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lagen zerbrochen umher; schnell berauscht waren die Einen nur desto verwegener geworden, und Mancher hatte mit der Flasche in der Hand gegen die Mauern stürmend den Tod gefunden, Andere lagen, immerhin an gefährlichster Stelle, im süßen Schlafe, alle Gefahren und Drangsale vergessend, noch Andere saßen und schwatzten und tranken. „Eine nüchterne Brigade zur Ablösung" war das vor Allem Nöthige. Am andern Morgen räumte der Feind Chalons, das die Preußen besetzten. So scherzhaft die Champagnergeschichte erscheinen konnte, so ernsthaft nahm sie Aork. Er ließ die Truppen am andern Nachmittag auf die Allarm plätze kommen und erschien persönlich, ihnen „sehr eindringliche und verständliche Dinge" zu sagen; er gab die strengsten Befehle, für die er die Ofiziere verantwortlich machte. „Es kam," so schreibt einer von diesen, „in uns Alle eine heillose aber sehr heilsame Furcht." Durch die Kämpfe und anstrengenden Märsche des Winterfeldzuges in Frankreich war bereits in der Mitte des Februar 1814 das Aork'sche Korps von 22,000, mit denen es über den Rhein gegan gen war, auf 9000 geschmolzen (7000 Mann Li nie und 2000 Landwehr). Es wurden deshalb die alten 19 Linienbakaillone in 12, die Reste der 14 Landwehrbataillone in 4 zusammengezogen. Seitdem Napoleon wieder siegreich ausgetreten war, hatte die bis daher den Verbündeten günstige Stimmung des französischen Landvolkes sich ganz- sich geändert. Ueberall hatte sich der Landsturm gebildet, der vereinzelte Nachzügler und kleinere Detachements überfiel und erschlug oder ge fangen nahm. Von nun an mußte man in größeren Abtheilungen marschieren; man fand die Dörfer und kleinen Städte von ihren Bewohnern verlassen, das Vieh wcggetrieben, die Vorrälhe zerstört, von einer regelmäßigen Verpflegung der Truppen konnte demnach keine Rede mehr sein; man wurde genölhigt, den Brigaden Dörfer zum zum Fouragiren anzuweisen, und bei dieser Art von Aushülfe, deren nothwendige Folge unordent liche und ungleichmäßige Verpflegung und bald gänzlicher Mangel ist, lösen sich nur zu schnell und in erschreckender Steigerung die Bande der Dis ziplin. Auf den kahlen Höhen der Champagne ohne Holzung, ohne Hecken im Freien zu bivoua- kiren, war freilich bei der strengen Kälte eine schlimme Zumulhung. Die Soldaten deckten die Scheuern und Hauser der Dörfer ab, um nur Holz zum Feuern zu bekommen. Der englische General Sir Hudson Lowe, der am 19. Februar bei Blücher ge speist hatte, fand, als er in sein Quartier zurück wollte, statt des Hauses nur eine leere Stelle. Auch das Haus, in dem Aork übernachtete, schwand so über ihm und um ihn her; er verbot, es zu hindern. — Die Noth des Augenblickes trieb zu Gewalt samkeiten, die nicht mehr gehindert werden konnten. An der Seite der plündernden und raubenden Russell durften die Preußen, wenn sie leben wollten, nicht nachblciben; auch bei ihnen begann Härte, Rohheit, Lust am Plündern und Zerstören einzureißen. Al les Bemühen der Kommandirenden war umsonst, über die strengsten Befehle siegte die Unmöglichkeit, ihnen Folge zu geben. Als Aork am 3. März sein Hauptquartier in Oulchy le Chateau, in dem von allen Bewohnern verlassenen Schlosse, hatte, ließ er sämm'kliche Brigadiers und Regimentskomman deurs in's Hauptquartier kommen. Als sie ver sammelt waren, trat er unter sie und begann: „Meine Herren, ich habe geglaubt, die Ehre zu ha ben, ein preußisches Armeekorps zu kommandiren, ich kommandire aber eine Räuberbande. Meine Herren, ich will inchl den großen Abällino spielen, und ich werde einen Jeden vor ein Kriegsgericht ziehen, der nicht mit aller Strenge wieder Ordnung in die Truppen bringt." In diesem Augenblicke ritten zwei Marketenderinnen, die eine in einem kanariengelben seidenen, die andere in einem hell blauen Sammctkleide, beide mit Hüten mit großen Febern geschmückt, im Galopp vorbei. Der Ge neral, sie erblickend, rief in der größten Entrüstung: „Da sehen Sie, meine Herren. Schaffen Sie die verfluchten Menscher!" Ehe man aber die Pferde fand und sich hinaufschwang, waren sie verschwun den und nicht wiederzufinden. — Seit dem Rheinübergange kommandirte der Prinz Wilhelm, Bruder des Königs, die Bri- gäbe im Aork'schen Korps, die bisher der zu einem andern Korps versetzte Prinz von Meklen- burg kommandirt hatte. Am 18. Februar sollten sich die Truppen Morgens 7 Uhr beim Bivouak der achten Brigade, der des Prinzen, zum Abmarsch sammeln. Aork und alle Truppen standen schon fertig, aber die 8. Brigade war noch nicht ange treten. Der Prinz Wilhelm saß auf einer Bären decke und trank seinen Kaffee. Da rief Aork: „Wird die Brigade nicht ankreten? Aber das kommt davon her, wenn die Herren sich nicht von ihren Pclzdccken trennen können!" Flugs war der Prinz von dem Bärenfell und kommandirte: „an die Geweh re!" Mir fröhlicher Stimmung ward abmarschiert. Nach der Schlacht von Laon, den 9. März, der die Nacht ein Ende gemacht halte, ohne eine