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Der Untergang der „Austria." DaS schöne, große Hamburger Schrauben dampfschiff „Austria", Kapt. Heydtmann, verließ am. 1. Scplember 1858 den Hamburger Hafen, um nach Newyork zu fahren. Nach einer äußerst stürmischen Fahrt lief eS in den eng lischen Hafen Southampton ein, dort noch Passagiere, Güter und die englische Post einzu nehmen. Als es von da aus am 6. September wieder in See ging, hatte es über 500 Passagiere (Männer, Weiber und Kinder) und 92 Mann Besatzung an Bord. War schon die Fahrt von Hamburg nach Southampton durch die Ungunst der Witterung unangenehm und nicht ohne Ge fahr gewesen, so ward die Weiterfahrt von Southampton durch heftige Stürme noch unan genehmer und gefahrvoller. Gleich am ersten Tage brach heftiger Sturm aus, sodaß Kapt. Heydtmann, der bis dahin den Rnf eines tüchtigen, vorsich tigen Seemannes und liebenswürdigen Gesellschaf ters genoß, für gcrathen fand, wieder in den kaum verlassenen Hafen znrückzukchren und da in Sicher heit den Sturm abzuwarlen. Andern TagcS lief die „Austria" vou Neuem aus und hatte dabei das Unglück, beim Aufwinden des Ankers einen Matrosen zu verlieren. Dies und vorbei der Verlust einer Flagge noch in der Nordsee galt bei den leicht zum Aberglauben geneigten Seeleuten als üble Vorbedeutung. Auch Kapitän Heydtmann selbst scheint kein besonderes Zutrauen zu seinem Schiffe gehabt zu haben, wenn wahr ist, daß er schon vor der Abreise von Hamburg die Absicht zu erkennen gegeben, nur noch diese Reise mit der „Austria" zu machen und dann das Kommando über ein anderes Schiff zu suchen. Widrige Winde, die zuweilen in Sturm ein setzten, nnd Regenschauer hatten unmöglich gemacht, das von Passagieren gefüllte Zwischendeck regel mäßig und ausreichend zu lüften. Es hatte sich dort üble Luft angcsammclt, und als am 13. das Wetter besser geworden war, beschloß der Kapitän nach Besprechung mit dem Schiffsarzte, die Luft des Zwischendecks durch Ranchern zu reinigen. Es ist auf Passagierschiffen gebräuchlich, dieses Rauchern in der Art vorzunehmcn, daß in ein Gefäß mit Thccr heißes Eisen getaucht wird: eine sehr gefährliche Art, da bekanntlich Thecr sich sehr leicht entzündet. Deshalb wird auch solches Räu chern nur mit der allergrößten Vorsicht unter Auf sicht der erfahrensten Offiziere durch die zuver lässigsten Matrosen vorgcnommen und die Passa giere sämmtlich aus dem Zwischendeck nach oben geschickt. Anders leider auf der „Austria." Gleich nach Tische gab Kapt. Heydtmann Befehl, die Räucherung vorzunehmen. Statt selbst das Kommando des Schiffes bei diesem gefähr lichen Vornehmen zu behalten, legte er, durch die Anstrengungen der vorhcrgegangenen Tage ermü det, sich in seine Kajüte schlafen. Der 4. Offizier, der jüngste und unerfahrenste von allen, ging mit 2 Matrosen, die einen eisernen Kessel voll Theer trugen, und dem Bootsmannsgehilfen, der eiu Siück glühend gemachte eiserne Kette hielt, in's Zwischendeck, wo Hunderte von Passagieren sich aufhieltcn und nicht die Weisung bekamen, hinauf- zuzehcn. Nur wer von dcnZwischendcckspassagicren zufällig oben war, blieb oben. Als die mit dem Räuchern beauftragten 4 Seeleute unten angckom- mcn waren, setzten die Matrosen den Thcerkcssel nieder und der Bootsmann hielt vorsichtig das erste Glied der glühenden Kelte an den Thccr, da mit dicscr sich langsam crhitze und vcrdgmpfc. Dcr Offizicr aber, dem Lies zu langsam erscheinen mochte, befahl kurz, die ganze Kette hincinzuschmei- ßcn. Unglücklicherweise gehorchte der Bootsmann und in demselben Augenblicke stand der ganze Thecr in Hellen Flammen. Erschrocken sprang dcr eine Matrose zur Seite und schmiß dabei den Kessel um, dcr seinen brennenden Inhalt durch das Schwanken des Schiffes »ach allen Richtungen herumschleudcrte. Statt zu versuchen, mit Ma tratzen und Kleidern, die überall in den Kojen deS Zwischendeckes in Menge lagen, das Feuer zu er sticken, goß man Wasser hinein und vermehrte so die Gefahr. Wenige Minuten, nachdem dcr erste Fenerruf erschollen war, schlugen auch schon die Hellen Flammen durch die Lucken auf das Verdeck. Was von da an bis zum völligen Untergänge des Schiffes vorging, ist so gräßlich und das Chaos der verzweifelnden 600 Menschen so wild, daß wir eine Schilderung des Ganzen gar nicht ver suchen, sondern aus den Schilderungen, die einige von den Geretteten später über das veröffentlicht haben, was sic selbst dabei erlebt, das Wichtigste im Nachstehenden zusammcnfassen. Ein Kajütenpassagier, ein englischer Beamter Namens Brcws: Gegen 2 Uhr Nachmittag stand ich auf dem Halbdcck, (dem hintersten Theilr des Verdecks) als ich eine dichte Rauchsäule aus dem Hintern Eingänge des unteren Deck raumes aufstcigen sah. Gleichzeitig kamen mehre Frauen mit dem Ruse: „das Schiff brennt, was wird aus uns werden!" aufs Deck gestürzt. Die Geschwindigkeit der Maschine wurde um nur die Hälfte vermindert, und so blieb sie im Gange, bis Sieuer Kalender <S