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ISO Donnerstag, den 10. November. 1004 Aer sächWe Frzähker, Bezirksanzeiger für Bischofswerda, Stolpe« und Umgegend. AmtMntt der Sgl. Amishau-imamischast, da Sgl. SchulWeltim u. des Sgl. Han-tzollamtes zu Bautzeu, sowie des Sgl. Amtsgerichts und des StudtratcS M Bischofswerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich drei Mal, WtnRHtaU», DNrmenOtetUO und GnmradeudH, und tostest rüischlirßlich der Sonnabend» erscheinenden „bMe- toifttsch«, v«ertelj«hrlich Mark l.bO Ps. Nummer der ZeitungSpreiSliste «S87. S<r«fpr*chft«U, «o »». Bestellungen werden bet all« Popanstalt« de» deutsch« Reiches, für BtschosSwerda und Umgegend bei unser« Zeitungsboten, sowie in der Lxped. d. Bl. angenomm«. sre«a««»k»«k,r«t»<» Sa-rsan». welche in dirsrm Blatte dir «rttrste «rrbreituug Wen, werd« bi» Montag, Mittwoch und Freitag früh » Uhr angenomm« und kostet die virrgrspaltm» TorpuSzeil« 10 Psg-, unter „Eingesandt* 20 Ps. Geringster Jns«at«brtrag »0 Pf. — Tmzelne Nummer 10 Pf. hat sich die auf den 11. d. M. nachmittags 2 Uhr anberaumte Versteigerung von 1 Schreibsekretär, 1 Schreibtisch, 2 Kleider schränken und 1 Waschtisch Bischofswerda, am 9. November 1904. Der Gerichtsvollzieher beim König!. Amtsgericht-. Werden die Sozialdemokraten in Deutschland den großen Generalstreik aller gewerblichen Arbeiter in Szene setzen? Der sozialdemokratische Parteitag in Bremen und die offizielle Parteileitung der Sozialdemo kratie haben zwar die Zett noch nicht für gekommen erachtet, sür ganz Deutschland den Generalstreik aller gewerblichen Arbeiter in Szene zu setzen, aber es entspricht doch durchaus den radikalen Machtgelüsten der Sozialdemokratie, diese große Kraftprobe einmal zu machen. Dabei ist übrigen« in Betracht zu ziehen, baß eS taktisch sehr unklug von den Sozialdemokraten sein würde, wenn sie schon ein halbes oder ganzes Jahr vorher ver künden würden, wann der Generalstreik loSgehen soll. Ueberrascht und überrumpelt sollen offenbar die Gegner werden, deshalb wird der Generalstreik möglichst heimlich und von langer Hand vor- bereltet. Aber der Generalstreik ist ein ebenso brutales als gefährliches Mittel, und wird wohl wirtschaftlich großen Schaden verursachen, aber wie die Erfahrungen in Belgien, Italien und Amerika lehren, doch zu keinem Siege der Arbeiter führen. War eS von den italienischen Proletarier führern eine Frivolität ohne gleichen, die dortigen Arbeiter zu einem solchen Experiment zu bereden, nur um eine Art Probemobilmachung in Szene zu setzen, so wäre eS noch weit frivoler, den deut- fchen Arbeitern weis zu machen, sie könnten durch einen Generalstreik irgendwelche Vorteile erringen. Man sieht aber aus der ganzen Stellung der deutschen Sozialdemokratie in dieser Frage, daß dieser Partei die wahren Interessen der Arbeiter nur als Vorwand dienen, und daß ihre politische Machtfrage die Hauptsache ist. Um den sozial- demokratischen Führern zur Herrschaft zu verhelfen, sollen die Arbeiter sich in die Schanze schlagen. Der Generalstreik wird als das außerparlamen- torische Kampfmittel der Sozialdemokratie bezeichnet. Tatsächlich ist die Propaganda des Generalstreiks nichts als die Propaganda der Revolution. Wer das etwa sür unbegründet hält, der lese waS ParvuS darüber schreibt: „Je mehr Vie parlamrn- torischen Zahlen sich zu Gunsten des Proletariat verschieben, desto mehr wird das rein Formale des parlamentarischen Kampfes offenbar. Die Regierung schiebt ihre Militärmacht vor, und da» Proletariat sieht sich genötigt, seine parlamentarisch angrzeigte politische Macht zu betätigen. Da- geschieht durch den Generalstreik. Dir Regierung parlamentarisch bedingt, zieht sich auf da» Militär zurück — da» Proletariat sucht die politischen Grundlagen ihrer militärischen Gewalt zu erschüttern.