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August. In Berlin trat eine Konstren» von Abgeordneten derZcUvcreinsregierunqen zusammen und berieth über Erhöhung der Rübenzuckerstcuer, die nach langen Verhandlungen beschlossen ward. Behuf- der Berathung über die künftige Regicrungsform der Donausürstentbümer Moldau und Wal lach ei Hilten dort Wahlen stattgesunden, deren Ergedniß d.-r von Rußland und Frankreich, nicht aber von der Türkei, Oesterreich und England gewünschten Vereinigung beider Fürstenthümer unter einer Ver waltung ungünstig erschien. Mik großer Heftigkeit verlangten der russische und der französische Gesandte, denen sich auch der preußische anschloß, die Vernich tung dieser Wahlen, bei denen die türkische Regie, rung einen ungesetzlichen Einfluß geltend gemacht Hütte; ein Vorwurf, der vom französischen Gesandten Angesichts der letzten Wahlen in Frankreich und der dabei geltend gemachten Regicrungseinflüsse fast mehr al- unbefangen klang. England und Oesterreich stimmten anfänglich diesem Verlangen nicht bei, als aber der Kaiser der Franzosen mit der Kaiserin in Osborne, dem Sommeraufenthalte der Königin von England, einen Besuch abstaltetc, gelang eS ihm, die englische Regierung auch in' dieser Frage für seine Ansichten zu gewinnen, wie denn der englische Mi nister Lord Palmerston immer da- fügsame Werk zeug der Politik Napoleons III. gewesen. Nun gab auch Oesterreich nach, und der Sultan mußte sich dem Verlangen seiner „Freunde" fügen. — Obgleich in Spanien die Freunde Roms längst wieder den alten Einfluß auf die Regierung gewonnen batten, war doch auch dort, was man „christliche Sitte" nennt, nicht eben einheimisch. Oie Regierung erließ «ine Verordnung, die das Fluchen mit schwerer Strafe belegt. Ob das geholfen, ist uns unbekannt geblieben« September. Die glücklich eingebrachte reiche Ernte machte die Gelreibepreise sinken; doch blieben andere Lebensbedürfnisse, als Fleisch, Kleider, Schuh, werk und in den größeren Städten die Wohnungen noch immer unverhältnißmäßig hoch im Preist. — Nachdem in der ersten Hälfte des September große Manöver einiger preußischen Armeekorps stattgefun- den, wurden solche auch bei Dresden von der gesammlon sächsischen Armee in Anwesenheit vieler fremden Offiziere abzehalten. — Dec Kaiser der Franzosen hatte in Stuttgart eine Zusammen kunft mit dem Kaiser von Rußland, die indeß nicht von einer besonder- freundlichen Annäherung beider Regierungen begleitet erschien. Auch das mußte auffallen, daß anfänglich die russische Kaiserin, wie es hieß wegen Krankheit, nicht mit nach Stuttgart Sam, weshalb auch die französische Kaiserin wegblieb. Nachher kam aber doch die Kaiserin von Rußland dahin, so daß es schien, als habe sie die französische Kaiserin nicht sehen wollen. Im Ganzen mag wohl darauf nicht viel ankommen; die französische Eitel keit war aber doch verletzt. Um auch den geringen politischen Erfolg der Stuttgarter Zusammenkunft noch geringer erscheinen zu lassen, schlug der Kaiser von Oesterreich seinerseits dem von Rußland eine Zusammenkunft vor, die in Weimar stattfand, von wo die beiden Kaiser auf rin paar Stunden nach Dresden kamen. Auch bei dieser Zusammenkunft schien die Höflichkeit das einzige Erreichte zu sein. Selbst bei den absolutesten Herrschern ist beute die persönliche Anschauung dem großen Bedürfnisse, oder waS als solches erscheint, untergeordnet. — Außes diesen Zusammenkünften von Potentaten fanden, wie alljährlich in diesem Monate, vielerlei Versamm lungen statt, wie z. B. die der Land- und Forst- wirrhe u. s. w. Auch zwei „christliche" Versamm lungen wurden abgehalten: bieder evangelischen Allianz zu Berlin, wobei eine Umarmung und ein Kuß, die dem vr. Bunsen, der, obgleich selbst sehr fromm, jetzt von den Ueberfrvmmen verketzert wird, von einem Genfer Geistlichen zu Lheil ge worden, Gegenstand eifriger Verhandlungen ward, während in Stuttgart auf dem evangelischen Kirchentage «ine für den Katholizismus gar zu gün stige Rede des Berliner geh. KirchenralhS l)r. Stahl, unter den versammelten eifrigen Lutheranern große Aergcrniß erregte. Die Berliner wie die Stuttgarter Versammlung zeigten übrigens deutlich, daß die Be strebungen der kirchlichen Rückschrittspartei den Höhe punkt ihrer Erfolge bereits siberschritten haben. — In Köln am Rheine flog am Nachmittag des 15. ein Privatlaboratorium in die Luft, wobei 1 Mensch das Leben verlor und 2 schwer verletzt wur- den. Nur wenige Stunden später entzündete sich in München in einer Eisenhandlung ein be deutender Pulvervorrath, der das Haus gänzlich zerstörte und 5 Menschen tödtele und 2 schwer ver letzte. — W-gen schwerer und wahrsche nlich unheil, barer Erkrankung des Königs von Schweden und Norwegen übernahm dort der Kronprinz die Regentschaft. Von nun an gewann auch dort die Reaktion wieder mehr Boden. — Ein große- fran zösische- Lager bei EhalonS erregte 'N Deutschland hie und da Besorgnisse, die bei der leicht erklärlichen FricdenSIube Napoleons III. unbegründet erscheinen. — Seit Rußland richt mehr im Kriege mit den Westmächten lebt, setzt es seine Versuche, die D.rg« Völker des Kaukasus zu unterwerfen, mit dem frü hem zweifelhaften Erfolge fort. Neben den russischen SiegeSberichken kamen doch auch zuweilen Nachrich ten über Siege der Tscherkessien, und es scheint die Zeit noch weit entfernt, wo Rußland in Wirklichkeit die auf dem Papiere so ost vernichtete« kriegerischen