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Der Uebergang französischer Truppen über den Mont Cenis im Mai 185S. (Mit Abbildung.) DaS Schutz« und Lrutzbüvdniß zwischen Sar dinien und Frankreich war geschlossen, und alS ersten Preis für die versprochene Hilfe kalke der König von Sardinien seine 16 jährige Tochter Klotilde dem Prinzen Napoleon verheirathet, deffenHeirathSpläne bisher ebenso wie früher die seine« kaiserlichen Detter« an der Zurückhaltung der souveränen Fürstenfamilien Europa« gescheitert waren. Die Spannung zwischen den Kabinetten zu Turin und Pari- einerseits und zu Wien andrerseits war auf da« Höchste gestiegen; vergeben« bemühte sich die Diplomatie befreundeter Mächte, einen Weg zur Verständigung zu finden, und batte bereit« einen Kongreß vorgeschlagen, der die Streitpunkte erörtern und womöglich au-gleichen sollte, al« da« Wiener Kabinet die Erfolglosigkeit der diplomatischen Versuche vsraussehend und gedrängt durch finanzielle Verlegenheiten, ein Ultimatum nach Turin schickte und nach dessen Verwerfung die öster reichisch« Arme« in Piemont eincücken ließ. In Paris, wo man noch nicht mit allen Vor bereitungen zum Kriege fertig war, hatte man gern den Vorschlägen der Diplomatie Gehör geschenkt, um Zeit zur Dollendung der Rüstungen und zur Aufstellung der französischen Armee zu gewinnen. Man hoffte, so den AuSbruch de« Kriege- bi« gegen den Juni hin zu verzögern, wo dann auch di« Weg« über dir hohen Alpen, die Frankreich von Sardinien trennen, drm Schnee frei gewesen sein würden. Bei dem unerwünscht frühen Au-brache deS Kriege« beeilte man sich, den Thril der für Italien bestimmten französischen Armee, der in und bei Pari« lag, aus den Eisenbahnen nach Marseille zu trai.Spvrtiren, dort auf Dampfschiffen nach Genua überzuschiffen und von da wieder auf Eisenbahnen nach Ales sandria zu führen, da« zunächst zum Sammelplatz« bestimmt war. Dieser weite Weg wurde mit solcher Schnelligkeit zurückgelegt, daß die zuerst in Sardi nien eingerückien Oesterreich«, die Anfang« unbe- greiflicherweisc im Vormarsch zögerten und dann durch die Frühjahr-Überschwemmungen der GebirgSflüssc aufgehalten wurden, die Vereinigung der französischen mit der sardinischen Armee nicht mehr hindern konn ten, unthätig am Po stehen blieben und, nachdem sich die vereinigte französisch-sardinische Armee in vollkommen schlagfertigen Stand gesetzt hatte, in einer Reihe blutiger Gefechte und Schlachten aus Sardinien und sogar au- der Lombardei herauSgetrieben wurden. Während nun der eine größere Theil der frarr- zisischen Truppen, wie wir oben gezeigt, über Mar seille und Genua mittel« Eisenbahnen und Dampf schiffen auf den Kriegsschauplatz tranSportirt wurde, hatten die Franzosen, die bei Grenoble-aufgestellt waren, den beschwerlichen und in so früher Jahres zeit gefährlichen Ma'sch über die Alpen zu machen. Die im Bau begriffene Eisenbahn, die den Mont Eeni« durchbohren soll, ist gerade an den beschwer lichsten Stellen noch nicht fertig, zum Theil sogar noch nicht angefangen. Man beschäftigte sich noch mit den umfänglichen und schwierigen Vorbereitungen zum Marsche über den hohen Mont Ceni«, al« die Nachricht vom Einrücken der Oesterreicher in Sar dinien nach Pari« kam und den augenblicklichen Befehl nach Grenoble zum Marsche über die Alpen zur Folge hatte: ein Befehl, der die lebhafteste Begeisterung bei der französischen Armer hervorcief, in der jeder einzelne Soldat von Ruhm und Lor beeren, von Marschallstab und Orden träumt. Italien hat für den französischen Soldaten einen unendlichen Reiz. Hier find die berühmten napoleonischen Schlacht felder von Lodi, Arcole, Saldiere und Marengo; hier erwarben sich ihre Bäter und Großväter einst einen Ruhm, der die Welt erfüllte und in der Folge bei nahe zur Weltherrschaft führte, — warum sollte eS gegenwärtig nicht dasselbe leisten, wo die harten Feld züge in Algerien und der Krim Generale wie Sol daten geschult haben? Und wie fceudlo« war der Feldzug in der Krim, wie feeudlo« jene in Algerien gegen einen solchen unter Italien« ewig lächelndem Himmel! Die Armee »ar indeß noch nicht marschbereit, namentlich fehlte r« an Last- und Zugthieren, sowie an Reiterei und Artillerie. Ein Tagesbefehl sagte den Truppen, daß ihre Dorfahren einst unter noch trüberen Verhältnissen die Alpen überschritten und in Italien gesiegt hätten, forderte Jeden auf, seine Schuldigkeit zu thun, und ordnete die Ausführung de- Marsches an. Wind und Wetter war»» gegen da- Unternehmen; noch hemmte der Schnee di« Passage auf den Höhen, und an den Hängen rieselte da« Wasser herab und ließ die Gebirgsbäche auS ihren Ufern treten. Jeder Soldat weiß, wie schlecht eS sich marschirt, wenn de» Boden naß und aufge» »eicht ist; kommen nun noch Wind, Regen und Schneegestöber hinzu, so muß dies mit der wechselnden GebirgSlust nicht nur einen großen Nachtheil auf den Marsch auSüben, weil eS Verzögerungen veran laßt, sondern auch aus die Gesundheit der Truppe« selbst. Da- Korp« de« General« Niel war e«, dem die Aufgabe »ard, über den Mont Ceni« zu gehen. Ursprünglich sollte auch Marschall San-