- Weiter be merkt ParvuS, daß der Generalstreik da» einzige Mittel fei, die Soldaten von der Hypnose der Armredt-ziplin zu befreie». Es ist begreiflich, daß da» Berliner Anarchtstenorgan „Der frei« Arbeiter" seine Genugtuung darüber auSlpricht, daß der infolge anarchistifcher Initiative 'begonnene itali enische Generalstreik den deutschen Sozialdemokraten di« Augen zu öffnen ansange. Au» diesem An fänge erhofft da» anarchistische Blatt eine neu zu erweckende und zu organisierende revolutionär« Ge werkschaftsbewegung. Maa steht also auch in diesem Falle, daß die Anarchisten und die Sozialdemo kraten zu den verbündeten Armeen gehören, die zwar getrennt marschieren, aber vereint schlagen. Sachsen. Dresden, 8. November. DaS König!. Hof lager ist heute von der Villa Wachwitz nach dem Residrnzschlosie verlegt worden. Dresden, 9. November. Se. Majestät der König hat aus einen telegraphischen Huldigung-- grüß deS Landesverbandes Evangelischer Arbeitervereine im Königreich Sachsen folgen des AntwortStelrgramm zu Händen deS Landes- verbandSvorsitzrnden, deS Herrn Pastor Winter, ergehen lassen: „Ich danke dem Vorstand deS Landesverbandes Evangelischer Arbeitervereine sür die Mir im Namen von 14000 Arbeitern ge sandten Segenswünsche und sür die Bekundung treuer Anhänglichkeit und wünsche allen Be strebungen des Verbandes reichen Erfolg und bestes Gelingen. Friedrich August." Dresden, 8. November. Se. König!. Hoheit der Prinz Johann Georg ist gestern abend 9 Uhr 49 Min. von Potsdam wieder hier ein getroffen. Bisch ofSwerda, 9. November. (Stadt verordnetenwahl betr.) Das Resultat der heutigen Stadtverordnrtenwahl befindet sich auf Seite 6 dieser Nummer. Bischofswerda, 9. Novbr. Daß der Name Luthers seine Zugkraft trotz aller Berun- glimpsungrn noch nicht verloren hat, bewies der Besuch des großen parochialrn d. t. Gemeinde- FamiltenobrndS, „Lutherabend" genannt, der zur Erinnerung an Luthers Geburtstag am gestrigen Abend im Hotel König Albert abgehalten wurde. Zwar glänzten Biele, besonders unter den Männern der Gemeinde durch ihre Abwesenheit. ES ist aber in der Tat das Leben in der Gegenwart ein so vielgestalteteS, Zeit und Krast in Anspruch nehmen de« geworden, daß wir gerne glauben, daß eS Bielen unmöglich war, zu kommen, um schon durch ihr Erscheinen für die gute Sache etnzutreten. Der Charakter eines FamtlienabrndS blieb trotz dem gewahrt, Männer und Frauen, Söhne und Töchter, und zwar aus allen Ständen waren zahl reich vertreten. Das Wesen eine» parochialrn FamtlienabrndS, d. h. eines FamtlienabrndS der ganzen Kirchgemeinde, wurde freilich auch dadurch beeinträchtigt, daß die Gemetndegltrder vom Lande, fei'» beruflich, fei'» durch Weg und Steg, Wind und Wetter, zum großen Teil am Erscheinen ver hindert waren. Sir haben viel versäumt! — Nach dem von der großen Versammlung stehend gesungenen Luthrrlted: Ein feste Burg rc., da« in seiner wunderbaren Krast, bet der Inhalt und Melodie sich decken, allemal einen erhebenden Ein druck macht, bot die rühmlich bekannte Kantorei gesellschaft unter Leitung des Herrn Kantor Köhler eine der Bedeutung de» Tages entsprechende Motette, Fräulein Jrntsch rin mit wundervoller Stimme und natürlicher Anmut vorgetragenrS Lied: „Die Gnade des Herrn" von Mendelssohn, während nach der Begrüßung durch Oberpfarrer vr. Wetzel Herr Kantor Grlbke au» Goldbach mit tiefster Empfindung zwei mit feinem Verständnis gr- wählte Lieder vortrug: „Mein Himmel auf der Erhe" von Reumann und „Da» Erkennen" von Löwe. AlSdana gab Herr Superintendent Kaiser, von der Versammlung schon mit Beifall begrüßt, au» seiner