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Wacht zu bleiben. Dann ging Anton mit dem Obersteiger unter sein gastlich Dach. Wie schlug ihm das Herz, als er sich der Thür nahete, die das heißgeliebte Mädchen einschloß! Und als sic aufging, und als das minnigliche Wesen selbst mit brennender Kerze ihm entgegen trat, wie loderte da die Liebesflamme in ihm so licht und freudcnhoch aus! „Biet willkommen dem Sieger!" rief der Obersteiger der Ueberraschten zu; — „während wir in Sorge» des Feindes harrten, ist er mit seinen Kameraden ihnen entgegen gezogen, hat den grimmen Cieco mit einem Schüsse erlegt ynd seine Bande in die Flucht Getrieben. Da trägt er den Sarras des Gefallenen an seiner Seite, und im Thore sitzen 8 Gefangene. Der versteht cs, wie ein Volk sich Quälgeister vom Leibe hal ten muß; wahrhaftig, wären in jeder Stadt unseres Vaterlandes nur 200 Mänuer wie dieser da, so müßten der Kaiser und die Jesuiten das Tyrarmi- sircn und Bekehren bleiben lassen." Marie gelei tete die beiden MLiwer zuvörderst in das Zimmer, dann aber empfing sie den Gast mit einem Will kommen, der ihn in den Himmel versetzte. Sie reichte ihm die Hand und erwicderte seinen Druck so wqrm, daß ihm das Herzblut davon hoch auf- wallete. Ja, sie nahm seine nervige Rechie gar zwischen ihre beiden zarten Händchen und sprach dabei: „Gott segne Euch ferner, wackerer Held! und erwecke der gequälten Menschheit viel solche Herzen, wie das Eure ist." Nun kam auch die Hausfrau, de» Gast zu empfangen. „Aber wo ist denn unser Hasenfuß, der War dein ?" fragte der Obersteiger. „Hast Du nun weg, daß er ein Hasenfuß ist?" --- sagte Marie. — „Mer weiß, wo er sich verkrochen. Hoffentlich erspart er uns dicNothwen- digkcit, ihu zu bedeuten, daß er und wir nicht zu sammen passen ; in ihm fließt kein ehrliches deut sches Bcrgmanusblut — fürwahr, wenn alle Berg leute solche Zitterpappeln wären wie dieser War dein, so wäre nie ein Luther aus unserm Staude hcrvorgcgaugeu." — Konnte Anton etwas Erwünschteres hören? Er war nun ein ganz anderer Gast als am Nach mittage, und eine köstliche Stunde verfloß ihm in dem gcmüthlichen, Kreise. Es wurde ihm schwer, sich davon losznrcißcn, allein er gedachte der Kampfgenossen und eilte auf die Wacht. Die Nacht verging indcß ohne Störung. Von Len Musketieren ließ sich keiner mehr sehen, Niemand wußte, wohin sie gekommen waren. Vier Tage nach dem Scheibenschießen kam die Nachricht nach Joa- chimsthal, die Armee der Ligue unter Tilly sei von den Evangelischen unter Held Gustav Adolph bei Breitenfeld bis zur Vernichtung aufls Haupt geschla gen worden. Da verschwanden aus der Stadt auch die kaiserlichen Kommissäre mit den Jesuiterz und den letzten Reste» von Furcht vor der Rach« der Musketiere. Bald vernahm msn die freudige Kunde, die Sachsen seien unter Arnim in Böhmen eingerückr und hätten dessen Hauptstadt besetzt, bald die noch freudigere, daß Kurfürst Johann Georg seinen Truppen auf dem Fuße gefolgt, in Prag eingezogcn sei und die so lange unterdrückt gewe sene Gewissensfreiheit wiederhcrgcstcllt habe. Da war großer Jubel weit und breit im schönen Böh- mcrlan.de, nirgends größere als auf Len Höhen und in den Thälcrn des Erzgebirges, zumal in Joachimsthal. Unter Glockengeläut? und Freuden salven zogen die Evangelischen, die Bergleute in Para de vorau, wieder in ihre schöne Stadtkirche ein und fcierccn statt der unterbrochenen Andacht auf dem Huthausc nun ein dreitägiges Lobe- und Dauk- fest. Auch die Wicsenthalcr Schützen beginge« es mit, ehe sic wieder in ihre Heimath zogen. Welch cinHciinzng war das für den Steiger Anton Seltmann! Wie freudig schwenkte cr de« mit Tavnenzwci'gen geschmückten Hut! wie selig schloß er Las ihm entgegen eilende Mütterlein in seine Arme! „Weil ich Dich nur wiederhab'!" — schluchzctc sie; aber der Oheim sagte: „Nun Neffe, wo hast Du denn Leu große» Preis?" — „Ihr denkt wohl, ich habe keinen?" crwiedertc Anton „Mutter, ich habe den herrlichsten Preis er rungen!" und er meldete, daß die liebst«, beste Maid der welchen Nachbarstadt sein. Bräutche» geworden. So war es; bald holte Auton sein« Marie als Hausfrau heim. Leider gewann in Böhmen nach Leu: Prager Frieden die alte Tyran'rei wieder die Oberhand und wüthct« ärger als zuvor. Da wanderten Hunderte von Joachimsthal fort und ließen sich großcncheils in Wiesenchal nieder; auch der Obersteiger Schreiter verließ die theure Heimath, um seine letzten Tage in Frieden und mit unbeschwerte»» Gewissen bei seinen Kindern zu verlebe». Zwar brachen auch über diese jetzt schwere Zeiten herein, aber der inmittclst zum Geschworncn empor gestiegene Steiger Anton stand mit seinem festen Sinne und unerschrockcnru Muthe, seinem warmen. Herzen und klare» Geiste wie ein schirmender Eichbaum vor den Seinen und leitete sie glücklich durch alle Trübsalswogcn hindurch» A. P.