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Die Viehzucht im Westen der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Für den Farmer (Ansiedler), besonders für den wenig bemittelten, ist' in den westlichen Staaten der Union die Viehzucht sicherlich der Hauptzweig der Landwirthschaft; denn sie möchte da« Einzige sein, wodurch auch Derjenige, dessen Vermögensverhält- nisse ihm weder erlauben, große Felder anzulegen, noch Sklaven oder freie Arbeiter zu hallen, hoffen darf, mit den Jahren eine Selbständigkeit zu erringen, die ihm auch der angestrengteste Fleiß im Ackerbau nicht so schnell, ja vielleicht nie erworben hätte. Nun giebt eS allerdings nichts Leichteres, als gerade in jenen westlichen Gegenden Viehzucht zu treiben, weil die Natur selbst fast jede Sorge übernimmt; dennoch aber kommt der Europäer und vorzüglich der Deutsche fast stets mit falschen Be griffen hinüber ustd glaubt, er brauche nur eine trächtige Kuh zu kaufen, um in einigen Jahren Be sitzer einer Meierei zu sein. So schnell und bequem geht's freilich nicht. Die gebratenen Tauben fliegen auch hier niemandem in s Maul. Um weit verbrei teten falschen Ansichten entgegenzulreten, theilen wir hier mit, was der bekannte Reisende Friedrich Gerstäckerim 3.Bande seiner „Mississippi-Bilder" über diesen Gegenstand sagt: „Man brauche," heißt es in manchen Beschrei bungen, „die Kühe und Schweine nur in den Wald laufen zu lassen, und nach ein paar Jahren komme» sie in Heerden wieder." — Die Sache an sich ist schon Unsinn. Jedes Thier, daS frei in den Wald gejagt wird und sich dort ganz selbst überlassen bleibt, verwildert und wenn e« früher »och so zahm und an'S Haus gewöhnt war; wie viel mehr aber muß da- mit dem Zuwachse der Fall sein, der also in der Wildniß geboren wäre und nie. Menschen zu sehen bekäme. Allerdings kann der Farmer sein Vieh in den Wald treiben, und eS wird sich stark vermehren und gedeihen, ihm aber wenig Nutzen bringen; denn scheu wie der Hirsch flieht es, sobald e« Schritte hört, und könnte höchstens mit der Äugel oder mit dem Lasso gefangen werden. Gan; vorzüglich ist dies bei den Schweinen der Fall. Die im Walde ausgewachsenen Ferkel sind, wenn die Mutter nicht ganz zahm gehalten wird, vollständig wild; sic stieben, sobald sie einen Men schen wittern, nach allen Richtungen in daS Dickicht und drücken sich hier wie ein Hirschkalb hinter Sträuche und Baumstämme. An ein Treiben ist gar nrcht zu denken, und werden sie erst größer, dann widersetzen fle sich sogar, wenn der Farmer Ernst macht und mit seinen Hunden in die Nähe kommt. Ebenso verhält eS sich mit der Rindviebzucht, und selbst bei den Pferden wird der Eigenthümer in die Ncthwendigkeit versetzt werden, seine Thiere nach indianischer Silke mit der Schlinge (dem Lasso) einzufangen. Die einfache Schlußfolge ist, daß die Viehzucht in Amerika ebenfalls eine gewisse Kenntaiß und Aufmerksamkeit erfordert, und bloßer Ankauf und Gottverlrauen nicht hinreichen. Allerdings aber wird sie dem Landwirthe auf eine Art erleichtert, die wirklich seinen kühnsten Erwartungen entsprechen müßte, wenn sic eben nicht durch unwahre Schil derungen überspannt wären. Der westliche Farmer, z. B. in Missouri, Kentucky, Tenefsee, Arkansas und^TexaS, kennt die Srallfütterung kaum, vielleicht nicht einmal dem Namen nach. Seine Pferde, Kühe, Schweine, Schaafe laufen im Walde oder in der Prairie um her und kommen nur dann und wann auS freien Stücken nach Hause, um Salz zu erhalten oder vielleicht bei nahendem Unwetter dir schützende Nähe deS Menschen zu suchen. DaS Salz ist aber der Magnet, der sie an die Nähe der Farmen fesselt, dec ihnen stet« die Orte, wo sie dasselbe zu finden gewiß sind, in das Ge- dächtniß zurückcust und sie in bald längeren, bald kürzeren Zwischenräumen antreibt, ihre Hrimath, d. h. die Farm ihres Herrn, aufzusuchen. Oer darf ihnen aber auch nicht fremd werden; er muß oft mit einem Säckchen Salz und einer Satteltasche voll Mais den Wald durchstreifen, die Orte kennen lernen, wo die verschiedenen Heerden oder einzelne Thiere grasen, und diese dahin bringen, daß sie seine Annäherung lucht allein dulden, sondern ihm auch auf seinen Ruf eine Stecke weit folgen, um dann, sind eS Pferde, Salz und einige Maiskolben, ist «s Rindvieh, nur Salz, und sind es Schweine, einigen abgeschälten Mais zur Belohnung in Empfang zu nehmen. Hat er das öfter gethan, so kann er ganze Heerden mit dieser einzigen Zauberformel meilenweit hinter sich herlockcn und wird nie Schwierigkeiten finden, sein Vieh zu behandeln und in eine Um zäunung einzutreiden, wenn er es zeichnen oder ein spannen oder auf sonst eine Art benutzen will. Das muß er aber thun, sonst darf er nie daran denken, aus seinem Vieh wirklichen Nutzen zu ziehen. Pferde hält sich der westliche Farmer selten viele; er bedarf nur weniger zu Bestellung seiner Felder, und diese dann auch nur zwei Monate, im