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Ioachimsthalerin ihm erregte, und das seitdem nicht mehr von ihm gewichen war. Sechs Mo nate waren seitdem verflossen, und er batte sic nicht wieder erblickt, die blumige Maid mit den schwarzbraunen Locken und den hellbraunen Augen sternen. Auf das Schicßfest hatte er die Hoffnung verschoben, sie wieder zu sehen, sich ihr zn nahen und um ihres Herzens Huld zu werbe». Sic war freilich ein wenig keck, diese Hoffnung, denn Marie war des reichen Obersteigers und Knapp- schaftsältestcn Valentin Schreiter einzige Tochter, schön und sein genug, um eines Bergmeisters Ge mahlin werden zu könne», und er war ni^r ein armer Steiger an einer Grube, die auf Hoffnung gebaut wurde. Aber wie seine Gewerken, so bauctc auch er seine Liebe ans Hoffnung im stillen Schachte seiner Brust. Auf das Scheibenschießen hatte er einen guten Theil seines Hoffens gesetzt, denn am Bergfeste hati^ Marie ihm während des Tanzes gesagt, wie sic sich darauf freue; und ihr Vater, der gerade dahinter gestanden, hatte scherzend hinzu gefügt, sie glaube doch nur als Nadelkönigin neben den Scheibenkönig zu stehen zu kommen, weil sie ein Ehrengeschenk von ihrer Hand zu dem Haupttreffer fügen wolle. Nun wußte Anton, daß er weitaus der beste Schütz diesseits des Kcilbcrges war — warum sollte es ihm nicht glücken, den höchsten Treffer und damit Mariens Ehrengabe zu erhalten? Damit aber glaubte er wenigstens einen Finger ihrer Hand selbst zu bekommen, und hatte er einmal einen Finger, so sollt' ihm die Hand nicht entgehen. Mir seinen Genossen vereinigt, hatte, er das Ziel seiner Sehnsucht in kaum 3 Stunden erreicht. Er konnte es sich nicht versagen, statt den Zug an der obern Seite des Marktes hinzuführcn, die untere zu wählen, wo, wie er erkundet hatte, das Schrci- ter'sche Haus stand. Er hoffte, vor dem Idol sei nes Herzens defilircn zu können — und er hatte sich nicht getäuscht: da lehnte sie im offenen Fen ster in allem Glanze ihrer sonnigen Schönheit. Allein ein schmerzliches Zucken unterdrückte schnell das anfflammende Wonnefcucr seiner Seele, als er einen jungen Bergbeamien an ihrer Seite er scheinen und freundliche, ja vertrante Blicke mit ihr wechseln sah. Marie halte keinen Bruder, das wußte Anton, also mußte der Fremde wohl ein Geliebter sein. >— -Sie schwenkte ihm zwar das weiße Tuch mit ßeeundlichcr Huld entgegen — aber cs blieb doch ein Stachel in seiner Brust, der ihm die ganze Freude verdarb. DaS Schießen hatte bereits begonnen. Die Gäste ließ man sogleich ihre Nummern nachschie ßen. Anton war einer der Ersten, die zum Schüsse kamen. Der alte freundliche Obersteiger führte ihn an den Tisch, wo die Preise ausgelegt waren. Der Hauptgewinn bestand in einem silbernen Becher und 50 funkelnagelneuen, aus der Ioachimsthaler Münze hervorgcgangcncn Thalern; daneben lag auf blitzendem Zinnteller Mariens Ehrengeschenk: ein prächtiger Bortenkragcn mit Krause, wie ihn die Bergleute damals trugen, und ein Gürtel jammt Wehrgehcnk mit zierlicher Stickerei in Gold und Schmelz. Ter jugendliche Steiger konnte diese Gegenstände nicht bewundern genug. „Ihr zählt wohl all' die Nadelstiche, die nicine Tochter an diese Arbeit gewendet?" unterbrach der Obersteiger das stumme Staunen — „macht, daß Ihr den Preis gewinnt! Ihr seid ein berufener Schütz, und mich wie meine Tochter wird es freuen, >v»n die Sachen in Eure Hände kommen, denn Ihr seid zu gleich ei» wackerer Glaubensgenoß." Das klang wohl recht tröstklch, aber der Gedanke an den muth- maßlichcn Nebenbuhler erpreßte Anton die Ent gegnung: „Für einen armen Steiger, der auf Hoff nung baut, ist dergleichen zu kostbar, pnd was sollte mir das Wehrgehcnk am Gürtel? Trägt doch ein Steiger nur die Barte, aber keinen Pallasch." „Wollt Ihr denn immer Steiger bleiben?" — erwicderte der Greis. — „Wer das schon so jung geworden ist wie Ihr, der sollte höher hinaus denken, mein' ich! Ihr macht mir überhaupt heute ein so trübseliges Gesicht, daß Ihr den muntern Gesellen vom Bergfest ganz daheim gelassen zu ha ben scheint. Horch! da wird Eure Nummer aus gerufen — nun wohlgemuth gezielt und wacker gefeuert!" Damit schob er den jungen Mann in den Schicßstand. Die letzten Worte hatten ermunternd auf den Schützen gewirkt; mit sichern» Auge erfaßte er das Ziel, und mit fester Hand drückte er ab; ein allgemeiner Ausruf der Bewunde rung folgte der Anzeige des Zielers, daß die Ku gel mitten durch den Nagel gegangen sei. „Bravo," rief der Obersteiger dem ans dem Schießstandr Tretenden entgegen, noch zwei solche Schüsse, und Niemand macht Euch den ersten Preis streitig; der Bergschmied von Platten steht Euch jetzt nach, und der war sonst unsre bester Schütz." Zn diesem Augenblicke nahte sich eine geputzte Gesellschaft von der Stadt her den» Schießplane. Anton erkannte mit Beben die Geliebte darunter, die am Arme ihrer Mutter daherschwebte — aber an ihrer andern Seite ging auch jener junge Bcrgie-