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sagt« der Direktor entschlossen im Tone SchweizerS und war an der Seite des Fremden. Dieser blieb stehen, sah ihn groß an und rief dann, ihm die Hand reichend: „So wahr ich Moor bin, der Mord« brennerhaupkmann — ein Bruder in Apoll! Wohlan, komm mit mir Schweizer!" und er nahm den Arm deS alten Kunstgcnossen. Sie stiegen di« sanftansteigende Treppe hinan und wandelten oben durch die Gräber. Die schei- _ bende Sonne vergoldete nur noch die Spitze der Grabkapelle. „Das ist wahrlich ein Ort, der zur ewigen Ruhe einladet," sagte der fremde Schauspieler im Dahinschreiten, „hier wird man nur an den griechi schen Genius mit der gesenkten Fackel, nicht an das christlich germanische Gerippe erinnert. Ich liebe die guten Zschopauer, eh' ich noch einen gesehen; die Lebenden, die ihre Tobten so schön betten, müssen auch schön zu leben wissen, sie müssen ein wackere«, gemüthreiches Völkchen sein.'/ Der Direktor bestätigte das aus voller Seele. „Und da kann es Ihnen auch nicht schlecht hier gehen, Kollege," begann der Fremde wieder — „Sie müssen gute Geschäfte hier machen, nicht?" Der Gefragte senkte den Kopf und antwortete mit einem Seufzer. Er war immer zurückhaltend in Betreff seiner eigenen Lage — wäre er es weniger gewesen, so hätte er wohl unter den Afckopauecn noch einen hilfreichen Freund gefunden, wenn auch der alte Freund hier unter dem Marmorkren; schlief — der gute Direktor gehörte zu den Armen, dir ein Diogenes untir den Kommödianten mit der Laterne suchen würde, zu den verschämten nämlich,— aber der fremde Kollege hatte eine so vertrauenerweckende Art, er wußte so gemüthüch zu fragen, daß er dem Bedrängten bald daS ganze Geheimniß seiner Be- drängwß entlockte. AlS der Direktor seinen Bericht schloß, blieb der Andere stehen, sah nachdenklich zur Erde und sagte für sich: „Ich habe einen Man» gesehen, wie ich herüber kam, der in Tagclvbn ar beitete und eilf lebendige Kinder hatte, dem Manne kann geholfen werden —" und zu dem Direktor ge wendet fuhr er fort: „Armer Kollege, wie viel brau chen Sie denn, um Ihr Schifflein wieder flort zu machen?" Der Direktor überlegte und sagte dann: „Mit fünfundzwanzig Lhalern wäre mir geholfen; damit könwtr ich meine Schulden bezahlen und mein Glück weiter suchen, da mich Zschopau diesmal durchaus im Stiche läßl." „Fünfundzwanzig Thaler l" rief der Fremde mit komischem Pathos — „und darum Räuber und Mörder! da hab' ich ja manchmal an einem Abend mehr bei Champagner und Mädchen aufgehen lassen! Diesen Däumling von einem Bären wollen wir bald losgebunden haben. Ich sitze zwar im Augen blick selbst ziemlich auf dem Sand, habe knapp so viel, um mich nach Leipzig zu bugflren, wo ich in frisches Fahrwasser komme, aber doch kann ich Ihnen helfen; oder glauben Sie nicht, daß sich die Theater» lüft der edlen Zschopauer wecken ließe durch einen bogengrvßen Komödienzettel, auf welchem in großen Lettern zu lesen wäre: „Heute aus vielfaches Verlan gen: Die Drillinge rc.rc." und am Schluß recht groß gedruckt die dreibesternte Notiz: „Ferdinand — Herr Unzelmann, königl. preußischer Hofschauspieler als Gast." Meinen Sie nicht, daß daS zöge?" Der Direktor stand vor dem Fremden mit halb offenem Munde, mit leuchtenden, feuchten Augen, Staunen und Freude und Verehrung in allen seinen Zügen — „Herr deS Himmels," rief er, „ist e« möglich? Sie der berühmte, der große Unzelmann? Und dann einen Schritt zurücklretend und die ganze Gestalt in einen Blick fassend, fuhr er fort: Ja, ja, es ist so — ich habe mir immer gewünscht, den Mann mit dem vernichtenden Bl ck zu sehen, wie er saß auf den Ruinen von Karthago, jetzt wünsch' ich es nicht mehr! — O, das ist ein himmlisches Glück, das erwartete ich in meinen alten Tagen mit meinem bocklahmcn Thespiskarren nicht mehr." Seine Ncth war vergessen, er hatte nur noch ei» Gefühl, das der Bewunderung vor einem wah ren Künstler „ vor einem echten Priester Thaliens, wie er selbst einer zu werden sich kühn vermessen. „Nun, wie meine« Sie, Kollege?" nahm der Fremde wieder daS Wort, „würde mein Name als Gast wohl ziehen? und würden Sie dadurch flott werden?" „Ack Gott, — gewiß — aber das kann ich ja gar nicht hoffen, nicht verlangen —" „Pah! Ich spiele Euch ein« oder zweimal Ko mödie, mein Alter, wenn nicht Euch, so den Zscho« pauern zur Liebe, weil sie ihre Todlen so ehren, weil sie rin so gemüthlicheS Volk sind. Ich will sie ein mal herzlich froh machen, ich will ihnen zum Todt- lachen spielen, weil der Tod hier so freundlich aus siebt. Wie siebt'«? Habt Ihr die Drillinge schon auf dem Rcpertoir?" „Ich habe sie mit meinen Leuten einstudirt, aber da mir der Ferdinand durchging, so konnte ich da« Stück nicht aufführen." „Das paßt ja; gut denn! ich spiele den Ferdi- Meißner Kalender G.