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Den Fremden,der mit Friedrich sprach und den Wilhelm nicht kannte, kannte Friedrich wohl, Er kannte den Maurergesellen Bernhard, Anna's Bruder. Anna's ältester Bruder hatte keine Lust zur Landwirlhschaft gehabt und war dafür Maurer ge worden. Ohnehin war das kleine Bcsitzihum Les Vaters durch Schulden übermäßig belastet, und es war schwer vorauszuschen, ob, wenn der Baler stürbe, der künftige Erbe das kleine Gütchen wirk lich werde erhallen können. Der zweite Sohn Gottlieb jedoch war daheim geblieben und ersparte so dem Vater den Knecht, den er sonst hätte halten müssen. Bernhard aber mußte bald erkennen, Laß ihm das Sprüchwort gelogen: Handwerk hat einen goldnen Boden. Er mußte ein mühseliges Leben führen und wiederholt noch die Unterstützung des Vaters in Anspruch nehmen, bis ihm dieser endlich rund heraus und ein für allemal erklärte: er könne durchaus nichts mehr vom Hause erwarten und man wolle gar nichts mehr von ihm hören, wenn es nur Klagen und Bitten sein sollten. So waren denn auch Jahre vergangen, in denen man nichts von ihm gehört hatte. In einer nicht allzu entfernten kleinen Stadt hatte er Hei- math und Arbeit gefunden, gcheiralher und hatte bereits niehrc Kii.'oer. Jetzt war es Trotz, daß er nicht wieder nach seinen Eltern fragte. Lange dauerte auch seine verbesserte Lebenslage nicht. Als schlimme Zeiten kamen, hervorgcrufen durch Mißwachs und durch die Aussicht ans Unruhen in und außer dem Lande, die leicht zu einem um heilvollen Kriege führen konnten, war es bald mit der Arbeit wieder vorbei, da die Bauspeculationen plötzlich nachlicße», und auch sonst Niemand an seinen Gebäuden Reparaturen, die nicht sein mußten, geschweige denn Verschönerungen vornehmen ließ. Dazu war Alles theucr geworden und Bernhards Familie immer zahlreicher. Die Frau, die erst als Wäscherin auch etwas hatte zur Haushaltung verdienen können, vermochte dies längst nicht mehr, da die vielen Kinder ihr Arbeit genug machten. Je weniger aber Bernhard Arbeit halte, desto mehr bildete sich eine Verbitterung seines Charakters aus, die schon seine früheren Lebenserfahrungen in ihm erweckt hatten. Dabei suchte er Trost im Brannt wein und wollte darin seine finstern Gedanken er tränken; aber im Gegcnthcil wuchsen sie ihm immer schrecklicher empor durch die äußere Aufregung, in die er sich versetzte. Je seltener er bei der Arbeit sein konnte, «eil es für ihn fast keine mehr gab, je öfter saß er in der Schänke, und je mehr er trank, je weniger hatte er mit den Seinen zu essen, ja, es kam so weit, daß eins seiner Kinder, das schwächlichste, den Entbehrungen erlag und starb. Bernhard ward immer verzweifelnder; und nicht nur, Laß er litt mit den Seinen, viele feiner Kame raden litten wie er. Das machte böses Blut unter den arbeitslosen Maurern und oft, wenn mehre von ihnen in der Schanke beisammen saßen, spra chen sie viel von ihren Leiden und von Denen, welche sie ^>ls die nächsten Urheber derselben be trachteten. „Wenn man uns keine Arbeit gicbt und wir ohne Arbeit mit den Unsrigen verhungern, so müssen wir wohl sehen, wo wir welche Herbe kommen; wir müssen sie uns gewaltsam verschaffen!" Diese Worte hatte einst einer der müssigen Maurer gesagt; die Anderen hatten sic nicht gleich gefaßt, aber sie halten sic am andern Tage ver standen, als cs auf einem Dorfe bei einem reichen Gutsbesitzer brannte. Bernhard vergaß die Worte und die Thal nicht wieder. Er kannte einen reichen Gutsherrn in der Nähe seiner He-.malh als nnen geizigen und harten Mann, welcher die vielen Tausende, die er jährlich cinnahm, must im Aus lande vergeudete und daheim mit seinem Getreide und seinem Kapitale noch Wucher trieb. Eines Tages machte sich Bernhard auf und wanderte dorthin. „Wenn der Reiche nicht mehr Hal, wo er sein Haupt hinlcgt, läßt er sich seinen Palast wieder bauen, gewöhnlich prachtvoller als zuvor, und so muß er den armen Arbeiter» endlich Arbeit geben. Er kann cs, dxnn er lebt im Ueberfluß, und die Armen wollen nur, daß der Reiche ihre Arbeits kräfte benutze und ihnen dadurch zu leben erlaube." So machte er seine Schlußfolgerungen für sich, ging in das wohlbekannte Dorf und steckte von mehren Seiten Las Gut Les hartherzigen Reichen an, Lcr sich bisher geweigert Bernhard Arbeit zu geben und' seine bettelnden Kinder hart abgcwiesen halte. Wie es in Hellen Flammen stand, und man auf ihn, aber ohne ihn persönlich zu erkennen, als auf einen verdächtigen Menschen wies, entfloh er. So kam er athemlos durch den Wald und an die Stelle, in der sein früherer Schulkamerad Friedrich von seinem Liebesglück träumte. Bern hard kannte ihn von früher Jugend her, er hatte ihn auch vor ein paar Jahren einmal wiederge- sehcn, und als er jetzt die Verfolger hinter sich ahnte, vertraute er sich dem braven jugendlichen Freunde, damit dieser ihn verberge. „Mordbrenner!" hatte Friedrich zuerst entsetzt gerufen. Aber wie Bernhard in entsetzlicher Angst von Weib und Kindern, von selncr Noth sprach, von der Verzweiflung der Armuih, von der Hartherzig keit und Strenge des reichen Gutsbesitzers, an dem er jetzt einen Frevel begangen, endlich von de» grauen Haaren seiner ehrlichen Eltern und zuletzt