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das Pulvermagazin sprang, woraus ich schließe, daß die Maschinisten gleich anfangs erstickten. Beim ersten Schritte an die Brüstung überzeugte ich mich, daß die Flammen schon ans den Lucken Les Mittel decks herausschlugen, und da der Dampfer gegen den Wind fuhr, nahm das Feuer rasch überhand. Hierauf ging ich zum Steuermann und bedeutete ihn, das Schiff mit der Breitseite dem Winde zuzuwenden. Erst verstand er mich nicht, da er ein Deutscher aus Hamburg war, bis ich mich endlich durch einen andern Deutschen ihm verständ lich machen konnte. Zur selbigen Zeit sah ich, daß Einige ein Boot vom Halbdcck hcrabließen. Es wurde, so viel ich glauben kann, von der Schraube rückwärts zertrümmert. Ich selbst half darauf ein Boot losmachen, aber kaum hatten wir es hinabgelassen, stürzten sich auch schon so viele Leute hinein, Laß es umschlug, worauf Alle darin bis auf drei weggeschwemmt wurden. Von diesen konnten wir Einen wieder aufs Deck ziehe», ein Anderer wurde durch das Seil, mit dem wir ihn Heraufziehen wollten, erwürgt.-—DaS Feuer wurde jetzt so gewaltig, daß fernere Rettungsversuche un möglich waren. Sämmiliche Passagiere I. Klasse, mit Ausnahme einiger Herren, die im Rauchzimmer erstickt sein mußten, hatten sich auf dem Hinterdeck zusammengcdrängt. Dorthin waren auch viele Passagiere der II. Klaffe gelaufen, aber Andere von diesen blieben vom Feuer in ihren Kabinen eingeichlossen, und nur Wenige konnten durch Len Lü'tungsschacht heraufgezogen werden. Die letzte, ans diese Weise gerettete Person, eine Frau, sagte uns, daß bereits 6 unten erstickt seien. Jetzt erst bemerkten wir, daß das Schiff sich wieder gegen den Wind gedreht hatte, und daß dadurch die Flammen aufs Halbdeck zurückschlugen. Aber das Gedränge war zu groß, als daß ich hätte bis znm Steuer vordringen können, und überdies hörte ich, daß der Steuermann seinen Posten verlassen habe, wodnrch das Schiff ohne Lenkung dahinfuhr. Die Seene auf dem Deck war unbeschreiblich herzbrechend. Alles drängte und schrie, Männer nach ihren Frauen, diese nach ihren Männern und Kindern; die Einen waren wie gelähmt von Schrecken; Andere weinten wie im Irrsinn, und nur Wenige bewahrten sich ihre ruhige Fassung. Mittlerweile drangen die Flammen so weit vor, daß Viele, um ihnen zu entgehen, über Bord sprangen, darunter Verwandte, die fest ancinandergeschlungen den Tod in den Wellen suchten. Zwei Mädchen, man hielt sie für Schwestern, stürzten sich uns diese Weise in dic Eee. Ein Ungar, mit 7 schönen Kindern, darunter 4 Mädchen, bewog seine Frau, hinabzuspringen; hierauf segnete er seine 6 älteren Kinder, ließ sie Eines nach dem Andern in die Tiefe springen und folgte ihnen mit seinem Jüngsten im Arme. Ich selbst stand während dieser Zeit außerhalb der Brüstung und beugte mich, um den rückwärts schlagenden Flammen auözuwcichcn, nach außen, wobei ich mich an die Jütten (vorspringende Bal ken, um Boote oder Anker hinabzulasscn) festhielt. Ein umgeschlagenes Boot,' das noch durch ein Seil am Dampfer hing, schwamm unter mir an der Seite des Schiffes nnd an der Seile war ein Mann angeklammert. Ucber diesen, der mir nicht folgen wollte, hinweg, ließ ich mich bis ans Boot hinab, und Lurchschnitt das Seil mit meinem Feder messer. Kaum war das Boot losgemacht, so blieb es hinter dem vorwärtsschießendcn Dampfer zurück, trieb aber trotz meinen Bemühungen rückwärts an dessen Schraube an und schlug um. Mir blieb nichts übrig, als mein Heil im Schwimmen zu versuchen, und wie ich hinter meinem umgeschlage nen Boote wieder auttauchte, sah ich ein anderes Boot an meiner Seite, dessen Kiel nach aufwärts schaute. Mein Anklammern und eine Woge, die sich zur rechten Zeil brach, richtete es aut, aber es war doch voll Wasser, und da die Ruder wegge schwemmt waren, halte ich zu seiner Fortbewegung nichtS als einige Latten, die lose an den Seiten angenazelt waren. — Vom Dampfer war ich um diese Zeit schon engl. Meile weg, doch konnte ich noch deutlich sehen, wie Männer und Frauen zu Zweien und Dreien, die Frauen zum Theil mit flammenden Kleidern, vom Hinterdecke ins Wasser sprangen. Die Höhe vom Hinterdeck bis auf die Wasserfläche betrug 22 Fuß, und so schreckte wohl Mancher vor dein Sprunge, bis ihm die Flammen keinen andern Ausweg offen ließen. Eine halbe Stunde später war keine Seele mehr auf dem Hinterdeck zu sehen. Ich ruderte mein Boot dem Schiffe nach und nahm einen Deutschen auf, der kräftig schwamm und jetzt mit mir ruderte. Ein Segel kam aus der Ferne immer näher. Es war die französische Barke „Maurice", Kapitän Renaud von Nantes. Uni halb 7 Uhr — ich war 4 Stunden herumgeschwommen — nahm sie mich auf und hatte um diese Zeit schon 40 andere Gerettete an Bord. Die Meisten von diesen hatten sich am Bugspriet angeklammcrt erhalten, und nur die Wenigst, n waren aus dem Wasser aufgefischt worden. Gegen 8 Uhr kam eines von den eisernen Booten mir ungefähr 23 Personen, darunter der 1. nnd 3. Offizier, heran; und später wurden noch 3 oder 4 Passagiere, die auf den Trümmern eines BootcS schwammen, ausgenommen; und noch später wurde der 2. Offizier, der volle 6 Stunden geschwommen