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gcr zu den Seintgen — „Ihr, lieber Steiger Selt mann seid natürlich unser Gast." Als im Hause des Obersteigers die Familie mit ihrem Gaste bei Tische saß, erschien der War dein ganz athemlos. „Ich hab' cs wohl gesagt, Steiger!" — rief er Anton zu, — „daß es unbe sonnen von Euch und Eucrn Genossen war, durch die Stadt zu ziehen Die Musketiere haben sich darüber beim Oberamte beschwert, und das hat auf Dringen der Kommissäre vor 2 Stunden einen Eil boten nach Echlackenwerth geschickt, um Las gestern dort eingetroffene Mnsketierfähnlein unter dem schreck lichen Cieco herbeizuholen, daß es Euch aushcbe." Die Frauen erbleichten. Anton erhob sich gelassen und sagte: „In Nürnberg henken sic Kei nen, sie hätten ihn denn. Ich hätte große Lust, dem tapfern Fähnlein entgegen zu gehen." — „Um des Himmels Willen! Las wäre ja eine neue Unbesonnenheit" — unterbrach der Wardein — „Lasset mich ausredcn!" — fuhr Anton fort. — „Blcs um dieser werthen Stadt keine Händel zuzuziehcn, halt' ich es für gerathen, wir ziehen in Frieden heim, ehe die Musketiere kommen." — „Ja, fort müßt Ihr —" fiel der Wardein wieder ein. — „Allein mit dem Fricdlichheimziehen geht e8 nicht so glatt, wie Ihr denkt, denn unsere 20 Musketiere haben sich wider Euch in Hinter halt gelegt, damit Ihr nicht entkommen sollt." „Hm!" — sagte Anton ruhig — „so müßte man sich auf ein Scharmützel gefaßt machen." — „Was wollt Ihr thun?" fragte Marie ängst lich. „Wenn die 20 uns den Paß verlegt haben, müssen wir uns durchschlagen" — erklärte der Gefragte; — „doch mein' ich, sie liegen an der Landstraße, und wir können den Fußpfad über dm Acilberg gewinnen." „ So wollen wir schleunigst nach dem Hut hause aufbrechen —" sagte der Obersteiger — „Ihr begleitet uns doch, Herr Wardein?" „Es ist besser, ich bleibe in der Stadt, um weitere Kundschaft einzuzichen" — erwiederte der Gefragte — „ich hoffe, auch Jungfer Marie und die Frau Mutter werden daheim bleiben. Man weiß nicht, was Vorgehen kann; denn sind die Musketiere einmal hier, so werden sic schwerlich abziehcn, ohne idic Stadt das Verfehlen ihres Fan ges entgelten zu lassen. Dieser Hauptmann Cieco hat überall, wo ec noch ausgetreten, wie ein kleiner Tilly gehaust." „In drittehalb Stunden sind wir wieder da heim" — sagte Marie, und welche Gegenvorstel lungen der Wardein noch erheben mochte, die Frauen gingen mit nach dem Huthause. Der geräumige Betsaal desselben war schon halb mit Fcsttheilnehmern gefüllt, als die Schrei- ter'sche Familie mit ihrem Gaste ankam. Bald sah dieser seine Gefährten alle beisammen; aber an statt sie nun zur sofortigem Heimkehr aufzufordern, zog er sich mit ihnen auf einen freien Platz der Halde zurück und stellte ihnen vor, wie schimpflich cs sein würde, sich aus dem Staube zu mache», wo ihren Gastfreunden um ihretwillen Unheil drohe; er halte cs für Pflicht, zu bleiben und den Freunden beizu stehen mit Leib und Leben.- Seine Genossen waren alle der nämlichen Meinung. „Ich denke" — fuhr Anton fort — „die Joachimsthaler Brüder sollen unsern Besuch in keiner Weise zu bereuen, vielmehr ihn zu segnen haben; -seid Ihr mit mir einverstan den, so machen wir aller Plackerei, so sie bisher haben erleiden müssen, mit Einemmale ein Ende. Wir wollen jetzt in aller Andacht unser Lutherlied mitsingen und dann uns unbemerkt entfernen. Rechts von der Auffahrt im Gehölz wollen wir uns treffen. Während an- der Wiesenthaler Straße die 20 Speckritter gegen uns im Hinterhalt liegen, wollen wir ihren Kameraden an der Schlackcn- werther Straße einen Schreckenbcrger münzen. Habt Ihr was dagegen?" — „Nichts!" war die Antwort, „Du weißt schon, wir folgen Dir!" — „Wohlan", sagte Anton — „so gehen wir jetzt hinein und nach dem ersten Liede davon!" — In den Saal zurückkchrend, sand man denselben zum Erdrücken voll, es ward Anton sehr schwer, sich zur Familie des Obersteigers hinzndrängen, um noch einige Augenblicke in Mariens zaubcrvol- ler Nähe zu athmen. Da so eben auch der erwartete Kandidat eingctroffcn war, so bestieg der würdige Obersteiger das Katheder und eröffnete die Feier mit der Kundmachung des Ereignisses, welches dazu Anlaß gab. Ein ungeheurer Jubel beantwortete die frohe Botschaft, und gleich darauf brauste das Lied „Eine feste Burg ist unser Gott" durch die offenen Fenster hinaus in die stille, klare Mondnacht. Beim letzten Verse trat Anton zu Marien. Erfüllt von dem Entschlüsse einer muthigcn That und begeistert durch den mächtigen Gesang, hatte er seine Verzagtheit vom Nachmittage abgelegt. „Ich muß jetzt von Euch scheiden" — redete er sie an — „ich dachte, ich würde mit Euerm Ehrengeschenk von hinnen gehen, aber ich könnt' cs nicht gewinnen; so laßt mich wenigstens nicht ohne Eucrn Segen ziehen." Das Mädchen sah ihn mi. feuchten Blicken an — „Ich darf Euch jetzt nicht zurückhaltcn," — sagte