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April. Die nach einem beschränkten Wahlsystem gewählten hanoverschen Stäube traten am 2. zu sammen, zeigten aber von allem Anfang« an wenig Ge neigtheit, tre vom Bundestage unterstützten Bestrebungen der Regierung zur Wiedereinführung früherer Zustände zu fördern. — Seit Unterzeichnung LeS Pariser Friedens «erden überall di« Rüstungen eingestellt und die in vielen deuischen Staaten angevrvnere Kriegsbereitschafl in den FriedenSsuß umgewandelt. — Oie Bildung einer preu ßischen Kriegsmarine geht s» langsam vorwärts, Laß Liefe noch nicht einmal den Bestand der ini Jahre »852 aufgelösten deut sehen K l»l c c erreicht. Auch der Bau des preuß. KricgShafenS am Lahdebusen ist noch immer nicht über Li« ersten Vorarbeiten hinaus gediehen. — Li« Be vollmächtigten der Friedenskonferenz in Paris dericthen nach Unterzeichnung des Friedens über einige andere Fra gen von europätschem Zntercss«, kamen aber dabei zu kei nem Resultate, Frankreich sprach sich bitter über tt: bel gisch« Preßfreiheit aus, Preußen erinnert« an fein« An sprüche an den Schweizer Kanton Neuenburg, und Sar dinien sprach sich g.gen die fremden Besatzungen rn Ita lien auS. Letztere Frage führte zu heftigen Entgegnun gen Seiten Oesterreich» und gehört noch heute za den so genannten brennenden Fragen. Wie wenig Vertrauen dr« belh«iligten Regierungen selist zu dem pariser Frieden hatten, «rgiebt sich daraus, Laß schon am >5. April ein geheimer Vertrag zwischen Frankreich, Eugland, Oester reich und der Lurker geschlossen war», durch den sich dr« genannten Mächte verpflichten, dre Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der Türkei zu sichern. — An mehren Punkten in der Türkei fanden Unruhen der altgläubigen Bevölkerung stakt, di« nicht« von der Gleichst,Uung »er Ehristen wissen will,—Die engllsch-vsttndische Kompagnie vergrößerte ihre ungeheueren Besitzungen Lurch Einverlei bungen de« Königreich« Audh. Mai. Am 9. brannte da« voigtländische Städtchen Schöneck fast gänzlich nieder; nur neun Häuser dlieven stehen. Noch waren dir Flammen in Schöneck nicht ge löscht, al« am »0. früh gegen 3 Uhr im ebenfalls voigt- landischen Städtchen Lengenfeld ein Feuer ausbrach, Lat gegen »00 Häusec zerstörte. So glänzend sich auch wieder bei diesem doppelten Brandunglücke der wohlthälige Sinn der Sachsen zeig!«, so war die Nolh Loch zu groß, al« daß ihr gänzlich hätte abgeholsen wer den können. — Am 3. wurde in Berlin der preußische Landtag geschloffen, der mehr wie einer der früheren zur Wiederherstellung ritterschaftlicher Vorrechte gelhan harre. — Seit dem Abschlüsse Le« pariser Friedens zeigte sich in Italien große Unruhe. In Parma kamen mehr fache politische Meuchelmorde vor, weshalb der österreich ische Kommandant daselbst das ganze Herzogthum in Belagerungszustand erklärte. Zahlreiche Verhaftungen und Stellung der Verhafteten vor Au«nahmeg,richt»höfe vermehrte dre Aufregung, statt sie zu vermindern. Die österreichischen Truppen in der Lombardei wurden nach der sardinischen Grenze hin verstärkt, die sardinische Re gierung iyrerseil« zeigte wenig Neigung zu versöhnlicher Stimmung Oesterreich gegenüber. Zn Rom und Neapel zeigten sich ebenfalls Spuren von Aufregung und Lieser gegenüber besonder« in Neapel vermehrt« Strenge der Re gierung. — Seit die Bedingungen de« letzten Friedens mehr und mehr bekannt und besprochen wurden, wuchs die Unzufriedenheit mit Liesen fast allenihalben, >n Eng land beklagt« sich Li« Presse, Laß der Kaiser Napoleon Label rücksichtslos gegen seine Alliirtm verfahre« sei. E« verdient