uwfaffenden Kenntnis der Werk, Luthers unter de« Titel: „Ein Tag aus Luthers Leben" rin so anschauliches und anmutiges und doch so scharf und richtig grzrtchneteS Bild vou de« häuslichen «ad öffentlichen Leden deS große« Reformators, daß alle Angriffe alter, neun und neuester Gegner vor diesem Bilde wirkungslos zu Boden fielen. Durch rauschenden Beifall ver« ' suchte die Versammlung dem hochverehrten Redner > ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Mit dem 3. VrrS de- LutherlirdeS: „Und wenn die Welt voll Teufel wär rc." wurde dieser erste Teil der Feier geschlossen. Nach einer Pause von 10 Minuten begann unter Leitung des für die Sache des rv.-luth. Männer« und Jünglings- Vereins unermüdlich tätigen Herrn Pastor Hennig der 2. Teil der Feier: DaS 21. „Stiftung-fest" diese« Vereins. Nach einer abermaligen ergreifen- den Darbietung des Herrn Kantor Gelbke: „Die drei Liebchen", komponiert von Splyer, begrüßte Herr Pastor Hennig die Versammlung und zeigte die Ziele und den sichtbaren Segen der Jünglings vereine überhaupt und so auch de« hiesigen, wobei er besonder« zu noch größerer Unterstützung und tatkräftiger Förderung dieses wichtigen Zweiges der inneren Mission aufforderte, einer der als Gäste anwesenden Vertreter de» Bautznrr Vereins brachte ist kurzen markigen Worten die Glückwünsche dieses wohl ältesten und blühendsten Verein« dar. Dann trat der Männer- und JüngltngSverein selbst In seine Rechte ein und zeigte sein Wollen und Können. Der Trommler- und Pseiferchor unter Leitung de« Herrn Lehmann M. imponierte durch seine militärische Schneidigkeit beim Vortrag von zwei neuen Märschen, die Turnerabteilung in ihrer kleidsamen Tracht machte zunächst eine Reihe von Hebungen unter Leitung ihres bewährten Führers Herrn Ernst jun. und stellte dann eine große Anzahl reizender Gruppenbilder, die all gemeinen Beifall fanden. Auch ein Mitglied de« MSnnrrvrrrinS, Herr Johannes Philipp, s. Zt. Mitglied de« Leipziger JüngltngSverein», eines der ersten in Sachsen, trug ein erschütterndes Gedicht von v. tksol. Friedrich Ahlfeld in Leipzig: „Der Birnbaum" betitelt, vor, daS den Ernst der Bestrebungen deS Vereins zum Ausdruck brachte. Die Krone des Tanzen aber war das in langer mühevoller Arbeit unter Leitung des Herrn k. Hennig rtnstudirrte Festspiel: „Ein herrlich Zeugnis" von A. Strauß. ES ist hier nicht der Ort, all die Feinheiten dieses Stücke», da» in 2 Bildern oder Aufzügen die Zeit der Uebergabe der AugS- burgischen Konfession im Jahre 1V30 zur Dar stellung bringt und die vortreffliche Wiedergabe durch die Mitglieder deS JüngltngSverein» zu rühmen, nur das dürfen wir wohl sagen: Diese Darstellung, besonder» der Gelang der Engel im zweiten Aufzug, wird allen Hörern unvergeßlich sein. Mit dem letzten VrrS deS LutherltedrS: „Da» Wort sie sollen lassen stahn" wgrde die Versammlung geschlossen. — Dem Andenken Luther»! Der morgende 10. November sollte jedem Eoangrlischeu rin lieber und wertvoller LrinnerungStag sein: r» ist der Geburtstag Martin Luther»! Wer sich da» Wesen de» deutschen Protestantismus recht vergegenwärtigen will, der muß sich in Luther» persönliche» Leben und Wirken versenk«». Maa hat diesen Heros de» reltg ölen Gefühl» früher fast nur in einem konventionell dogm,tischen Bilde schauen zu müssen geglaubt; erst in neuerer Zett, vornehmlich seit dem Luthrr-Jubeljahre von 1883 hat man auch auf de» deutsche» Reformator deu Maßstab einer streng objektiven und kritischen Ge schichtsforschung angewandt, und wahrlich: Luther hat dadurch nicht» verloren, im Gegenteil! Da» wichtigste Ergebnis aller modern«, Luthersorschung ist wohl die», daß der kühn, Wittenberger Mönch keineswegs nur «io Rrsormatvr der Kirche gewesen