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sich sehen zu lasst». Am andern Tagt wollt« Friedrich in aller Form bei Anna's Eltern um sie anhalten, und sie zweifelten keineswegs an deren Segenswort, denn er war von ihnen geliebt, wie er es fast von Jedermann im Dorfe war — diejenigen ausge nommen , die ihn beneideten — auch galt er als eine gute Partie, sowohl in den Augen verständiger Eltern als in denen der Töchter, denn er war nicht allein ein hübscher Bursche, sondern auch ein wohl habender. Das Gütchen, daS ihm jetzt noch seine Mutter bewirthschaftcn half, konnte recht gut eine Familie ernähren. So ging nun Friedrich in seligen Träumen einher, dachte an die Stunde, die nut eben so wunderbar gekommen und gegangen war, und schwelgte in der Vorausahnung kommender schöner Tage. Da mußten ihm nun gerade die Burschen begegnen, mit denen er wohl sonst gern heiter plaudernd und singend beisammen saß, aber mit denen er doch nicht von seinem HerzenSglück reden konnte. Für etwaS Anderes hatte er jetzt keinen Sinn, und so war es am Besten, er ging und blieb für sich allein. Und weil jetzt unabsichtlich die Kommenden ihm dieS fort gesetzte Liebestränmen verderben und verwehren woll ten, so war er so ärgerlich, daß er sich ungestüm und trotzig benahm wie sonst niemals. Darum hatte der Bursche ganz recht, welcher sagte: „Mir kam heute der Friedrich ganz anders vor;" aber der Andere hatte eben so sehr recht, welcher hinzufügte: „Er wollte uns nur uni jeden Preis los sein; weiter war's nichts." — Jetzt ging nun Friedrich anS dem Dorfe hinaus und wieder in die Allee blühender Kwich- häume und weiter in das nahe Gehölz. Dort luchte er den moosüberwachsenen Stein, der ihm vorhin zum Sitze gedient hatte, als er seinem Mädchen den ersten Kuß gegeben; und so saß er still da und lebte das Alles noch einmal. Wilhelm aber war ziemlich nahe herangeschlichen und hielt sich sorgfältig hinter einem von Unter holz umgebenen Baume verborgen. Wohl eine Stunde stand er auf seinem Posten und sah nur, wie der Belauschte immer still und in sich gekehrt sitzen blieb. Aber gerade dies, je länger es dauerte, kam Wilhelm nur um so seltsamer vor. Nun er einmal so lange gewartet, wollte er auch noch länger warten. Ganz unbe greiflich war ibm nur, daß Friedrich, der doch offenbar auf etwas warten mußte, nicht ein ein ziges Zeichen der Ungeduld oder Unruhe von sich gab. Deshalb ward Wilhelm endlich doch der Sache müde und wollte gehen. Schon hatte er sich einige Schritte entfernt, als ein Mann athemloS durch daS Gebüsch stürzte. Wilhelm sah, wie der Fremde vor Friedrich zurückprallte und wie dann das Erschrecken Beider in Erstaunen überging. Um hören zu können, was sie sprachen, war er schon zu weit entfernt, und als er vorsichtig näher ge schlichen war, was einige Zeit erforderte, da er, um Geräusch zu vermeiden, nur langsam im Dickicht selbst sich vorwärts bewegen konnte, hörte er den Frem den zu Friedrich in ängstlicher Spannung sagen: „Das ganze Dorf brennt ja schon lichterloh! Ich bitte Dich! Wir sind verloren, wenn wir Zeit verlieren!" Jetzt sah man auch den Feuerschein am Him, mel und hörte die ländlichen Feuerflgnale: - das Horn des Wächters und die Sturmglocke. „Aber ums Himmels Willen, bedenke!" — rief Friedrich. „Was bedenken! Hier gili's weder zu bedenken, noch zu bereuen! Es ist gut so und ist mir AllcS recht, wenn ich nur davon komme; denn Einige murmelten von mir, wiesen auf mich, und so dacht' ich doch, Gehen sei bester als Bleiben — wie ich's jetzt wieder denke!" — Und der Fremde faßte Friedrich unter den Arm und zog ihn mit sich fort. Wilhelm folgte in der Ferne, aber er konnte nicht verstehen, was sie zusammen sprachen. Nur einzelne Worte hörte er heraus, wie: „Ja, die Noth macht Mordbrenner."— „Um meiner Schwester willen!" — „Durchs Zuchthaus wird die Sache auch nicht ungeschehen!" u. s. w. Auf einmal stand ein GensdarmeS, von zwei anderen Männern begleitet, hinter den beiden Fliehen» den. Der Fremde schien ihr Nahen zuerst zu bemerken. — Gr schleuderte dem Einen, der sich ihm zuerst nähern wollte, einen aufgegriffencn Baumast so heftig vor die Stirne, daß der Getroffene betäubt niederste!, und floh durch die Dunkelheit davon, während der Gensdarmes Friedrich festhielt, inbeß Wilhelm auf den andern Häscher zutrat und heftig rief: „Ein Glück, daß Ihr kamt! Ich wußte nicht, wie ich's mit den beiden Verdächtigen allein aus nehmen sollte. Wer in den Häusern zu großes Licht anbrennt, kann's in den Menschen auch ausblasen. Ich werde mit Euch gehen und meine Aussagen machen." „Sehr wohl!" war die Antwort. „Aber der Eine ist entwischt!" und der eine Begleiter des Gensdarmes lief davon ihni nach zusetzen nach der Richtung zu, welche Wilhelm andeu- tcte, während der andere regungslos am Boden lag. Friedrich festzuhalten kostete keine Mühe. Er war vielleicht betäubter als der Geschlagene neben ihm, der sich n cht aus dem Grase zu erheben vermochte. Dieser war es nur äußerlich; Friedrich war innerlich betäubt und zerschmettert. Er wußtr