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Die neue Ventilation mit «armer Lust erwies sich als zweckmäßig; aber sie wurde zugleich die Ur sache des schrecklichen Ereignisses, daS am Don nerstag, den 28. Mai 1857 Mittags eintrat. Der hölzerne Einbau des Schachtes war durch Hitze, Rauch und Ruß schon früher von der Tunnel schmiede gleichsam dazu vorbereitet. Unglücklicher Weise wurde nämlich das schon erwähnte Se>l, an welchem man früher Gewölbsteine durch den Schacht heruntergelassen hatte, bei Aufstellung des Ofens nicht weggenvmmen. ES hing am verhängnißvvilen Mittage über dem Kamine und zwar fo, daß das untere Ende desselben auf dem Rande des Schorn steins und der Haken an demselben auf dem, den Sckachk vom Tunnel abschließenden Lehmboden unter- halb der Münduna deS KaminS auflag. Dieses stark grthecrle Seil entzündete sich, die Flamme fuhr dar- an in die Höhe bis zum Holzwerke und theiltc sich demselben mit. Daß dies die wirkliche Entstehungs art des Feuers gewesen, glaubt die angeordnete Un tersuchung aus dem Umstande schließen zu müssen, daß die Schmiede nebst ihrem Schornsteine vom Feuer nicht berührt aufgefunden wurde, und auch das unterste Glück Seil mit dem eisernen Haken sich unverbrannt vorfand, woraus hervorgeht, daß das Seil gerade an dem Punkte, wo es auf der Mündung des Kaminschornsteins auflag, vom Feuer ergriffen wurde. Furchtbar wüthere das entfesselte Element den beinahe 600 Fuß hohen Schacht hinauf, sprühete nicht blos wildlebende Gluthen, Flammen und Rauch gen Himmel, sondern warf gleich einem feurigen Krater brennende Breler und Balken, Steine und Erde bis weit über die Oberfläche des Hauensteins empor. Gefahrdrohende Funken flogen über die Dächer des Bergdorfes Hauenstein, wo sich maßlose Angst und Schrecken verbreitete. Der Brand des hölzernen Einbaues hatte den Einsturz des ganzen Schachte« zur Folge. Unten in der Tiefe des Berges, im Tunnel, hatte kurze Zeit zuvor die Ablösung der Arbeiter, welche alle drei Stunden zu geschehen pflegte, statt gefunden. In der kleinen Tunnelschmiede arbeiteten beim Ausbruche des Feuers der Schmiedemeistec mit drei Grsellerr und einem Lehrjungen. Sie konnten die Entstehung des Brandes wegen des den Schacht vom Tunnel trennenden luftdichten Lehmbodens nicht sehen; um so entsetzlicher war es, als das tosende Knistern und das Gepolter des nach und nach her- unlerstürzenden Gebälkes keinen Zweifel mehr ließ über die fürchterliche Gefahr, in welcher Alle schwebten. Der Schmiedemeister besaß noch die Geistesgegenwart, seinen Lehrburschen den wt-ter in der Tiefe de« Tun nels beschäftigten Arbeitern zuzuschicken mit der Auf forderung schnell hrrvoczukommen, „der Tunnel falle ein!" — Noch war es Zeit. Viele folgten dem Rufe deS Knaben und waren gerettet; Ander«, sei es, daß sie zu weit hinten den Warneruf nicht ver standen, oder daß sie dem Rufe de« Knaben: „Der Tunnel fällt zusammen!" nicht glaubten, indem ja derselbe gewölbt sei und sie im unglücklichsten Falle durch den Schacht hinauf sich retten könnten, — blieben bei ihrer Arbeit und verhöhnten die Fliehenden als feige Burschen. — Kaum waren Jene aus dem innern Tunnel hervor die Brandstelle unter dem Schachte passtrt und die freie Passage gegen die Süd öffnung des Tunnels gewonnen, so stürzte daS feurige Gebälk aus dem Schachte, den obenerwähnten Lehm boden durchschlagend und mir sich reißend, in den Tunnel hinunter", Schutt und Steine ihm nach, und der Rückweg war den in der Tiefe des Tunnel- Zu- rückgebiiebenen vollständig versprrrt. Es waren ihrer zweiundfunfzig! — Der wiederholte Ruf der Sturmglocken in den benachbarten Ortschaften und die himmelhoch aus dem verschütteten Schachte emporwiibelnde Rauchsäule brachte» im Laufe des Nachmittag« eine außerordent liche Menschenmenge auf den Platz. Bauführer und Aufseher, das technische Personal der Zentralbahn gesellschaft, die Aerzte aus Olten, an ihrer Epche der „Tunnel-Doktor," d. h. der den Tunnel-Arbei tern seit dem Beginne des Baues eigens bestellte Arzt, vr. Munzinger, denen dann später ihre Kollegen aus dem benachbarten Aarau mit großer Bereitwilligkeit zur Seite standen, und die Bezirks beamten von Olten waren zur Stelle. Heerweisk strömten Männer au< den umliegenden Ortschaften herzu: die Arbeiter aus der Majchinenbauwerkstälte zu Olten, die Tunnelarbciter von Aarau, alle verfügbaren Arbeiter der Zentcalbakn, durch den Telegraphen gerufen und zum Theil durck Ertrazüge auf den Unglücksplatz befördert, eilten herbei. — Alle nur erdenklichen Versuche, die unterirdisch Ab gesperrten zu retten, wurden mit todesverachtender Kraftanstrengung gemacht. Man hoffte und glaubte, was man wünschte. Rettung schien möglich. Man wußte, daß jeder der Verschütteten eine Flasche Rum, mancher auch wohl ein Stück Brod besaß; g Pferd«, zum Wegschaffen des Schuttes beständig im Tunnel, waren mit ihnen eingesperrt; ihr Fleisch konnte ihnen für den Norhfall zur Nahrung dienen; Wasser, reich- lick aus den Schichten des Berges sickernd, war in Ueberfluß da, von welchem man auch noch hoffte, daß es, von dem erhöhten inneren Theile des Tun nels gegen die Brandstelle abfließend — es floß so-