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nicht bitten lassen, der Unfinn müsse in sich selbst zerfallen. Trotz dem ließ man es sich bieten, daß Papst Jnnocenz Vlll. 1484 den Hexenqlauben durch eine Bulle förmlich gebot, darin den Pfar rern aufgab bei Verlust ihres Amtes und unter Androhung des Bannes in den Kirchen dasTottes- wort von der Herrschaft des Teufels auf Erden zu lehren und die beiden Dominikaner Heinrich Kramer und Jakob Sprenger zu Hexen richtern in Deutschland cinsctzte. Weder Kaiser noch Reich hatten gegen diese päpstliche Bulle, durch welche die ganze Nation eigentlich kür vogelfrei erklärt ward, etwas einzuwenden, ja Kaiser Maxi milian bestätigte sie 1486, und der von jenen Dominikanern verfaßte „Hexen ha m mer" ward als Gerichtsordnung im Hcxcnprozcß einqeführt, bci dem man das gute altdeutsche öffentliche und mündliche Anklageverfahren beseitigte und die heim liche Inquisition einführte. Solcher Gestalt waren die Zustände zur Zeit der folgenden Erzählung. l. An einem schwülen Sommertage des I. 1499 sprengten zwei Ritter in halber Rüstung, gefolgt von sechs Knappen, die gleichfalls zu Pferde saßen, auf der Straße dahin, welche vom Kamme des säck- fischen Erzgebirges durch den Wald Miriquipi hinab ins Meißner Niedcrland führte. Der eine Ritter war von stattlichem Wüchse, und sein zurückgeschlagnes Visier zeigte ein fugende liches Gesicht, aus dem heilere Lebenslust und stolzer Uebermulh sprachen, indeß das seines ältern Begleiters neben dem allgemeinen Ausdrucke der Rohheit ein boshaftes Lächeln um den Mund und hinterlistig lauernde Blick« wies. „Hört Ihr nichts?" fragte der Jüngere vllh hielt lauschend sein Pferd an.. „Nichts als das Gebimmel eines Betgsöck- chens. Sie werden wohl im Kloster Zella Ave Maria lauten," versetzte der Aeltere. „So wäre es noch früh am Tage," bemerkte Jener, „und sind wir hier nicht weit vom Kloster, so habt Ihr den Weg weiter beschrieben, als er ist, und wir sind zu frühe von Eurer Burg aufge- brochen, Ritter Eberhard." Dieser versetzte: „O, Junker Georg, Ihr hättet Zurückbleiben können, wenn Ihr fürchtet, Euch bei Tage an meiner Seile sehen ZU lasse»! Wie cs scheint, habt.Ihr plötzlich gewaltigen Respekt bekommen vor dem in Worms gestifteten ewigen Landfrieden und meintet doch selbst, daß viel auf papiernen Urkunden stehen könne, ehr fich unsereins danach zu richten brauche. Seitdem aber das Bürgerpack übermüthig geworden und da und dort sich erfrecht hat, den Burgherren Widerstand zu leisten und beim Reichskammer gericht zu klagen, laßt Ihr die Flügel hängen." „Das Kammergericht, das aller Augenblicke auseinander zu laufen droht, weil die Mitglieder ihren Gehalt nicht empfangen, das fürcht' ich wahrhaftig nicht," lagt« Georg verächtlich, „und weil der Gehalt von der Au'iaqe des gemeinen Pfennigs bezahlt wbrden soll, den Niemand geben mag, so wird diese unbequeme Neuerung keinen langen Bestand haben." „Nun, wenn Ihr so vernünftig denkt", ent gegnete Eberhard, „fürchtet Ihr da etwa den Herzog Albrecht, der schon seit Jahren sich ruckt UM sein Sachsen kümmert und M Kaiser Maxi milian in den Niederlanden kämpft? Der freilich sollte von seiner Kindheit her noch ein Lied von sogenannten Raubrittern zu singen wtsfin, da ihn Ritter Kunz von Kaufungen gleich selbst geraubt!" „Ich fürchte gar Niemanden!" antwortete Georg ärgerlich, „und ich sehe nickt ein, wie Ihr dazu kommt, mir Furcht und Feigheit vorzuwerfen." „Um so besser!" antwortete Eberhard. „Jetzt übrigens nähern wir uns einem Kohlenmeiler, und um nickt von jedem Tölpel gleich erkannt zu wer den, ist es immerhin b.ffer, die Visiere Herunter zuschlägen. " Die beiden Ritter thaten dies und hießen zu gleich ihrem Troß, sich ein Wenig entfernter von ihnen zu halten. Bald begegneten sie ein paar rußigen Arbeitern, die sich links wendeten, wo der dicht aufsteigende Rauch die Stelle des Kohlen brandes anzrigte. Als sie erwa eine halbe Stunde darüber hinausgcrittcn waren, überholten sie einen jungen Geistlichen, dem zwei Chorknaben folgten. Diese trugen die heiligen Gefäße bei sich und schic- - nen ihren eiligen Schritten nach auf dem Wege zu einem Sterbenden zu sein. Gewohnheitsmäßig grüßten die Ritter. Der Pater 4ral auf sie zu und sagte bescheiden: „Ihr seht, wie wir eilen zu einem Sterbenden zu kommen. Habt Ihr nickt gleiche Eile, so möckte ich einen von Euch bitten, mir sein Roß zu leihen, daß es mick schneller zum nächsten Dorfe bringe, das hier au der Straße liegt, wo Ihr cs dann wieder fin den werdet. DaS meinige ist mir vorige Nacht gestohlen worden; ich konnte in der Schnelligkeit kem anderes auftreibcn und muß nun fürchten, daß eine Seele, die nach dem letzten Segen verlangt, ohne diesen von hinnen fahre." Ntißnrr Kalender G,