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er jeden Zweifel an seiner und Mechthildens Schuld beseitigt; es sei klar, daß fie es ihm mit ihren Zauberkünsten angtthan, ihn behext habe, baß ec gleicherweise dem Arme des Teufels wie der stra fenden Gerechtigkeit verfallen. Aber man wolle dem Volke kein öffentliches Schauspiel geben? es solle nicht heißen, daß ein Geistlicher sich habe noch weiter verirren können, als er durch seine Predigt dargekhan. Seine Gemeinde werde man damit beruhigen, daß er jene Predigt im Fieberwahnsinn gehalten, den Mechthildens Zauberlränke und Sal« den in ihm erzeugt, und daß ihn das Kloster aus genommen, darinnen von seinem Wahnsinn zu genesen. Unschädlich für Andere gemacht, werde er in einer einsamen Klosterzelle Zeit haben über seine begangenen Sünden nachzudenken, Buße zu thun und von seinem Irrsinn sich zu bekehren. Hier half weder Widerstand noch Widerspruch; wie war jener möglich hinter den festen Mauern eines Klosters, was nützte dieser von einem Men schen, den man von vornherein für wahnsinnig und verirrt erklärte? Ja, in gewisser Beziehung fühlte er selbst sich schuldig. — Dieü Bewußtsein zerknirschte ihn, und er mußte erst mit sich» selbst darüber in's Klare kommen, ehe er wagen konnte, Alles von fich abzuwälzen, das man ihm vorwarf — auch vor sich selbst und vor Golt. Jetzt erst erkannte er, daß er Mechthilde liebte mit einer innigen und allmächtigen Empfindung, die für den ein Verbrechen war, der, als er sich dem priesterlichen Stande gelobte, auch jeder Liebe zum Weibe, wir still und verborgen sie auch nur im Herzen leben möge, zu entsagen schwor. Und nun fühlte er: er halte seinen Eid gebrochen! War bei dieser einen Schuld nicht, alles Andere, was ihn scheinbar unverschuldet traf, die wohlverdiente Strafe für dieses stille Vergehen? — Ul. Jndeß erlebte auch Mechthilde Aehnliches m ihrem Innern, cingeschlossen in ein unterirdisches feuchtes Loch, abgeschieden von allen menschlichen Mesen, sie, die noch nie die freie Eoltesluft und die Umgebung liebender Menschen entbehrt hatte! Sie war das erste auSerwähIle Opfer eines Hexenprozessls in Sachsen. Die Gemächer der weltlichen wie geistlichen Richter waren noch nicht so abgestumpft wie später, wo sie einander an Gräueln und Martern überboten. Denn die Grau samkeit und Blutgier ist ein Ungeheuer, das klein und schwach beginnt und erst durch die Opfer, die es verschlingt, zur R>esengröße emporwächst. Nicht dir Grausamkeit selbst stumpft sich ab, wenn sie einmal zu wüchen begonnen, sondern nur der Ein druck, den sie macht, und sie selbst steigert im Gr- gentheil sich zu immer größeren Schandlhaten. Darum Halle Mechthilde noch ein besseres Loos, als ihr in einer später» Zeit würde zu Theil geworden sein. Man führte sie nicht gleich in's peinliche Verhör, man sandte ihr nicht gleich die rohen Henkersknechte, sie in die Maklerkammer zu führen und durch die Tortur „ in der Güte zu befragen", wie man den ersten Grad derselben nannte; — man war menschlich genug, ihr zuerst den Geistlichen zu senden. Fredich nicht einen milden Ernestus, sondern seinen zelotischen Stell vertreter und Nachfolger, der zu ihr giaz, sie zum Geständniß ihrer Schuld zu bringen. Ec hielt ihr diese vor. Eie habe viele Bur schen im Dorfe durch geheime Zauberkünste an sich zu locken gewußt und dann doch ihren Spott mit ihnen gehabt und Jeden abgewiesen, weil sie sich selbst dem Teufel ergeben; dann habe sie sich sogar an den Pfarrer Ernestus gewagt, Hexensalb-n in seine Wunden gestrichen und ihn dermaßen txrzau- bert, daß er auf der Kanzel selbst Gort gelästert und die Macht des Teufels bezweifelt habe. Jetzt sei er, darüber in Wahnsinn verfallen, «u geistlichem Gewahrsam. Mechthilde solle nur gestehen, daß sie dies Unheil verschuldet habe, und daß sie selbst eme Hexenlochrer sei. Denn da Niemand wußte, wer ihr Dacer gewesen, war dies em schr wesent licher Punkt dec Anklage. Alle unehelichen Kinder waren von vornherein für ehrlos und zuweilen sogar für vogelfrei erklärt. Bekannt mit der Sitten losigkeit des Klerus pflegte man sie „Pfaffenkindec" zu nennen; — waren sie aber einer Anklage ver fallen, so nannte man sie leicht auch TeufelsktNder. Und weiter drohte der Geistliche Mechthilden, wenn sie nicht jetzt ihm beichte und AlleS gestehe, so werde man sie m die Folterkammer bringen. Mechthilde schauderte vor diesem Bilde. Dir entsetzlichen körperlichen Schmerzen, die sie dort erwarteten, waren ihr noch das Geringere; aber das, was sie um jeden Preis sich ersparen wollte, war die aller Scham hohnsprcchende Behandlung, die ihr unter den Händen der Henkersknechte bevor, stand. Diese Vorstellung allein war schon ein geistige Folter, die sie zum Geständnisse brachte- Und war sie denn frei von jeder Schuld? Wer ihr Vater gewesen, wußte sie nicht, und nach den Begriffen ihres Zeitalters empfand sie die Schmach ihrer Eltern als ihre eigene. Und jetzt fühlte sie eS selbst, daß für Ernestuü Empfindungen in ihrem Herzen lebten, die lhr zur Sünde wurden. Und