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Superintendent vr. Großmann. (Mit Abbildung.) Am 29.Juni 1857 starb in Leipzig ein Ehrenmann in des Wortes vollster Bedeutung: Christian Gottlob Leberecht Großmann, Superintendent und, Pastor zu St. Thomä, vr. der Theologie, Domherr des Hochstifts Meißen, 1. Professor der Theologie und Dekan der theo logischen Fakultät an der Universität Leipzig, Beisitzer der Kreisdirektion und des Appellationsgerichts, außerordent licher Beisitzer des Landeskonsistoriums, Mitglied der Gym- nasialkommission, Vorsitzender des Zentralvorstandes des „evan gelischen Vereins der Gustav- Adolf-Stiftung", endete in Leipzig nach llwöchentlicher Krankheit im Alter von 73 Jahren 7 Monaten und 20 Lagen. Der Geburtsort Großmann's ist das Dorf Prieß nitz bei Kamburg in Thüringen, wo sein Vater Pre diger war. Den höher» Schulunterricht empfing er in der berühmten Klostcrschule (Landesschule) Pforla bei Naum burg und bezog im Jahre 1802 die Universität Jena. Im Herbste des Jahres 1806 verließ er wegen der der un glücklichen Schlacht bei Jena vorau-gehenden Kriegswirren die Universität und kehrte in das väterliche Haus nach Prieß nitz zuruck. Hier fand er Gelegenheit, zwei Lage nach der Jenaer Schlacht seinem Heimathsdorfe cinen großen Dienst zu erweisen, der den Einwohnern von Prießnitz unver geßlich bleiben wird, und den wir hier in der Hauptsache der „Gartenlaube" nachcrzählen. Am Lage nach dec Schlacht bei Jena, am 15. Oktbr. 1806, zogen mehre franz. Soldaten raubend und Geld er pressend in der Umgegend umher. Zwischen dem Dorfe Rauschwitz und einem damals neuen Gasthose in einer muldigrn Liefe der Landstraße wurden einige jener Maro deurs von aufgebrachten Lauern überfallen und erschlagen. In demselben Augenblicke kam auf der Straße ein franz. Wagentransport mit schwacher Bedeckung daher. Kaum hat ten viele Soldaten gesehen, wie es ihren Kameraden erging, so fürchteten sie ein gleich.s Schicksal, hieben deshalb in größ ter Eile vie Zugstränge der Pferde durch, ließen die Wagen im Stich und flohen, um zu melden, was geschehen. Der sranz. Marschall Davoust, Lessen furchtbare Härte noch hellte in Deutschland t» traurigem Andenken ist, beschloß, ein schreckliches Exempcl zu statuier»; ihm war gemeldet worden, die Lyäter wären Bauern aus Prießnitz gewesen. Lehr früh am 16. Oktbr. ließ Är Bataillons-Kommandant Geng ner de Revel im in. franz. Linienregim. den nach maligen Kapitain der Grenadier- (i.) Kompagnie dieses Re giments, Georg Anton Augustin Govean, zu sich rufen. Das Regiment stand in Raumburg. Der Kom mandant zeigte dem Kapit. Govean eine Ordre des Mar schalls Davoust, das Dorf Prießnitz — weil franz. Soldaten da ermordet worden — umzingeln - und besetzen, die Alten, die Weiber und die Kinder ssrtbringen, die an deren Einwohner sämmtlich cis hießen und das ganze Dorf niedcrbrcnmn zu lassen. Der Bataillons-Kommandant war in der heftigsten Aufregung über diesen grausamen Befehl, empört stieß er seinen Säbel auf den Boden und rief: „Mußte ich so alt werden, um solche Gräuel zu sehen und mir ihrer Ausführung beauftragt zu werden!" Er erklärte, lieber seinen Degen zerbrechen zu wollen, als sein Gewissen durch «ine so blutige Lbat zu beschweren und die Ehre der sranz. Waffen durch jplche Barbarei beflecken zu helfen. Es