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noch gar nicht, waS um ihn herum vorging. Jetzt wußte er nur, daß sein Frcnnd, der Bruder seiner Anna, ein Brandstifter war; daß man diesen jetzt an seiner ^eite gesehen; daß man ihn deshalb jetzt ergriff wie einen Verbrecher, — weiter wühle und dachte er nichiS. Es war das schon genug, ihn zu betäuben; er wußte nicht, was er thun, was er sagen sollte; regungslos stand er da und ließ mit sich machen, was er wollte. All' die Schimpf worts, die man wider ihn aussticß, die Fragen, die man an ihn that, ließ er unbeantwortet, ja er schien sie gar nicht zu verstehen. Wilhelm holte aus einem nahen Bach seine Wacheleinwandmütze voll Wasser und spritzte es dem Geschlagenen in's Gesicht, der sich davon auch wie der erholte, aufstaud und durch kräftige Flüche zu erkennen gab, daß Leben und Bewußtsein ihm wieder gekehrt sei. Er und Wilhelm übernahnien cs nun, Friedrich wie einen gefangenen Verbrecher fortzu führen, während die beiden Anderen noch nach dessen vermeintlichem Kameraden die Gegend durchforschten, aber vergebens. Am andern Morgen hatte sich Anna sorgfäl tiger als sonst ««gekleidet. Ein wunderschöner Maimorgen war gekommen mit lauter Sonnen gold und Himmelblau, in den die junge grüne Frühlingswelt mit ihren Lerchcntrillern, Finken chören und Wachtelstimmen fröhlich hineinrief. Anna erwartete ihren Friedrich, der während der Pause, welche die Frühstückszeit in die Arbeit des Land manns bringt, zu ihren Eltern kommen und bei ihnen um die Tochler werben wollte. Sie zitterte leise vor Freude dieser Stunde entg-gen; aber vor her wollte sie Niemandem im Hause etwas merken lassen. Darum machte sie sich in der Küche und daun im Hofe allerhand zu thun, damit man nur nicht etwa gewahr werde, wie sie die nächste Stunde vor Ungeduld nicht erwarten konnte, wie sie er schrak, so ost die Hosihür aufging, und erröthetc, wenn ein Männertritt sich hören ließ. Die ersehnte Stunde kam wohl, aber der Er sehnte nicht. Acngsilich klopfte das Herz der Har renden, und sie suchte sich ihre Unruhe aus- und allerlei Trostgründe für Friedrichs Ausbleiben ein- znrcdcn, aber cs wollte ihr nicht gelingen. In ihre Augen traten stille Thräncn, die sic wieder hinab- zuschlmgen versuchte. So quälte sie sich lange. Endlich ging sie in den Grasgarten, der einen Ausgang nach den Feldern hin hatte, unter denen, wenn auch in einiger Entfernung Friedrichs Felder auch mit lagen. Vielleicht daß sie ihn dort von Weirem sähe öder Jemanden von den Nachbarn, der ihr irgend eine Auskunft geben könne: ob Friedrichs Mutter heute vielleicht gerade mürrisch oder krank geworden, ein Acrger in der Wirthschaft vorgckommen oder so etwas, weswegen Friedrich nicht niit ihr geredet, wie er erst versprochen und darum auch nicht zu ihr gekommen war; oder daß in seinem Hof oder auf seinem Feld es plötzlich eine dringende Arbeit gegeben, die er gestern nicht hatte berechnen können: das war das Schlimmste, was sie erwartete, und sie grollte ihm zuweilen Loch, daß er dann sie harren ließ und sie nicht wenigstens «inen Augenblick im Grasgarten zu sprechen suchte, zu dem er nicht weit halte und wußte, daß sie ost allein sei, und wo er ihr doch aufrichtig hätte sagen können, wie cs daheim bei ihm stehe. Hätte ihr das auch vielleicht ein Thrän- chen gekostet, es wäre doch nicht dies unerträgliche Warten gewesen, sic hätte gewußt, woran sie sei — wenigstens für heute. „Anna! Anna!" rief's da über den Garten zaun herüber. Anna fuhr zusammen, weil sie gleich hörte, daß es nicht Friedrich war, der sie rief, sondern Nachbars Rosine, eine alte Jungfer, die Alle im Dorfe fürchteten, weitste den Leuten immer gern etwas Uebles uachredete, gleich Alles zum Bösen auslegte und alle schlimmen und anstößigen Ge schichten zuerst wußte und wie im Fluge durch's ganze Dorf verbreitete. Anna fuhr sich schnell wie zufällig mit der Schürze über die lhräncnden Augen, um sie zu trocknen, und folgte dann dein Rufe, indem sie nahe an den Zaun trat, hinter dem Rosine stand. „Nun, was sagst Du denn zu der Geschichte?" fragte diese, indem sie beide Arme unterstemmte. „Nun, ich hab' es immer vorauszesagt, es ist nicht! an dem Burschen; aber's ganze Dorf war wie vernarrt in ihn". — „Was denn, Rosine?" fragte Anna zerstreut. „Was soll'S denn nun wieder gegeben haben?" „Gegeben haben? Nun du meine Güte," rief Rosine und schlug die Hände zusammen, „fragst erst noch, was es gegeben hat? Das Feuer gestern mußt Du doch gesihen haben und die Spritze vor beirasseln hören, selbst wcn» Du schon geschlafen hättest. „War's doch ein Lärm, der Todte hätte aufweckcn können." „Nun ja, es hat im nächsten Dorfe gebrannt, das größte und schönste Gut. Das ist ein Unglück, und Gott möge unser Dorf vor jedem ähnlichen Unglück bewahre»! Aber's hat schon manchmal in der Nähe gebrannt und — " „Freilich, freilich!" siel Rosine ihr in's Wort, — „nur just in unserm Dorfe nicht, weil da der Brandstifter gedacht haben mag, 's brennt am Ende sein eignes Hans mit an." s*