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gier oder in der Krim berühmt gemacht hatten; es kam oft zwischen beiden Theilen zu blutigen Streit igkeiten. — Wie das auch anderwärts geschieht, suchte die fromme und vornehme Welt in Eng land die Sonntagsfcier immer mehr zu verschärfen, so daß die arbeitenden Klassen an dem einzigen Tage, den sie frei haben, nicht einmal einen Ver- gnügungsort besuchen können, während die Klubs der vornehmen Herren Gesetzgeber Sonntags wie Wochentags geöffnet und besucht bleiben. Das Volk fühlte sich über solche Heuchelei empört und strömte einige Sonntage hintereinander in großen Massen in den Hydepark und rief den dort spazieren fah renden und reitenden vornehmen Herrschaften höh nend zu: „geht in die Kirche!" bis die Polizei mit bis dahin in England unbekannter Brutalität sich auf die Volksmenge warf oder auch zu Pferde mitten in die dicksten Haufen hineinsprengtc und niederwarr oder verhaftete, wer nicht schnell genug zu entspringen vermochte. Die Sache machte so wi derliches Aufsehen, daß sie im Parlamente zur Sprache kam und die Regierung eine Untersuchung gegen die Polizei versprach, die auch, wie das in England gewöhnlich, mit Zuziehung von Parla mentsmitgliedern begonnen wurde, aber auf die lange Bank geschoben, schließlich kein rechtes Ergebniß lieferte. Der berühmte englische Nordpolfahrer, Ad miral Sir Edward Parrp, starb am 8. im Bade Ems. Die nicht gerade glänzende Kriegführung in der Krim hatte die Mißstimmung gegen den eng lischen Oberbefehlshaber Lord Raglan so gesteigert, daß dieser endlich doch für gut fand, seine Ent lassung zu nehmen; wenige Tage darauf, am 28., starb er an der Cholera. Obwohl er wenigstens in diesem Feldzüge sich keine übermäßigen Verdienste um sein Vaterland erworben, so bewilligten doch Regierung und Parlament seiner vornehmen und einflußreichen Familie ungewöhnlich hohe Pensionen. Sein Nachfolger in der Krim ward General Simp son, der zwar nicht von vornehmer Familie, aber auch nicht fähiger oder glücklicher war wie sein Vor gänger. Mittlerweile wurde die Belagerung von Scbastopol mit mehr Eifer als früher fortgesetzt. Eine französische Kanonenkugel verwundete am 8. den russischen Admiral Nachimoff schwer, so daß dieser sehr thätige und namentlich beim „gemeinen" Mann beliebte Seeoffizier am 13. starb. Die Be lagerten suchten durch starke Ausfälle die Belager ungsarbeiten zu stören, wurden aber jedesmal kräf tig zurückgcworfcn. In derselben Zeit durchfuhr eine Flottllc leichter englischer und französischer Kriegs- dampfcr das asowsche Meer, beschoß mehre daran gelegene Städte und vernichtete große Massen dort aufgchäufter, für die Russen in der Krim bestimmter Lebensmittel, doch strandete Labei eine englische Dampf fregatte und ward von den Russen in Brand ge steckt, während die Besatzung von anderen englischen Schiffen ausgenommen wurde. Auf dem astatischen Kriegsschauplätze schloß der General Murawieff mit 42,000 Ruffen die wichtige Festung Kars ein, die schlecht mit Lebensmitteln versehen, aber von dem früher» ungarischen General Kmety und dem eng lischen Williams tapfer vertheidigt wurde. Omer Pascha, der mit seinen Türken unthälig in der Krim gehalten wurde, ging selbst nach Konstantinopel, um durchrusetzen, daß er mit seiner Armee nach Asien übergeschiffc werde. Die englisch-französische Flotte in der Ostsee mußte sich, da die russische sich nicht aus den stark befestigten Häfen heranswagtc, be gnügen, offene kleine Häfen anzugrcifen und die dort Vorgefundenen Vorräthe zu verbrennen. So schoß sie am 5. die Stadt Lovisa am finnischen Meerbusen in Brand.— Wie weiland das deutsche Parlament in Frankfurt, so beritthcn in Madrid die Kortes äußerst umständlich die den Spaniern zu gebende Verfassung, und während dem machte sich die Unzufriedenheit in den Provinzen hier und da Luft, am Stärksten in Barccllona, wo es zu blutigem Zusammenstoß mit den Truppen kam, die die Oberhand behielten. Die Miliz von Barccllona ward aufgelöst. — In Nordamerika weigerte man sich, den Sundzoll an Dänemark ferner zu bezahlen, und kündigte den Lesfallsigcn Vertrag. Das Temperanzgesetz, in Folge dessen keine geistigen Getränke verkauft werden sollen, war auch im Staate Newycrk ciugeführt, allein bei der Abnei gung der Bevölkerung gegen dies Gesetz ward es schwer, ihm Geltung zu verschaffen, und als auch ein Gerichtshof die Gültigkeit dieses Gesetzes bestrittrn hatte, verschwand es von selbst. August. Das neue hanover'schc Mini sterium begann seine Thätigkcit mit der am 1. er folgten Auslösung der Kammern; eine königliche Proklamation verhieß dem Volke weitere Maßre geln. — Der sächsische Ständclaudtag wurde am 7. durch den König geschlossen. Seine Haupt- thätigkcit hatte nächst der Bewilligung des Budgets die Bcrathung und Annahme der Gesetze über eine neue Justizorganisation und Strafprozeßordnung in Anspruch genommen. Die Ritterschaft, die da durch die Patrimonialgerichtsbarkeit verlor, kämpfte mit großer Ausdauer dagegen an; zuletzt gab sie sich der Hoffnung hin, der König werde die Ge setze nicht bestätigen. Doch täuschte sie diese Hoff nung; die Publikation erfolgte bald nach dem Schluffe des Landtags. In den letzten Tagen deS