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zählen zu wollen, ist eine sehr unsichere und unge naue, da alle Kontrole fehlt. Blos die Zahl der Bürger der Union läßt sich angeben und der Menschen. Bei Zählung der Deutschen entsteht die Frage, ob die von deutschen Eltern Abstammen den, hier Geborenen zu ihnen zu zählen sind oder nicht, und deren giebt cs sehr viele, besonders in Pennsylvanien, wo sich die deutsche Sprache bis zur dritten Generation als Familiensprachc erhalten hat. Den besten Anhalt giebt die Zählung der Eingewanderten und die Vergleichung dieser Zahl mit der der natnralisirten Bürger deutscher Abstammung. Letztere hat betragen 651,000. Ein gewandert sind seit 10 Jahren etwas über eine halbe Million Deutsche, von welchen aber viele das Bürgerrecht noch nicht erlangt haben. Rechnet man nun den etwa noch lebenden ältern Stamm und erwägt, daß hier fast jeder Unionsbürger auch Haupt einer Familie ist, so wird man annchmen können, daß 3s Millionen in Deutschland geborene Deutsche jetzt in den Vereinigten Staaten leben. Die von deutschen Elter» abstammenden hier Geborenen be halten ihre Nationalität nur dann, wenn die Be völkerung ihrer Hcimath vorwiegend deutsch ist, wie in Pennsylvanien, einigen Gegenden Ohios und neuerdings in Wiskonstn. Man kann diese nicht höher als auf eine halbe Million anschlagcn, die übrigen sind völlig amcrikanisirt. Alles in Allem leben also in den Vereinigten Staaten jetzt etwa 4 Millionen Deutsche und Deutsch-Amerikaner, etwa der sechste Thcil der gcsammten Bevölkerung. Was — fragt nun der Deutsche in der alten wie in der neuen Hcimath — wird das Schicksal dieser Landsleute sein? Werden sie ihre Nationali tät im Wesentlichen bewahren oder in der anglo- sächsischen Raec untergehen? Es wäre höchst un praktisch, jetzt schon darüber lange Abhandlungen zu schreiben; halten wir uns vielmehr an That- sachen, an die Stellung der Deutschen zu den Ame rikanern in der letzten Vergangenheit und in der Gegenwart. Da ist nun freilich nicht zrr läugnen, daß dieselbe den Amerikanern gegenüber keine son derlich geachtete war, und daß die Deutschen nicht den Einfluß besaßen, den sic als Söhne eines so intelligenten und wackcrn Volkes haben sollten. Erst seit den letzten Jahren beginnt dieser Einfluß zu wachsen, und fängt der Amerikaner an, nicht blos den einzelnen Deutschen zu achten, sondern die Deutschen der Union als Ganzes. Betrachtet man aber die Natur der deutschen Einwanderung der ältern Zeit, so wird man das begreiflich finden. Wer wanderte denn früher aus Deutschland aus? Die Intelligenz der Nation? Der geschickte und fleißige Handarbeiter? Der rührige, kernige Acker bauer? Nein, die blieben i.n Vaterlande, so lange cs nur irgend möglich war. Dagegen zog der Schwindler, der Abenteurer und der verfolgte Ver brecher nach dem neuen Lande und eine Klasse Unglücklicher, die kein Brod und keine Freude mehr in der alten Hcimath finden konnten. Die letzteren waren freilich die Mehrzahl, und wahrlich, sie bewiesen sich des neuen Vaterlandes würdig; das sieht man an ihren Nachkommen in Pennsylvanien. Während diese aber und andere vereinzelte Aus nahmen der Kolonisirung nachgingcn, trieben die Anderen Unfug und Gaunereien aller Art und machten sich so unehrenhaft bemerkbar, während die guten Eigenschaften Jener nur in der nächsten Nähe gekannt waren und Anerkennung fanden. Allmälich wurde die Einwanderung stärker, da das entschie dene Wohlbefinden der Eingewandertcn in Deutsch land bekannt wurde. So Mancher verließ nun die Hcimath um des bessern Broderwcrbcs willen. Das ist dicKlasse von 1815—1830, die jetzigen „Grauen." Und in der That, die Leute haben gefunden, was sie. suchten. Es giebt keinen Proletarier unter ihnen, und Wenige, die nicht wohlhabende Leute geworden wären. Das ist aber auch das Beste, was man von den meisten unter ihnen sagen kann. Das Wort: „An's Vaterland, an's thcurc, schließ Dich an," kannten diese Leute in der alten Hcimath nicht und lernten cs auch in der neuen nicht verstehen — es müßte denn ans Dankbarkeit sein für die guten Geschäfte, die sie hier gemacht. An Bildung haben diese Leute nicht zugenommen, weil sie im „gut leben" ihr Ideal suchten. Das habe» sie gefunden, und nun sind sie fidele Kerle, die sich um die ganze Welt nichts scheren, brav kneipen nnd sogar in den Kneipen später Eingewanderte traktircn; den» „man muß so einem armen Teufel etwas von seinem Ucberflusse zukommen lassen", wie sie zu sagen pflegen. Das ist auch nicht die Klasse Leute, die dem Amerikaner Achtung abzwingen kann, der rastlos das Erworbene, und wären cs auch Millionen, immer nur als Mittel zu neuen Unternehmungen an sicht. Die nächste Generation deutscher Einwanderer, die von 1831 —1848, besteht schon aus anderen Elementen. Die mißlichen Erwerbsvcrhältnisse, be sonders aber die gesunkenen Preise der landwrrth- schaftlichen Produkte trieben besonders eine Menge Landsleute aus Süddcutschlgnd und Hessen herüber, die familienweise, oft in ganzen Gemeinden sich im Westen ansicdelten. Auch begann die Auswan derung aus Deutschland aus politischen Gründen. Mit diesen kam vieles Gute des Familienlebens und manche tüchtige, frciheitstrcbcnde Kraft, manche