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Regierungsrechte. — Der Landtag in Holstein hatte gegen den dänischen Minister von Scheele Anklage erhoben wegen Verletzung der Rechte Hol steins. Das Ergebniß dieser Anklage war nicht unerwartet: das Oberappellationsgcricht in Kiel erklärte sich für inkompetent. Die Inkompetenz erklärungen spielen überhaupt eine große Rolle in der Geschichte Deutschlands und Holsteins insbe sondere. — Der schweizerische Kanton Neuenburg stand, obwohl ein Glied der schweizerischen Eid genossenschaft, unter der Obcrherrlichkeit des Königs von Preußen. Im Frühjahre 1848 machte die Mehrheit des Kantons dieser Doppelstellung dadurch ein Ende, daß der Kanton sich vom Könige los sagte und wie alle anderen Schweizer-Kantone sich eine republikanische Verfassung gab. Der König war damals und wohl auch später nicht in der Lage, dies zu hindern, und begnügte sich bei ver schiedenen Gelegenheiten gegen die thatsächlich be stehende Lage Neuenburgs zu protestiren. In der Nacht zum 3. Sept, nun bemächtigten sich aber die Anhänger des Königs des Neuenburger Schlosses und pflanzten daselbst die preußische Fahne auf, gleichzeitig Mannschaften in die verschiedenen Theile des Kantons, schickend, nm auch dort "die Autorität des Königs wiederherzustellen. Gleich in der fol genden Nacht jedoch, und ehe noch die vom Volke begehrte Bundeöhilfe eingetroffcn war, eroberten die Neuenburger Republikaner, die die übergroße Mehrheit bilden, das Schloß wieder, nahmen die Anführer der Royalisten gefangen und stellten so die seit 1848 bestandene republikanische Verfassung wieder her. Gegen die gefangenen Royalisten ward ein Prozeß eingelcitet. Zwar verlangte der König von Prcnßen die bedingungslose Freilassung der Gefangenen und Niederschlagung des Prozesses; die Schweiz aber erklärte, beides nur dann gewähren zu wollen, wenn der König ebenso unbedingt seinen Ansprüchen auf Neuenburg entsagte. Da dies abgeschlagen wurde, entstand ein gereizter diplo matischer Dcpeschcnwcchicl mit Drohungen von der einen und festem Widerstande von der andern Seite, wie wir im weitern Verlaufe unsres Rück blickes sehen werden. — Die vielgepriesene eng lische Regierung, d. h. die reiche englische Aristo kratie hat in Irland so glücklich regiert, daß in den letzten 10 Jahren sich die Einwohnerzahl dieser Insel durch Hungersnoth, Krankheiten und Aus wanderung um 1^ Millionen verringert hat. Kaum daß England mit Rußland Frieden geschlossen, so rüstet cs sich wieder zu einem Kriege mit Per sien, wohin von Ostindien ans ein Heer geschickt werden soll, um Genugthuung für Beleidigung des englischen Gesandten zu erzwingen. <— Am 7. wurde in Moskau der Kaiser Alexander 1h mit großem Pomp gekrönt. Von allen europäischen Großmächten waren glänzende Gesandtschaften zu dieser Feierlichkeit erschienen; so viel Pracht auch allseitig in Moskau zur Schau getragen wurde, so stellte sich aufmerksamen Beobachtern doch klar heraus, Laß auch in Rußland nicht Alles Gold ist, was glänzt. Ein Mitglied der englischen Ge sandtschaft sprach sich hierüber »ach seiner Rückkehr öffentlich bei einer englischen Wahl-Versammlung so undiplomatisch deutlich aus, daß darüber Be schwerden von der russischen Regierung einliefcn. Bei Gelegenheit seiner Krönung erließ der Kaiser von Rußland eine umfassende Amnestie für politische Vcrurthcilte. Ist auch der Frieden zwischen Eng land und Rußland wiederhcrgestcllt, ein gutes Ein vernehmen besteht zwischen beiden Reichen Loch noch nicht. Als die russischen Besatzungen an der un tern Donau und auf der vor dem Ausfluß dersel ben in's schwarze Meer gelegenen Schlangeninsel nicht rechtzeitig abzogen, ging die englische Flotte wieder in's schwarze Meer, bis auch dieser Artikel des Friedenstraktatcs müllt war. — Der Kaiser Louis Napoleon suchte durch verschwenderische Jagd feste auf dem Lustschlosse Compiegne sich den frü heren Königen von Frankreich würdig (!) an die Seite zu stellen; das französische Volk aber, so streng überwacht cs auch ist, sprach seine Entrüstung über die große Verschwendung so unverholcn aus, daß die kaiserlichen Feste bald eingestellt wurden. Der Hauptkassircr der großen französischen Nord eisenbahn, der Rothschilds ganzes Vertrauen besaß, bestahl diesen und die Eiscnbahngcscllschaft um die ungeheure Summe von 12 Mill. Frks. DcmSprich- worte zum Trotz, daß man die großen Diebe laufen läßt, wurde er verfolgt und in Nordamerika ergriffen. Die Weitläufigkeiten, die seiner Auslieferung an Frankreich vorausgingen, sind schuld, daß sein Prozeß noch nicht zu Ende ist. — Als Beweis, wie feindselig die Bevölkerung Italiens Oesterreich gegenüber steht, darf man ansehcn, daß der Auf ruf einiger Italiener, eine Subskription zu eröffnen, um für die zum Schutze gegen' Oesterreich wieder aufgcbaute sardinische Festung Alexandria 100 Ka nonen anzukanfcn, durch ganz Italien die aller lebhafteste Theilnahmc fand; selbst aus den italieni schen Provinzen Oesterreichs liefen bedeutende Bei träge zu diesem Zwecke ein. Oktober. Mit dem ersten dieses Monats trat in Sachsen die neue Gcrichtsorganisation und damit eine Strafprozessordnung in's Leben, die an die Stelle des bisherigen schriftlichen Verfahrens das öffentlich-mündliche, wenigstens in erster In stanz, setzte. So viel auch diese neue sächsische E*