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Der Andacht Les alten Mannes war nur zu gegründet. Heinze begab sich keineswegs zu dem neuen Ansiedler hinüber, sondern schlug den Weg den Fluß hinunter ein, wo er nach dreistündigem Ritte bei einem Nachbar anlangte, der zwei sehr hübsche Töchter und sonst auch recht anständiges Eigenthum sein nannte. Wenn er aber auch noch nicht recht fest entschlossen war, um welches der beiden Mädchen er anhalten sollte, überließ er dies gänzlich dem Zufall, stieg vom Pferde, Las ruhig zu grasen anfing, und trat in's Haus. Cs war noch früh am Tage und er fand beide Mädchen emsig mit ihrer Hausarbeit be schäftigt; die älteste butterte und die jüngste spann, während die Mutter am Webstuhlc saß und das Schiffchen fleißig hin- und herfliegen ließ. Heinze, der freundlichen Einladung folgend, rückte' sich ei nen Stuhl zum Kamine und fing an, seinen Hut zwischen den Knieen hernmzudrchen. „Haben Sie schon Ihr Korn dies Jahr ge- säet, Mr. Heinze?" fragte die Matrone. „Will gerade anfaugen, Mä'm! sagte Heinze. „Trockenes Frühjahr Heuer!" „Sehr!" „Wie geht's Ihrem Vater?" „O, ich danke sehr, so leidlich!" „Glauben Sie nicht, daß es heute regnen wird ?" „Nein!" Hier stockte die Unterhaltung wieder, und Heinze wirbelte seine.' Filz auf eine wahrhaft unmenschliche Weise zwischen den Fingern herum. Die älteste Tochter versuchte zwar noch einigcmale ein Gespräch anzuknüpfen, es blieb aber vergeblich; Heinze beant wortete Alles so bündig wie möglich und verfiel dann wieder in sein voriges Nachsinncn. Endlich nahte sich die Mittagsstunde, der Tisch wurde ge deckt, das Essen aufgetragen und der Besuch stand jetzt auf, strich seinen Hut glatt und that, als wolle er gehen. „Wollen Sie nicht mit uns essen, Mr. Heinze?" „Habe nichts dagegen," erwiedcrtc dieser, ruhig «mkehrend, setzte Len Hut unter seinen Stuhl und vertiefte sich gar bald in gebratenen Speck und eine Schüssel mit Kartoffeln. DaS Essen war wcggcräumt, die Frauen hat ten ihre Beschäftigungen wieder ausgenommen, ja der Abend brach schon herein: der vermeintliche Freier blieb aber immer noch auf seinem Stuhle stocksteif sitzen und sah bald die jüngste, bald die älteste der Töchter forschend von der Seite an, daß die Mädchen, die lange die Absicht seines Besuches gemerkt hatten, daS Lachen kaum unterdrücken konn ten. Da kam endlich der Vater aus dem Walde zurück und trieb ein paar Kühe heim, trat dann in die Stube, begrüßte den Gast und setzte sich dann neben diesem nieder. Heinze thaute jetzt ein wenig auf und wurde gesprächiger, rückte aber noch immer nicht mit der Sprache heraus, und ließ sich erst wieder znm Abcndbrod einladen, ehe er zugab, daß sein Pferd abgcsattelt und gefüttert würde, La er fortwährend behauptete, er müsse augenblicklich nach Hause reiten. Die cintreteude Dunkelheit und ein aufziehendcs Gewitter machten übrigens jedes fer nere Röthigen überflüssig ; ohne weitere Einladung holte er jetzt selbst den Sattel in's Haus und band das Pferd an einem Tröge fest. Sobald das Wetter vorüber war, suchten Alle ihr Lager, und auch der Frciersmann fand sich bald darauf zwischen zwei wollenen Decken aus gestreckt. Am andern Morgen, ehe cs noch hell war, erhoben sich die beiden Mädchen, kochten den Kaffee, melkten die Kühe und trugen das Frühstück, Speck und Maisbrod, auf. Jetzt wurde aber auch Heinze unruhig, und die Frage um eine der Töchter lag ihm auf der Zunge oder steckte ihm vielmehr in der Kehle. Das merkte der Alte, dem die Mutter schon ihre Vermuthungcn mitgcthcilt hatte. Dem armen Teufel eine Verlegenheit zu ersparen, nahm er ihn bei einen Knopf, führte ihn vor die Thür und erzählte ihm hier, daß —seine beiden Töchter schon Bräute wären und am nächsten Sonntage zu gleicher Zeit getraut werden sollten. Heinze sagte blos das Wort „sonderbar!" drückte sich dann den Hut fester in die Stirn, schüt telte dem Alten die Hand, bat ihn, seinen Sattel aus dem Hause zu holen, und war zehn Minuten später auf dem Heimwege. Er hatte aber, und noch dazu in der Bestell zeit, einen ganzen Tag versäumt, durfte also auf keinen Fall ohne seinen Zweck erreicht zu haben, nach Hause kommen. Als er daher an einer andern kleinen Hütte vorbeiritt, in der ebenfalls ein junges, obwohl sehr armes Mädchen wohnte, stieg er ab, trat hinein und beendete in anderthalb Stunden, da hier nicht eine schwere Wahl unter zweien war, das Geschäft, indem er schnell von Eltern und Mädchen, die ihn alle als einen fleißigen Burschen kannten, die Zustimmung erhielt. Vier Stunden später ging er schon wieder in Hemdärmeln auf seinem eigenen Lande hinter dem Pfluge her und zog Furchen für die Maissaat, und acht Tage dar auf ritt er mit seiner Braut zum Friedensrichter und verließ diesen nur wieder als ein verheirathcier Mann. (Gerstäcker's Mississippi-Bilder.)