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Harren sah er sic anS dem jenseiligen Gehölze hervor tauchen. Geräuschlos machte er sich mit den Gelin gen fertig, verbot ihnen aber, einen Schuß zu thun ohne seinen ausdrücklichen Befehl. „Ich habe heute zweimal das Schwarze gefehlt" — sagte er — „jetzt will ich die Scharte auswetzcn. Meint Ihr nicht, Kameraden, es sei auch ein Treffer, wenn man das Herz eines solchen Unholds durchbohrt, wie dieser Cieco ist, und dadurch die Glaubens genossen von emem grimmen Widersacher, die be freundete Stadt mit Allem, was sie Holdes und Theurcs birgt,von einem abscheulichen Verwüster befreit? Diesen Treffer will ich jetzt gewinnen und dem Bergschmicd von Platten seinen nicht neiden." Damit trat er hinaus auf die vom Mondlicht über gossene Haide, über welche die Musketiere gemäch lich daherzogcn; ihr Hauptmann zu Roß voran. Anton erhob sein Rohr, legte an und zielte mit dem Auge eines Adlers. Jetzt ein Blitz, ein Knall, und der Reiter stürzt vom Rosse. Wohl sicht seine Schaar den einzelnen verwegenen Schützen, aber der unerwartete Schuß mitten auf der stillen geisterhaften Haide, der Fall deS Führers erfüllt' sie mit Grausen. Die Söldner stutzen, zaudern, drängen sich um den röchelnden Hauptmann — da kommandirt der fern stehende Schütz: „Mit Gott, vorwärts auf den Festid!" und mit Ent setzen sehen die Musketiere eine geschlossene Kolonne, die ihre Einbildungskraft in einen endlosen Zug vergrößert, aus dem Dunkel des Waldes hervor stürzen. Mit dem Rufe: Johann Georg und Ma ria ! brausten sic daher — halte Stand, wer kann; die Musketiere jagt der panische Schreck rückwärts dem Rope ihres Hauptmanns nach, waldein, thalab, unaufhaltsam wie die flüchtige Welle des Baches, der ihnen zur Seite in sähen Sprüngen der We seritz zueilt. Und vom Kampfrausch erfaßt, stürzt das männliche Bergvolk ihnen nach. Bis an den Ausgang des Waldes verfolgt es die Flüchtigen und tritt hier mit nicht weniger als 8 Gefangenen seinen Rückzug an. Auf die Blöße zurückgckchrt, sand man den todtcn Hauptmann in seinem Blute. Anton nahm dessen Pallasch und ließ den Gefalle nen nach einer nahen Kaue schaffen. Inzwischen hatten sich viele Joachimsthaler am Schlackenwerthcr Thore versammelt, und wäh rend die Väter der Stadt auf dem Rathhause das ihnen drohende Unwetter in reifliche Erwägung zogen, hatte der' Obersteiger seine kampfbereiten Mitbürger in 2 Fähnlein geordnet, das eine unter dem Befehle des Plattncr Bergschmiedcs zur Be satzung des genannten Thores bestellt, das andere aber gn die übrigen Ausgänge der Stadt vertheilt. Der Bergschmied brannkc vor Kampflust und wäre am liebsten dem Feinde entgegen gezogen. Endlich kehrten die ausgesandtcn Späher mit der Meldung zurück, es sei eine Schaar im Anzuge, allein nur etwa Mann. „Solch ein Päckl,ein hinter der Mauer zu erwarten, wäre schimpf lich, Kameraden! Wer folgt mir ihm entgegen!?"rief der wackere Schmied. Alle waren bereit, mit ihm zu gehen, aber er ließ eine Abthcilung zur Bewachung des Thores zurück und zog mit den Uebrigcn hinaus. „Die wvljen wir heimschicken" — sprach er im Dabinmarsch — „hört Ihr, wie sic singen? Es wird manchem sein Sterbclied —„Aber horcht doch einmal!" rief Einer aus dem Zuge — „das klingt ja wie unser Luthcrlicd." — In der Thal war cs die Weise „Ein' feste Burg ist un ser Gott", von welcher der Wald wiederhallte. Näher und näher kam dec Gesang, immer deutlicher wurden die Töne, endlich vernahm inan genau die Worte: „Und wenn die Welt voll Teufel wär', und wollt' uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr" — „Halt!" kommandirtc da der Berg schmied — „das sind keine Musketiere, sondern Freunde! Stimmt mit ein, damit sie erfahren, daß Freunde in der Nähe sind." Und „das Wort sie sollen lassen stahn" erscholl es in dem Wald wie aus dem Walde. Bald standen die beiden Chöre einander gegenüber, und mit der Schluß- strofe „das Reich Gottes muß uns bleiben!" stürzten die Freunde einander in die Arme. Als der Berg schmied vernahm, der wilde Cieco sei durch einen einzigen Schuß aus Antons Büchse zahm und still geworden, feuerte er die seine ab und sagte: „Da bin ich am längsten Schützenkönig gewesen, die Krone gehört Euch, Steiger Anton!" Mit Jauchzen und Frohlocken wurden die siegreich Heimkehrenden am Thore empfangen, und wie ein Lauffeuer' verbreitete sich die Kunde von der glücklich abgcwendeten Gefahr durch die ängst lich harrende Stadt. Der Obersteiger schloß An ton in seine Arme und bat ihn, augenblicklich mit nach seinem Hanse zu gehen und die Frauen von aller Bcsorgniß zn befreien. Doch der glückliche Schütz erkannte, daß die für heute beseitigte Gefahr in der nächsten Zeit wieder kommen könne, und ermahnte die Joachimsthaler Knappen zu festem Zusammen halten für die Zukunft, bis von Sachsen herüber Rettung aus aller Noth käme. So lange wolle er zn den Bedroheten stehen als treuer Glaubens genoß und Nachbar. Seine Gefährten traten ihm bei und erboten sich, die Nacht hindurch auf der