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Walachische Reisebilder. In der Walachei hat das Reisen noch seine ganze wilve Poesie beibehalten. Jeder Nagel, jede Schraube, so wie die Achsen des Wagens waren von mir und meinen beiden Reisegefährten mit ern sten, prüfenden Blicken untersucht worden; die aus den verschiedenartigsten Bestandthcilen zusammen gesetzten Lcbensmitkclvorräthe waren sicher verpackt, und endlich verkündete der eigenthümliche Klang der kleinen Glocke, welche die Postpfcrde hier am Halse tragen, daß das walachische Gespann mit den bei den Surudschus (Postillonen) nahte. Wenige Minu ten später, und das furchtbare Geheul der Surudschus erscholl, die langen Peitschen schwirrten knallend über den kleinen wilden Pferden, und fort ging cs in rasender Eile durch die bewachten Straßen von Bu- charcst und seine stillen Mahala's (Vorstädte) der Barriere zu. Bucharcst hat in seiner äußern Umgebung keine Ähnlichkeit mit irgenv einer andern europäischen Stadt. Mit Ausnahme der vor der Barriere nach Banjasi zu gelegenen, von einem Deutschen Na mens Meier geschaffenen Parkanlagen und des so genannten Tschismctschu-Parks fehlt der großen Stadt jener grüne Kranz von Gärten, untermischt mit Hellen Landhäusern, in welchen anderswo Reiche und Aritte nach vollbrachten Werktagen so gern Entschädigung suchen für all die Qualen und Entbehrungen, die nun einmal mit dem Aufenthalte in einer großen Stadt verbunden sind. Wo die Stadt aufhört mit all ihren inneren Kontrasten von Glanz und Ar- Muth, Uebcrfeinerung und Unkultur, beginnt un mittelbar die wilde Walachei, wie sic aus Gottcö Hand hervorgegangen. Einzelne Kukuruzfclder, hier und da etwas Wein ist Alles, was sich dem Auge des Beobachters zeigt; dann wird es »och flacher und öder als in der Lüneburger Haide, und wüßte man nicht, daß das scharfe Auge des walachischcn Postillons ungeachtet der oft undurchdringlichen Staubwolken nie in der Wegrichtunz fehlt, mau wäre versucht zu bedauern, daß man keinen Kom paß mitgenommen. Im Winter vollends verwandeln sich derartige Land strecken in der Walachei in wahre Schnee wüsten. Die eigenthümliche geographische Lage des Landes, besonders aber die Nähe der Hochgebirge im Norden und Süden lassen den Winter hier viel strenger auftreten, als man cs nach den Breiten graden des Landes erwarten sollte. Namentlich aber ist der Schneefall in der Walachei viel rei cher als in. irgend einem Lande des Mittlern Eu ropas; und es ist nichts Ungewöhnliches, daß eine mehre Fuß hohe Schneedecke den Boden bedeckt und in manchen Gegenden jede Verbindung längere Zeit unterbricht. Welche ungeheure Schwierigkeiten aber derartige Wegstrecken dem Reisende.; bereiten müssen, wenn man oft meilenweit keinen Baum, keinen Strauch, keinen Thurm sieht, das spricht genugsam für sich selbst. In solcher Jahreszeit, und besonders wenn die hier ungemein heftigen Stürme wehen, dürfte es leichter sein, in der Sahara alS auf derartigen Strecken in der Walachei zu reisen. Auf der halben Poststation Bragadir hielt unser Achtgcspann vor der Krctschma (Dorfschenkc) an gekommen, wie auf Kommando. Die Pferde wissen ganz genau, daß hier der Surudschu seine halbe Oka walachische» Wein erhält, und selbst in der finstersten Nacht kommt es nicht vor, daß sic ihn in seinen Gebühren beeinträchtigten. Wenn auch meine beiden Reisegefährten mich nicht aufmerksam gemacht hätten, daß in Bragadir sich eine Sal- hanna befände, meine Gcruchsncrven hätten es ge wiß gethail, indem ein widerwärtiger Verwesungs geruch die Atmosphäre unausstehlich machte. Man schilderte mir indeß die Einrichtung Lieser Salhanna oder Ochsenschlächterei als eine so interessante, daß ich mich entschloß, dieselbe uähcr anzusehen. Eben war eine Anzahl Hirten beschäftigt, eine Ochsenherde von einigen hundert Stück in die offenen Thore des ummauerten äußern Hofes der großen Schlächterei einzutreiben. Diese wild auS- schenden Gesellen waren theils zu Pferde, thcils zu Fuß und mit langen Peitschen und Prügeln wohl versehen. Indeß ihre Aufgabe war keine leichte, denn die Thiere hatten, abgcschrcckt durch den Ge ruch, nicht die mindeste Lust, in den Hof einzutre ten, und machten ihren Peinigern viel zu schaffen. Mehr und mehr zusammengedrangt und von den Treibern immer dichter umschlossen, vom wilden Geheul der letzteren und vom Peitschengeknall be täubt, ballten sich endlich die Thiere auf einen so dichren Knäuel zusammen, daß einzelne durch den nach innen wirkenden Druck hoch über die anderen emporgehobcn wurden. Je näher der Haufe dem Eingänge zugedrängt wurde, desto wilder und lau ter wurden die Hirten, und da der Knäuel, auf den hageldicht die entsetzlichsten Schläge fielen, nicht mehr ausweichen konnte, so begann derselbe jetzt gleich einem Strudel sich um sich selbst zu drehen und stimmte endlich mit dumpfem Brüllen in das Wuthgehenl der Treiber ein. Doch erst dann, als es den letzteren gelungen, mehre Thiere in den Hof zu zerren, folgten die anderen nach, während hier und da noch ein Reiter auf gewandtem Pferde Jagd machte auf einzelne Flüchtlinge, die dem Haufen entronnen waren und in wilden Sprüngen zwischen den Hütten des Dorfes umherirrtcn.