlichte eine sehr derbe, das neue französische Kaiserthum und den Prinzen persönlich heftig angreifcnde Bro- chüre und forderte auch den Letztem zum Duell; eine Aus'vrderung, die nicht angenommen wurde. — Die Mutter der Königin von England, die Herzogin von Kent, eine geborene meiningische Prin zessin, starb am 16. in London. Der Todesfall machte auf die Königin Viktoria einen tiefen Ein druck, welcher sich durch eine Bcsorgniß erregende Melancholie äußerte. — Obwohl bei der Kapitu lation von Gaeta König Franz It. sich verpflichtet hatte, den wenigen noch in den Händen seiner Truppen befindlichen festen Plätzen Befehl zur Ueber- gabe zu crthcilen, so verweigerten deren Komman danten doch, sich zu ergeben. Cialdini ging daher mit einem Theile seiner Armee nach Sizilien und griff die Citadclle von Messina an, die, als sie sah, daß es Ernst ward, sich ergab, worauf auch die 2 oder 3 anderen Festungen nachfolgten. Im ita lienischen Parlament ward ein Antrag eingcbracht, Garibaldi zum ersten Bürger Italiens zu erklären und ihm als Nationalgeschenk für seine großen Ver dienste ein Eigenthum von 150,600 Lire fä0,000 Thlr.) jährlichem Einkommen zu geben. Garibaldi aber, obgleich er arm ist, wies jede Belohnung zu rück. — In Warschau, wo wie in ganz Polen seit dem letzten italienischen Kriege die Hoffnung auf Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit im Wachsen war, kam es zu Unruhen, bei denen die russische Besatzung mit den Waffen einschrilt, viele Einwohner tödiete und verwundete und eine große Anzahl verhaftete. Seitdem ist die Aufregung unter den Polen noch stcts im Wachsen, wenn auch bei allen Zusammenstößen das zahlreiche russische Militär, das auf allen Plätzen Warschaus lagert, die Oberhand behalten hat. Der Belagerungszu stand über ganz Polen, das Verbot des Tragens der polnischen Nationaltracht, selbst jeder Trauer kleidung und andere Gewaltmaßregeln haben noch nicht vermocht, die Ruhe wiederherzustellen. Es kommt nirgends zu offenem Kampfe. Schreitet das Mi litär ein, so geschieht cs gegen Wehrlose; aber es zeigt sich im ganzen polnischen Volke ein Bild des stummen Widerstandes, der für die russische Regie rung bedenklicher ist wie offene Ausbrüche, die un terdrückt werden können. April. Die sächsische Regierung hat dem Landtage ein neues Wahlgesetz vorgelegt, das zwar das passive Wahlrecht einigermaßen auedehnt, auch die Mitglieder der II. Kammer um noch 5 Vertreter des Handels- und Fa- brikwesens vermehrt, in der Hauvtsache aber die Bestim mungen de» alten Wahlgesetzes von 1831 aufrecbt hält. Die in der II. Kammer zur Sprache gebrachte Führung geheimer Konduitenlist.n über die Mitglieder der Gemeinde« körperschaften erregte im ganzen Lande unangenehmes Er staunen, daß auch dadurch nicht gemindert worden, daß der Minister des Innern die Aushebung dieser Maßregel zusagte. — In Hannover fand am 8. eine Zusammen kunft unabhängiger Männer aus allen Tbeilen des Lande statt, die in einer Adresse an den König der Unzufri-den- heit über die Regierung Ausdruck gaben. Der König nahm die Adresse nicht an, die nun durch die Presse ver öffentlicht ward, worauf die Regierung gegen einige Theil- nehmer an der Versammlung Untersuchung einleitete, wo durch gleichwohl die Mißstimmung nicht in Zufriedenheit