bemerkt zu werden, daß io England eine auffällige Zunahme der rassioirteste» Verbrechen in den höheren und reicheren Schichten der Gesellschaft zu Tage tritt. Betrügerische Bankerotte, ganze Reihenfolge« der wohlüberlegtesten Morde besonders durch Vergiftung, Bestechungen u. s. w. folgten auf einander. Solchen Er scheinungen gegenüber muß e« einen eigenthümlichrn Ein druck machen, wenn englische Zeitungen noch immer die in England herrschende hohe Sittlichkeit und Frömmigkeit herausstrcicheo; mehr ron großer Heuchelei dürft« La die Rede sein. — Der russische ReichSkaNjler Reffelrode, der fast ein halbe« Jahrhundert hindurch die auswärtig« Po litik Rußland« geleitet hatte, nahm seinen Abschied und erhielt als Nachfolger im Ministerium den bisherigen Ge sandten io Wien, Gortschakoff, einen Bruder de« bekann ten Generals. Auf einem Balle, den der polnische Adel dem Kaiser Alexander II. in Warschau gab, erklärte Lieser, daß er «ine allgemeine Amnestie füralle politische F lüchklinge mit nur sehr wenig«» Ausnahmen erlassen habe. Spürer zeigte sich, daß vorBenutzung der Amnestie noch eine Masse Förmlichkeiten zu erfüllen waren, di« den Genuß derselben scyr verbitterten; nur wenige polnische Flüchtlinge machten davon Gebrauch, viel« erklärten ausdrücklich, die Amnestie zurückzuweisen. Juni. Dao Konkordat, das Oesterreich mit Rom ab geschlossen, weckte eine Menge von Ansprüchen der Gristlich- k il und ließ Verwirrung mancher Art und Unzufriedenheit voraussehen. Um über die nöthig erschienenen neuen An sprüche und Gewährungen Einigkeit zu erzielen, fand in Wien eine mehrwochentliche Versammlung aller österrei chischen Bischöfe und des päpstlichen Gesandten start, die am 9. geschloffen wurde, lieber das Ergebniß verlautet noch Nicht« Sicheres.—Die dänische Regierung halte mit Zustimmung des Reichsrarys, jedoch unter Protest der schleswig-holsteini schen Mitglieder den Verkauf mehrer Domänen in S^les- wig und Lauendurg zu Gunsten der Kasse des Ge>ammt- staats Dänemark beschlossen. Die Vertreter der deutschen Herzogthumer suchten dagegen Schutz bei deutschen Regie rungen und bei dem Buaoestage in Frankfurt. Es sind auch von Seilen Oesterreichs und Preußens Vorstellungen in Kopenhagen gemacht worden, wie es heißt, ohne Erfolg. Nun soll die Sache vom Bundestage in die Hand geoom» men werden.— In Paris fand am »4. tie feierliche Taufe des kaiserlichen Prinzen unter verschwenderischer Pracht start; der Papst, der als Laufparye geladen war, schickte einen Stellver treter ; er kam ebensowenig persönlich zur Taufe, als er sich bewe gen ließ, die Krönung des Kaisers der Franzosen vorzunehmen. Lang andauernde Regengüsse verursachten furchtbare lieber- schwcmmungeu in einem großen Lheile dr» südlichen Frankreichs. Die überhand nehmende Roth und dieser gegenüber die geringe Sparsamkeit der kaiserlichen Regierung trugen mit dazu bei, die Unzufriedenheit zu steigern. Selbst der gesetzgebende Körper, bisher den Wünschen des allmächtigen Herrschers stets entgegen kommend, fängt an, schwierig zu werden und Opposition zu ma chen, eine schwache zwar noch, aber Loch auffällige.— Um den ar beitenden Klassen inLo n.d o n eine angenehme und nützliche Zer streuung zu gewähren, hatte dieRegierung an einigen Sonntagen in verschiedenen Parks der Hauptstadt durch Militärmusikchore freieKonzerte ausspielen laff.n, die sehr zahlreich besucht und in anständiger Ruhe angehört wurden. Die in England vorzugs weise mächtigen Frömmler aber nahmen Aergerniß an dieser „Schändung des Sabbath" und veranlaßten die Regierung, di« Sonnragskonzerte wieder einzustcllen.