wurde dem Kapitain Govean schwer, seinen braven Kom mandanten einigermaßen zu beruhigen und durch seine Vor stellungen zu überzeugen, daß er ein sehr schlimmes Beispiel von Insubordination geben würde, wenn er sich weigerte, einem so bestimmt lautenden Befehle nachzukommen. Mit schwerem Herzen gab Guig » er endlich Befehl zum Abmarsche nach Prießnitz. Das Dorf wurde besetzt; wer von den Einwohnern entkommen oder sich verstecken konnte, entfloh oder versteckte sich. Im Nu aber waren Soldaten in den Häusern; Alle, die sie trafen, mußten stehen und liegen las sen, was sie eben in der Hand hatten, wurden ergriffen und, wie sie waren, aus dem Dorfe hinausgetrieben. Niemand wußte, wohin und warum. Großmann, der sich im Hause des Pfarrers, seines Vaters, befunden, war unter den zu- sammengetriebencn Bewohnern. Er sprach französisch, er hatte Muth, unv so trat er vor zu dem Kommandanten, um zu fragen, was sie verbrochen hätten und welches Schicksal ihnen bestimmt wäre. Als Antwort empfing er eine ge schriebene Proklamation des Marschalls Davoust, die wörtlich also lautete: „Die Einwohner des Dorfes Prieß nitz haben die Verwegenheit gehabt, einzelne auf ihrem „Gebiete durchpassircnde Franzosen zu ermorden; sie haben „einen Transport «»gehalten und geplündert. Ein schreck liches Beispiel war nothwcndig, um solchen Frevrltyaren „Einhalt zu tyun; cs ist auch gegeben worden. Die Ein wohner des erwähnten Dorfes sind alle mit Lode gestraft, „Greise, Weiber und Kinder ausgenommen, und ihre Häuser „in Brand gesteckt worden. Eine gleiche Behandlung ist „allen denjenigen Vorbehalten, welche das Beispiel dieser Re bellen nachahmen wurden; dagegen verspricht man allen „ruhigen Einwohnern Schutz und Sicherheit. Sachsens Ein wohner! Lasset den Militairpersonen die Sorge, die etwa „zwischen beiden Rationen bestehenden Zwistigkeiten zu be enden. Bleibet ruhige Zuschauer der Gefechte und nehmet „daran keinen Theil, indem Solches nach allen unter den „rivilisirten Völkern angenommenen Grundsätzen ein Ver brechen ist, welches nicht ungeahndet bleiben wird. Raum- „burg, den 16. Oktober 1806." ' Nachdem Großmann erfahren, um was es sich han dele und welche gräßliche Gefahr drohe, hielt er eine An sprache an die franz. Offiziere, in welcher er die Unschuld der Bewohner von Prießnitz mit beredten Worten dar legte und auf den Jrerhum aufmerksam machte, dem sie zum Opfer fallen sollten. Auf de» Kommandanten Guigner de Revel, der schon vorher nur durch dringendes Zureden hatte vermocht werden können, nicht in auffallender Weise gegen die ihm aufgctrazene Expedition zu protcstiren, machte jene warme Darstellung Großmanns einen um so liefern Eindruck, und er wollte sofort sein Bataillon wieder abmar- schiercn lassen, ohne den Befehl des Marschalls auszuführen. Er erklärte dies seinen Offizieren, die er zu sich berief, und die ihn nur durch cinen vermittelnden Verschlag davon ab- bringcn konnten. Sie trugen nämlich darauf an, vor der Vollstreckung des Befehls einen Offizier nach Naumburg mit der Meldung an den Marschall Davoust zu schicken, daß das Dorf Prießnitz an dem schuldgegebenen Ver brechen unschuldig zu sein scheine, daß es Dörfer mit ähn lich klingenden Namen gebe und daß es deshalb wohl rath- sam sein dürste, mit der Vollstreckung der Strafe Anstand Reißner Kalender F.