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Vizeadmiral Sir Charles Napier, Oberbefehlshaber der Ostseeflotte. (Mit Abbildung.) Eharles Napier, geboren am 6. Marz 1786, trat kaum 14 Jahr all in den Floltendienst, nahm an den Seezügen gegen die Franzosen im An- fange dieses Jahrhunderts Thcil und zeichnete sich wiederholt durch kübne Tapferkeit und schnelle Ent schlossenheit aus. Im Jahre 1805 ward er zum Leutnant, 2 Jahre später zum Kommandeur be fördert. Im August 1808 schlug er mit der klei nen Brigg Recueil von 18 Kanonen dir franzö sische Korvette Diligente von 22 Kanonen, wobei er schwer verwundet doch nicht das Verdeck verließ. Im folgenden Jahre zeichnete er sich bei der Bela gerung von Martinique aus, wo er unter Anderm mit nur 5 Matrosen »n's Land ging, die Mauern des Forts Eduard erkletterte und dorr die englische Flagge aufpflanzte. In demselben Jahre war er auch thä- tig bei der Eroberung des französischen Linienschiffs Hautpoult und erhielt zur Belohnung seiner Dunste das Kommando des genommenen Schiffks. Eine andere glänzende d^nrhat von ihm war die Besitzergreifung der neapolitanischen Insel Ponza im Jahre 1813. Gleiche Tapferkeit be wies er bei der Expedition gegen Alexandrien. Nach dem Frieden von 1815 trat er außer Aktivität. Erst 1829 wurden seine Dienste wieder in Anspruch genommen, indem er den Befehl über die Fregatte Galathea erhielt, den er jedoch bald wieder nieder legre, da ihm Don Pedro den Oberbefehl über die portugiesische Seemacht antrug, den er mit Justine» mung der englischen Regierung übernahm. In die ser neuen Stellung entfaltete er eine so wirksame Thätigkeit für Donna Maria, daß Don Miguel besonders nach Napiers glänzendem Seesiege beim Kap St. Vincent bewogen wurde, seine An sprüche auf Portugal einstweilen aufzugeben und das Land zu verlassen. Don Pedro ernannte den Sieger zum Visconde de Cabo de San Vincente, wie ihn schon früher der Köniz von Neapel zum Danke für die Eroberung der Insel Ponza zum Ca valiere de Ponza ernannt hatte. Nach Vertreibung Don Miguels ging Napier wieder nach England zurück, trat aber erst im Jahre 184o wieder in den activen Dienst, nachdem ihn die Königin zum Rit ter geschlagen hatte, In diesem Jabre nahm er als Kommodore unter Admiral StopfordS Oberbe fehl einen hervorstechenden Antheil an dem Kriegs« zuge gegen Debmed Ali und Ibrahim Pascha in der Küste von Syrien. Nach seiner Rückkehr ward er in s Parlament gewählt und vertrat hier stei lste liberalen Bestrcbung-n. Vorzugsweise suchte er im Parlamente wie in der Presse für Abstellung von Uebelständen in der Flotte zu wirken; und er wußte zu diesem Zwecke feine Zunge und seine Fe der mit derselben rücksichtslosen Tapferkeit zu gebrau chen wie bisher Kanonen und Schwerter im Kampfe gegen die Feinde seines Vaterlandes. Wie er durch seine Tapferkeit sich berühmt, so hat ihn sein Frei- muth bei Aufdeckung und Verfolgung von Gebrechen im britischen Geed'.enst gefürchter gemacht. Er pflegte Niemanden zu schonen, ja man sagte ihm nach, daß er bon Dienstgeheimn ssen nicht immer den dis kretesten Gebrauch gemacht habe. Zu Anfang des JahreS 1854 erhielt er, mittlerweile bis zum Vize admiral vorgerückt, den Oberbefehl über die zur Be kämpfung Rußlands in der Ostsee bestimmte eng lische Flotte, zu dessen Urdernabme er sich erst ent schloß, nachdem die Admiralität seine Bedingungen, die auf Abstellung von fehlerhaften und veralteten Flvt'eneinrichtungen gerichtet waren, angenommen hatte. Unter diesen B-dingungen war^die haupt sächlichste, das die von ihm befehligte Flotte ihre Mannschaft nur durch freiwüig angewvrbene Ma trosen erhalten dürfe. Er konnte sich auch wirklich bei seiner Abfahrt rühmen, nicht einen einzigen ge preßten Matrosen an Bord seiner Flotte zu haben. Den großen Erwartungen, die man von der Ostsee flotte und von ihm selbst hegte, hat er bis ß-tzt noch keine Gelegenheit gehabt, zu entsprechen. Napier ist jetzt ein Mann von 68 Jahren, unter Mittelgröße, dick und weder schönen Ansehens, noch feiner Manieren. Wer den Werth eines Offi ziers nach seinem parademäßigen Aussehen beurtheilt, der muß Sir Charles Napier für einen sehr schlech ten Offizier halten. Sein Anzug ist in der Mgel sehr vernachlässigt. Sein« Landsleute sagen ihm nach, er habe „wie alle Naoiers" einen Sparren zuviel. Das thut aber seiner Popularität ganz und gar keinen Eintrag; er ist unbestritten der beliebteste von allen jetzt lebenden englischen Admnalen.