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Intelligenz aus Deutschland in die Union. Auch die religiösen Sekten der Stephanisten, rheinischen Katholiken u. a. bargen manchen guten Kern in sich, der, nachdem die religiöse Schwärmerei nieder gearbeitet war, hcrvorleuchtete. Schon in dieser Zeit begannen die häuslichen und geselligen Tugen den der Deutschen, ihre Liebe zur Musik wie ihre unverdrossene Arbeitsamkeit Aufmerksamkeit unter den Amerikanern zu erregen. Doch zeigte sich auf der andern Seite auch eine Erscheinung, die viel Nachtheil auf die Stellung des deutschen Elementes in den Vereinigten Staaten ansnbte. Der wach sende Handelsverkehr brachte eine Menge deutscher Kaufleute herüber, die — meistens aus Bremen und Hamburg — sich hier nicderlicßcn, rein der Handclsintcrcffen wegen, denen sie alles Andere untcrordneten. Von den Amerikanern wollten sie hauptsächlich Gewinn ziehen, daher schlossen sie sich an diese an und vermieden so viel als möglich, mit den „ vutcluuen " in Berührung zu kommen. Diese Leute vcrläugneten ihre Nationalität, so weit sic es nur konnten, wenn sie sich dauernd hier wic- derlassen wollten. Oft aber blieben sie nur ewige Jahre hier, strichen dann ihre Dollars ein und kehrten nach Deutschland zurück. Nichts verdrießt aber den Amerikaner mehr, als wenn der, dem es hier wohl ging, der hier reich wurde, dann dem Lande wieder den Rücken zukehrt. Aber auch vor Denen hat er nur eine sehr zweifelhafte Achtung, die ihr Vaterland vcrläugnen. Erst neuerdings bemerkt man unter den Bremer oder Hamburger „ImporterL", daß sic sich ihres Dcutschthums nicht mehr schämen und ihre Kinder deutsch erziehen. Die bedeutendste Veränderung in der Lage der Deutschen in der Union hat die Emigration nach 1848 hcrvorgebracht. Von da an geschah die Auswanderung aus Dentschlano vorzüglich aus politischen Gründen. Männer aller Stände und von meist größerer Bildung, aber fast alle durch drungen von der Sehnsucht nach Freiheit, bilden den Kern derselben. Diesem Umstande ist es haupt sächlich zuzuschreiben, daß die Deutschen fast in allen Staaten der Union bei der letzten Präsiden tenwahl als kompakte Massen auftrarcn. Die Whigpartci fdie Konservativen) schreibt ihre Nieder lage hauptsächlich den Deutschen mit zu. Dadurch habe» sie eine Wichtigkeit erlangt, die noch mehr steigen wird, wenn die letztgenannte Klaffe der Eingewandertcn erst überall das Stimmrecht crhal- tcn hat*). Vorzugsweise ist cs auch das Verdienst ') Es ist dies nach den Gesetzen der einzelnen Staaten verschieden; in den mehrsten, namentlich auch in Rewyvrk, erhält man das «timmrecht nach fünfjährigem Aufenthalte. der neuesten Einwanderung, daß größere deutsche Volksfeste abgchalten werden, zu denen die Deutschen aus allen Staaten der Union sich versammeln. So die großen Gesangfeste zu Newyork und Phila delphia 1852 und 1853 und das allgemeine Turn fest in Newyork 1853. Der Geist und die Haltung dieser Feste hat die Amerikaner wahrhaft mit Thcil- nahme erfüllt und trägt wesentlich dazu bei, die Deutschen als Ganzes in ihren Augen zu heben/ Endlich ist es noch ein Umstand, der sehr zum Vortheile der Deutschen sich in den letzten Jahren bemerkbar macht. Das ist der immer wachsende Besuch Deutschlands durch Amerikaner. Die Mehr zahl derjenigen Amerikaner, die ein oder zwei Jahre in Deutschland zugebracht, haben fast alle Vor- urthcilc abgelegt, mit denen sic hinubcrrcistcn. Das Merkwürdigste dabei ist, daß die aus Deutschland zurückkchrcnden Amerikaner ' fast ohne Ausnahme Deutschland noch eine Zukunft prophezeien, während viele der nach Amerika ausgewanderten Deutschen daran verzweifeln. Kürzlich wurde in Wiskonsin von der Legis latur beschlossen, einen Staatskommissar nach New- Uork zu schicken, um die Einwanderung so viel als möglich nach diesem Staate zu leiten. Die Wahl fiel auf einen Deutschen, Herrn Härtel aus Sachsen, seit 10 Jahren Bürger der Union und zuletzt Senatsmitglied in Wiskonsin. Die Wahl dieses unterrichteten, höchst liebenswürdigen ManneS beweist am Besten, welche Stellung die Deutschen in Wiskonsin, wo sie etwa zwei Fünfthcile der Be völkerung bilden, einnehmen. In Ohio ist bereits die deutsche Sprache vor Gericht als gleichberechtigt mit der englischen erklärt worden. Was den Einfluß der Deutschen auf das innere Leben in Amerika anlangt, so ist auch dieses bedeu tend im Wachsen. Gewisse Zweige der menschlichen Thätigkcit sind von dem deutschen Geiste so ziem lich durchdrungen, selbst wo Amerikaner die Aus übenden sind. Am Meisten zeigt sich dies in der Musik. Nur im Operngesangemacht die italienische Schule der deutschen den Rang streitig; die In strumentalmusik ist ganz deutschen Karakters. Der amerikanische Gesangverein in Newyork ist ganz nach deutschem Muster gebildet und nimmt an allen deut schen GesangfestenThcil. Von der Landschafts maler ei läßt sich dasselbe sagen. Das Turn wesen gewinnt mehr und mehr Boden bei den Amerikanern, .natürlich ganz in deutscher Weise. Auf das Schul wesen macht sich dagegen der deutsche Einfluß nur in zwei Richtungen geltend: in der philologischen und in der mathematischen. Welche Mühe hat es aber nicht gekostet, selbst in den größten Städten der