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Eulenspiegel und der Barbier. Durch Meldorf, den Hauptort Süderdithmar- schens kam einst Till Culcnspiegcl, sich für einen reisenden Handelsmann ausgebend. Bald nach seiner Ankunft im Gasthause ließ der Reisende einen Barbier kommen, um sich den Bart abuehmeu zu lassen. Dieser war, wie alle Barbiere, sehr gesprächig, und so sprachen die Bei den während des Bartschcerens über Dies und Jenes. Zuletzt fragte Eulcnspiegel den Barbier, was er mit den Bartstoppeln mache, die er seinen Kunden abnehmc? Der Barbier lachte und sagte, daß er diese natürlich wegwcrfe. „Wegwerfend" sagle Eulen spiegel verwundert; „die kostbaren Barlhaarc weg werfen? Wissen Sie denn nicht, daß davon das Loch mit 10 Thalcrn bezahlt wird, und daß gerade die Bartstoppeln einen großartigen Handelsartikel bilden?" Jetzt kam die Reihe des Verwunderns an den Barbier—er war in der That so verwun dert, daß er seinen Kunden beinahe geschnitten hätte, so heftig zitterte ihm die Hand mit dem Messer. Mit frcudeglänzenden Augen fragte er Eulenspie- gel, ob er ihm einen Bartstoppelkausmann nennen könnte? „Ich selbst mache in dem Artikel", antwortete Eulenspiegcl ganz in kaufmännischer Art und Weise, „und bin bereit, Ihnen beliebige Quantitäten zu dem Preise von 10 Thalcrn für das Loth abzu nehmen." Der Barbier war außer sich vor Freude, denn von Natur sehr habsüchtig, konnte er den Gedanken einer neuen so ergiebigen Erwerbsquelle kaum ertragen. Mit dem Versprechen, über ein Jahr wieder aus seiner Handelsreise Meldorf zu berühren, ver abschiedete Eulenspicgel den Bartkünstlcr und reiste am folgenden Tage weiter. In dem Jahre nun, das als Frist geletzt war, arbeitete der Barbier mit eiserner Beharrlichkeit an dem großen Werke des Baristoppclsammtlns. Nicht mehr wurde wie früher der mit den abgeschabten Bartstoppeln vermischte Seifenschaum nachlässig aus die Straße und den Vorübergehenden auf die Kleider geschüttet, sondern sorgfältig wurde er gesammelt, ausgewaschen und die Härchen getrocknet, in Säcken aufbewahrt und in der Vorraihskammer sorgfältig verschlossen. Die Massen mehrten sich sichtlich, denn die Söhne Dithmarschens haben viele Haare auf den Zähnen; Sack auf Sack häufle sich. Endlich war das Jahr verflossen; der Hand- lungsreisendc kam an. Der Barbier, der schon, seit Wochen in jedem Wagengerasscl das Rollen der ersehnten Rcisekalcsche zu hören geglaubt hatte, eilte dem Wagen nach in den Gasthof; drei Ge sellen und der Lehrbursche, alle mit bartstoppelge- füllten Säcken beladen, folgten. Die ruhigen Bür ger Meldorfs, die wißbegierigen Frauen und die liebe Jugend schlossen sich dem Zuge an und dräng ten sich mit in die Gaststube, allwo der fremde Handelsmann freundlich den Barbier begrüßte und eine Wage hcrvorholte, die gefüllten Säcke zu wie gen. Wi^ glänzten bei Angabe des Gewichtes eines jeden Sackes des Barbiers Augen! Es war ein ge machter Mann, das war klar. Auch dem Hand- lunzsreiseuden machte es sichtbarlich Freude, daß sich hier ein so gutes Geschäft bot, — bei jedem neuen Säckchen lächelte er ganz eigcnthümlich. „Nun wollen wir die Säcke auslecrcu und umpa- ckcn. Nachher wiegen wir die leeren Säcke und ziehen deren Gewicht von dem Ganzen ab. Da wissen wir dann genau, wie viel Loth zu 10 Tha- lern ich zu bezahlen habe," sagte Eulenspicgel und band einen Sack auf, die Waare prüfend. Da aber trat er mit ärgerlichem Gesicht einen Schritt zurück: „die Waare ist ja nicht sortirt!" Der Bart künstler wurde todtenblcich, schüttelte mit dem Kopfe und hauchte kaum vernehmlich: „Sor—ti rt?" — „Ja, mein lieber Freund", sprach Eulenspiegel, „Sie müssen die blonden, braunen, schwarzen, grauen und rothen soriiren — so kann ich sie nicht brauchen." Der Barbier bebte an allen Glie dern; — und er hat später behauptet, wenn er in jenem Augenblicke gerade sein Rastrmeffcr in der Hand gehabt hätte, so hätte er nicht gewußt, was er damit gethan haben würde; auch Barbiere ken nen Leidenschaften. — Also der Barbier bebte an allen Gliedern vor Wuth, und die neugierige Menge lachte, daß die Decke bebte; nur Eulenspicgel be- hiclt die Miene des innigsten Bedauerns bei und versicherte den unglücklichen Haarspeculanten, übers Jahr wiederkommen zu 'vollen, wo er dann bereit sei, die Haarstoppclmassen, wenn sic sortirt mären, zu demselben Preise abzuuchmcn. Ob aber der Kunstgärlncr im Meldorfer Barturwalde auch die sem Geschäfte sich unterzogen hat, wissen wir nicht, — das aber wissen wir, daß Eulenspicgel sich nie wieder in Meldorf hat blicken lassen.