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ReichSrath des österreichischen Kaiserstaats geschlos sen, der, zum größten Theil aus Bevorrechteten zusammengesetzt, monatelang so gut wie nichts be wirkt hatte, bis endlich noch in den letz en Tagen der Siebcnbiirge Maager dem Verlangen des Vol kes Ausdruck verlieh und das gefürchtete Wort „Ver fassung" aussprach, das allgemein in» Volke zündete, und dem gegenüber auch die Regierung ihren Wi derwillen opfern mußte. — Die am 3. und fol genden Tagen in Koburg abgehaltene erste General versammlung des deutschen Nationalvercins förderte die Idee der Einheit des deutschen Volkes. — Die Berliner Polizei hatte sich in den Zeiten der Reak tion mannigfache Ucbergriffe, offenbare Gesetzesver letzungen erlaubt und sich ungestraft erlauben dürfen. Ein junger Literat, Wilhelm Eichhoff, hatte den Muth, in öffentlichen Blättern und in besonderen Brochüren unter dem Titel „Berliner Polizeisilhou- etten" die Mißbräuche zur Sprache zu bringen. Der Minister Schwerin aber erklärte öffentlich die angegriffenen Polizeibcamten für Ehrenmänner und versprach ihnen seinen Schutz. Gegen Eichhoff wurde ein Prozeß eingeleitet, ivobei man die von ihm vorgebrachtcn schwersten Anschuldigungen mit Still schweigen überging, wegen einiger Nebendinge aber, die er nicht beweisen konnte, ihn zu längerer Ge- fängnißstrafe vcrurthcille, der er sich durch die Flucht entzog. Eine zu seiner Unterstützung angestcllte Sammlung brachte ihm gegen 1500 Thlr., meist aus den ärmeren Klaffen ein. — Im fernen China wurden die bereits eingeleiteten Friedensunterhand- lungcu abgebrochen, und die vereinigten Franzosen und Engländer rückten gegen die Hauptstadt Peking an. Am 18. und 21. wurden die Chinesen nach hartnäckiger Gegenwehr besiegt, und bereits hatten die europäischen Truppen 2 Thore der Hauptstadt, aus der der Kaiser entfloh, erobert, als die Chinesen sich den Forderungen der Sieger unterwarfen und den ibnen aufgezwungenen Frieden annahmen. Oktober. Durch ein kaiserlich-königliches Diplom vom 21. ward die österreichische Gcsammtmonarchie wieder einmal wie schon vor 12 Jahren in die Reihe der konstitutionellen Länder eingesührt: ein Ereigniß, das der sächsische Minister von Beust als einen Sprung vorwärts bezeichnete, dem bald wieder einige Schritte rückwärts folgen mußten. Einstweilen be grüßte man in Oesterreich das Diplom mit Jubel, besonders in Ungarn, wo die alte Verfassung, wenn auch mit einigen Beschränkungen, wiederhergestellt ward. Die Ungarn nahmen von den Beschränkungen keine Notiz, sondern stellten sich ebne Umstände aus den Boden der Verfassung von 1848.— DerKaiser von Oesterreich und der Pnnz-Regent von Preußen hatten in den letzten Tagen des Monats eine Zu sammenkunft mit dem Kaiser von Rußland in War schau, bei welcher Gelegenheit die Polen sich auf das Feindseligste gegen die Monarchen benahmen. Ein kaiserlicher Ball z. B., auf dem der ganze Hof mit «einen zahlreichen Gästen, alle russsche und fremde Offiziere re. erschienen, zählte bei 500 Herren blos gegen 30 Damen, und zwar nur Russinnen. Von Polinnen war nicht eine einzige erschienen. Im Theater ging es ebenso. Plötzlich traf am 26. die Nachricht von der schweren Erkrankung der Kai serin-Mutter von Rußland ein, worauf der Kaiser nach Petersburg zurückeilte und seine hohen Gäste ebenfalls heimkehrten.— Am 11. ward in Dresden das hinter dem Hoflheatcr ausgestellte Denkmal Karl Maria von Weber's, deS Komponisten des Freischütz, Oberon, der Preeiosa, Euryanthe u. s. w., enthüllt. — Die Darmstädtische Regierung zog die jenigen ihrer Unterthanen, die Mitglieder des deutschen NationalvereiNö sind, in Untersuchung und Strafe. Die einzige Folge davon war der massenhafte Zu tritt darmstädtischer Staatsangehöriger zu dem ge fürchteten Verein. — Die 50jährige Jubelfeier der Universität Berlin ward glänzend begangen. — Bei einem Gefecht italienischer Truppen gegen die des Königs Franz am Ausfluß des Garigliano feuerte daS sardinische Geschwader auf die Feinde, als der franzö sische Admiral eine Fregatte a» den sardinischen schickte und von diesem das Einstellen des Feuers verlangte. Admiral Persano fügte sich aus höheren Rücksichten dieser unerwartetenEinmischung setnes„Verbündetcn." November. Mit dem Anfang dieses Monats trat in Dresden wieder einmal der Ständelandtag zusammen, um die Staatseinnahmen und Ausga ben zu bewilligen und eine Reihe wichtiger Gesetze, worunter das über Gewerbefreiheit, zu beraihcn. Trotz der Wichtigkeit seiner Aufgabe schenkte auch diesem Landtage wie allen seinen Vorgängern seit Wiedereinführung derStände Vertretung das Volk, dessen nur geringster Bruchtheil j'tzl wahlberechtigt ist, wenig Aufmerksamkeit. — Der Hessen - darm städtische Landtag verwarf die Ucbereinkunft, welche die Regierung mit dem Bischof von Mainz in Be zug auf die Stellung der katholischen Kirche zur Staatsgewalt (eine Art Konkordat) geschlossen hatte. Bis jetzt hat indeß die Verwerfung keine Aenderung in dieser Angelegenheit herbeigeführt. — Der Fürst von Bückeburg, einer der kleinsten der vielen sou veränen Fürsten Demschlands, starb. Sein Sohn folgte ihm in der Regierung. — Die Ueberzriffe, die sich der Berliner Polizeidirector Siieber bei Aus übung seines Amtes erlaubt hatte, führten, nachdem sie muthvoll von Eichhoff öffentlich aufgedeckt wor den waren, zur Anklage und Amissuspension Stieberö. Zwar vermochte sich der Angeklagte durch