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das Sachftnkand durchzogen und wenn auch sonst keinen Ruhm, so doch den Ruf des rechtschaffensten Direktors einer Wanderbühne sich erworben. Darum durfte er auch überall wiederkemmen. Auch in Zscho pau fand er immer willige Aufnahme. Alle drei Jahre kam er dahin, und so war er nun wohl das sechste Mal da. Immer hatte er bi« dahin hier feine bescheidene Rechnung gefunden. Sie war in der That sehr be scheiden, und es war auch nur ihm möglich, sie so bescheiden zu stellen. Seme Kinder waren heranqr- Wachsen und bildeten den Stamm seiner Truppe. Sie strielten alle Fächer zur Zufriedenheit kleinstädtischer Zuschauer. Nur für die Fächer eines ersten Heiden and Liebhabers und eines Komikers hatte er in seiner Familie kein rechte- Talent — das waren denn fast Vi« einzigen fremden Mitglieder seiner Gesellschaft. Er spielt« mit seiner Frau Vater und Mütter. Seine Kinder hatte er zur Mäßigkeit und Ordnung erzo gen, so waren die Bedürfnisse seiner zahlreichen Fa milie gering und er brauchte nur mäßige Einnahmen, uM durchzukommen. Dies war ihm nun bisher immer gelungen; ja, er hatte noch jederzeit von Zschopau einen Spar- Pfennig mitgenommen für minder „guteOrte". Zscho pau «ar für ihn immer «in Oct der Erholung, der Witderdefestigvng seiner schwankenden Existenz gewesen. AufZschopau hatte man sich -mmer ein ganzes Jahr lang gefreut. Er selbst vor Allen, und das noch au- einem ganz andern Grunde als dem de« Erwerbes. Er hatte unter den wohlhabenderen Bürgern einen Freund gefunden, einen wahren, biedern Freund, wie ihn ein alter fahrender Komödiant, und wäre er auch Di rektor, selten findet. Der hatte ihm oft gesagt: „Wenn dir's einmal schief geht, Aiterle, wenn du in Ver legenheit kommst wegen Mose« und Propheten, du verstehst mich schon, dann weißt du, wen du in der „Zlchape Mer JeseS" hast, verstanden?" Ader Gott Lob! es war noch immer so gerade knapp recht ge gangen, und der gute Direktor setzte seinen ganzen Stolz darein, sich selbst zu helfen und dem Freunde zu zeigen, daß er ihn nur um seiner selbst willen liebte. Und als einmal der Freund ihm da- Ver sprechen batte abdrinqen wollen, sich in irgendwelcher Beilrgenbrit, wie dergleichen bei einem wandernden Schauspieidirektor ja beim besten Willen nicht auS- bleiben könnten, unfehlbar an ihn zu wenden, da hatte er gesagt: „Gut, ick will mich gleich jetzt an dich «enden — ich habe mir immer gewünscht, in Aschepa« non d«r Bühne des Lebens abzutreten, sollte ,« nun einmal zu meiner Schlußsceae klingeln, so will ich, wenn möglich, hierher kommen — verstwtch mir dann ein Plätzchen auf euerm schönen Gottes« acker zu bereiten. Wir Schauspieler sind ja nun we nigsten- so weit ehrlich geworden, daß man uns nicht mehr hinter der Mauer im Armensünderwinkel ein scharren zu müssen glaubt." — „Daran wollen wir noch lange nicht denken, atte« Hau«", hatte der Freund geantwortet; aber er hatte ibm die Hand gedrückt, und da« war so viel wie ein Anlheii an der Sterbe kasse und mehr. Wie anders war das aber gekommen! Der llarke, rüstige Freund war plötzlich gestorben, und alt der arme Sckauspieldirekror wieder nach Zschopau gekom men, hatte er nur dessen Grab gefunden. Und mit dem Freunde schien alles Glück für ikn von Zschopau gewichen. Erst war es ibm, al« könne er überhaupt da gar nickt Komödie spielen, wo ibm der einzig« Freund gestorben. Aber es wollte gelebt sein, «r mußte spielen — und wie er nun da- Theater mit einem Lustspiel eröffnen wollte, ging ibm sein Ko miker durch, daß er das angezeigte Stück nickt auf führen konnte. Dann verließ ibn auch der erste Held und Liebhaber, und was das Schlimmste war, es trar nach einem rauben Spätsommer solch polizei widrig schönes Herbstwetter ein, daß man es den Zscko- pauern nicht verargen konnte, wenn sie lieber aufs „Vorwerk", oder in die „Bleiche", oder nach der Bergschenke, ja nach Sckarfenstein kurz überall hi« zogen, wo sie frische Luft schöpfen konnten, al« sich in dem dumpfen Ratbbauslaal einpferchten. So batt« er denn fast Abend für Abend vor leerem Hause zu spielen, kaum daß die Tageskosten gedeckt wurden, und da die Chemie damals noch lange nickt so weit vor geschritten war wie beure, man also noch weniger wie heute da« Gebeimniß entdeckt hatte, von der Luft zu leben, selbst wenn man einen Komöd'antenmagen batte, consistenttre Lebensrnittel aber in Zschopau so gut ihren Preis baden wie anderwärts; so versenkte des Leben nackte Notbduift den Vater Direktor in eine Schul denmasse, dir für einen prjvilegirten Schuldenmachrr ein wahrhaft lächerlicher Tropfen gewrsen wäre, aber für den ehrlichen Sckauspieldirrktor ein Meer voll Sorge und Verzweiflung war. Um sein Unglück voll zu machen, mußten auch noch die Meßsieranten, Tuch-, Kattun- und Strumpf fabrikanten und andere von der Leipziger Messe heim« komme« und nickt blos volle Beutel miibringe«, sondern auch selbst ganz voll sein von den Leipziger Theatergenüssen, namentlich von der zwerchfellerschüt ternden Komik der „Drillinge" und ihre« großen Darstellers Unzelmann, der «ährend der Messe in