Volltext Seite (XML)
Iandtag gab seine Zustimmung, daß die LandtaqS- wahlen künftig wieder nach dem durch neuere Ge- setzgetung aufgehobenen vormärzlichen Wahlgesetze vorgenommen werden, so daß auch dort nun Alles wieder im alten Gleise geht. —In Berlin fand am 29. die Eröffnung des p enkischen Landtages statt, der in der übergroßen Mehrheit konservativ und noch darüber hinaus, in der Beförderung der Umkehr seine Aufgabe sah. Der Name I. und II. Kammer ward umgewandelt in Herrenhaus und Haus der Abgeordneten. Ein angeblicher oder wirklicher Prinz Leo von Armenien, der sich seit Monaten in den vornehmsten Kreisen Berlins be wegte, wurde polizeilich verhaftet und in's Arbeits haus gebracht; es bieß, cs sei ein Jude von der Insel Java und Gauner von Professton. Bevor aber noch die Untersuchung gegen ihn bis zur öf fentlichen Verhandlung und Aburtbeilnng gediehen war, wurde er wieder aus freien Fuß geletzt und behauptet seitdem in Zeitungsartikeln und gedruck ten höhnenden Briefen, er sei wirklich armenischer Prinz und auf Veranlassung Rußlands in Berlin verhaftet worden. Die Entdeckung, daß längere Zeit zwei vornehmen Herren aus der Umgebung des Königs Briefe entwendet worden waren, machte großes Aufsehen nicht nur in Berlin. Anfangs brachte man diesen Diebstahl mit der auswärtigen Politik in Verbindung, bald aber erfuhr man, daß er nur ein Ausstuß inneren Parte-getriebes gewesen. —Der nie klcnburg er Landtag verwarf mit großer Mehrheit einen Antrag auf Anschluß Meklenburgs an den Zollverein. — Die große Industrieausstellung in Paris wurde geschloffen; kur; vorher hielt der Prinz Napoleon eine feierliche Rede an die Aussteller, worin er das heutige Frank reich die „organistrte Demokratie" nannte, eine Bezeichnung, die im Auslände viel bespöttelt wurde. — Vor Sebastopol flogen drei große französische Munitionsmagazine mit 69,090 Pfund Pulver, 600,000 gefüllten Kartuschen, vielen Granaten u. s. w. in die Luft und tkdteten. und verwundeten viele Menschen. Auf einem neuen Seezuge im Asow'schen Meere zerstörten die Engländer ungeheure Getr-idevorräthe, die eine Strecke von zwei Meilen bedeckten und für die russische Armee in der Krim bestimmt waren. Der Kaiser von Rußland besuchte von Nikolajew aus Odessa und die Krim; jedoch blieb er im russischen Lager bei Sebastopol nur wenige Stunden und hatte längst die Krim wieder verlassen, bevor die Alliirten seine Anwesenheit er fuhren. Nachdem Omer Pascha die Grlaubniß er- nssrkt hatte, seine Truppen aus der Krim nach Asien überzuführen, marschirte er nicht direkt zum Entsatz von Kars vor, sondern suchte diesen Zweck durch einen Seitenmarsch zu erreichen, der die Rus sen von ihrer Verbindungslinie abschneiden und sie so nöthigen sollte, die Belagerung aufzugeben. Noch am 5. erfocht Omer Pascha einen glänzenden Sieg über ein russische? Heer, das ihm den Uebergang über den Fluß Inqur wehren wollte, allein der weit vorgerückte Winter und die mangelhafte Aus rüstung des türkischen HeereS hielt Assen Weiter marsch auf, und w mußte sich endlich die mit un erhörter Tapferkeit und Ausdauer vertheidigte Festung Kars den Russen eraeben, nachdem ein großer Theil der Besatzung bereits Hungers ge storben war. General Kmetv und andere ehemalige ungarische Offiziere, die Rußland an Oesterreich auszuliefcrn gedroht batte, entkamen glücklich nach Erzerum, die übrige Besatzung ward gefangen. — In der Wallachei verhafteten die Oisterreicher einen dorthin geschickten früher ungarischen, jetzt engli schen Oberst Türr und führten ihn nach Oesterreich ab, setzten ihn aber später ans das Verlangen der englischen Regierung wieder in Freiheit. Der früh eingetretene Winter, der in Dresden bereits bis zum 6. eine Kälte von 15 Grad brachte, vermehrte beträchtlich die durch die Theuerung der Lebensmittel hervorgcrufene Noth der ärmeren Klassen, der durch gern und reichlich gegebene freiwillige Gaben Wohlhabender doch nicht vollständig gesteuert werden koun'e. —In Kassel wurde d-r IustizbeamteTassiuS. Gründer und Vor steher des Trenbundes und äußerlich sehr frommer Mann verhaftet und wegen Unterschlagung und Erpressung zur Untersuchung gezogen. — Die ba- noverschc Regierung hob die Schwurgerichte für politische und Prcßverqeben auf. — In Pommern sehnte man sich nach Prügeln und richtete Peti tionen wegen ihrer Wiedereinführung an den preu ßischen Landtag; der preußische Iustizminister aber sprach sich entschieden dagegen aus, und so entbehrt man in Preußen noch die es Heilmittels, das man in manchen anderen Ländern für unentbehrlich hält. — Die österreichische Armee ward mit Ausnahme des i» den Donaufürstenthümern stehenden Korps aus den Friedenstuß gesetzt. — Die franz ö fische Garde, die sich in der Krim ibrc ersten Lorbeern geholt, kehrte wieder nach Paris zurück. Es ward überhaupt eine allmäliche Ablösung der bisher in der Krim gestandenen französischen Armee durch an dere Divisionen angeordnet und auch theilweise aus- gefübrt, was indeß den großen Nacbthcil hatte, daß bei Eintritt der schlimmen Jahreszeit eine Menge junger, der Strapazen ungewohnter Truppen bei Sebastopol standen, die in Masse erkrankten und