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wohnerzahl so ganz und gar nicht bedeutend — nur eben eine Mittelstadt war. Da- ist freilich seitdem gewaltig ander- gewor den, und Friedrich List'-, de- bei Lebzeiten nicht nach Verdienst gewürdigten Gründer« der Leipzig- DreSdner-Eisenbahn — der ersten größern in Deutschland, an deren Möglichkeit damals viele recht gescheidte Leute nicht glauben mochten — Prophe zeiung: „Fünfundzwanzig Jahre nach Erbauung der Leipzig-Dresdner Eisenbahn hat Leipzig 100,000 Ein wohner!" wird mehr a!S in Erfüllung gehen. Denn obwohl seit der Vollendung dieser Eisenbahn erst 18 Jahre verstrichen sind, ist die Einwohnerzahl Leip zigs doch bereits von 30,000 bis auf 80,000 ge wachsen, und sie weichst noch immer in stet« steigender Progression. Natürlich langte der alte beschränkte Umfang der Stadl'schon längst nicht wehr zu für die vermehrt« Einwohnerzahl, und nach allen Seilen hin sind neue Straßen und ganze Stadttheile ent standen, wo vorher Gärten und Felder waren. Nur nach der Westseite hin, hinter den bekannten ehe maligen, längst in Straßen verwandelten Reichel'- schen, Rudolf'schen und Lehmann'schen Gärten blieb da« WachSlkum der Stadt gehemmt durch ein ver wickeltes System von Flüssen, Kanälen, Gräben und sumpfigen Wiesen. Erst in den letzten Jahren hat ein in jeder Hinsicht tüchtiger und unternehmender Mann, vr. Karl Heine, da« Land aufgefüllt und Straße auf Straße auf einem bi« dahin unbebau- daren Boden entstehen lassen. Um die ungeheure Masse Material zu gewinne», die zum Ausfällen deS sumpfigen Landes nvthwendig war, ließ er einen Ka nal von der Elster in der Richtung nach der Saale zu ausgraden und das solcher Art erlangte Erdreich auf der von ihm bi« Plagwitz schiffbar gemachten Elster mittels Dampf und Schleppschiffen nach dem neu anzulegenden Stadttheil lransportiren, der bald stattlich in die Höhe stieg. Der Kanal, dessen An- lazekosten sich durch das gewonnene Material decken, wird, wenn cc zu Ende geführt sein wird, bei der preußischen Saline Dürren berg in die Saale münden und dann einen leichten und wohlfeilen Trans- Port de« Salze- nach Leipzig ermöglichen. An einer Stelle des Kanal«, wo vorzügliche Ziegelerde gefun den wurde, Hai Du. Heine Ziegelbrennereien ange legt, di« ihm da« Baumaterial zu den in dem neuen Stadttheile zu bauenden Häusern liefern. Welche bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden sind, kann man unter Anberm auch daraus erseben, daß Ab- zugskanäle unter dem Belte de« Elstcrflusses hindurch- geführt werden mußten. Nur ein Mann von der Thatkraft und Au-bau,r und mit so großen geistigen und materiellen Hilfsmittel« ausgerüstet wie vr. H ei n « ist im Stande, so großartige Pläne zu entwerfen und durchzuführen. Schon sind in dem neuen Stadttheile eine An zahl der schönsten Straßen entstanden: zuvörderst die schöne Weststraße, die link- von der katholischen Kirche beginnt und, leider mit einer leichten Biegung, die Richtung nach Nordwesten nimmt, eine Straße der Paläste! Dann die Rudolfstraße rechts von der katholischen Kirche, in Verbindung mit der sehr freundlichen Erdman nstraße durch die Moritz- und die Zimmerstraßc. Parallel mit der West straße läuft die Wiesenstraße nach der Elster, so wie die Elsterstraße, von der aus eine Brücke über di« Elster nach der neuen herrlichen Wald straße führen wird, deren Endziel da- Rosen thal und Gohlis mit dem Schillerhause ist. Diese Straßen sind unter sich und mit der Promenade (von wo aus unsere Abbildung ausgenommen ist) verbun den durch die Dorotheen-, Aentralhallen-, Kolonaden-, Alexander- und Promenaden straße. Nicht der ganze eben aufgeführtc Straßenkom plex verdankt sein Entstehen dem vr. Heine. Schon vor länger als 25 Jahren ist mit der Anlage einzelner, der Promenade zunächst gelegener Straßen der Anfang gemacht worden. Aber der plötzliche, großartige Umfang, den dieser neue Sradttheil seit einigen Jahren nimmt, und die Schönheit seiner Anlage ist vr. Heine'S Werk. An der Stelle, die noch vor nicht langer Zeit wegen der durch Sümpfe und stehende Gewässer er zeugten Fieber berüchtigt und geflohen war, sind jetzt die gesundesten, schönsten Straßen mit den pracht vollsten Häusern und PaUästen, und es wohnen dort die vornehmsten und reichsten Leute, die gewiß nicht sich in ungesunden Gegenden niederlassen.. Sie woh nen dort getreu dem Herkommen, das in den mehrsten großen Städten die Vornehmheit und den Reichthum injiinktartig zur Ansiedlung im Westen treibt. Immer wieder schließen sich an die bereit- fertigen Straßen neue an, so wie allmälich, d. h. überraschend schnell Sumpf nach Sumpf und Wiese nach Wiese zu trockener, gesunder Höh« ausgefüllt sind. AuS dec Wiesenstraße beginnt eine neue Straße, die Nonnenstraße — nach dem Walde „die Nonne" so genannt — sich über di« Wiese nach Plagwitz zu vorzustrecken. Plagwitz ist das reizendste Dorf in der Um gegend Leipzigs. Es liegt geographisch ihm näher als Lindenau, obgleich man jetzt über Lindenau nach Plagwitz geht. Wenn die Nonnenstraße gangbar Neuer Kalender G.