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Wie bald schwanden die Widerspenstigkeiten und die Berufungen auf das alle Recht der Korpora tion; sie fühlten sich doch in ganz anderer Haltung als ehedem, und wie streng der Kommandeur auch war, die Anrede „Messieurs", die er eingeführt, machte Vieles wieder gut. Freilich folgte hinter dem „Messieurs" oft genug ein Donnerwetter, wenn schlecht exerzirt wurde, etwa gar in Folge eines Tanzvergnügens am Abend zuvor. — Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena bildete Aork mit seinen Jägern auf dem Rückzüge nach Lübeck die Nachhut des Dlücher'schen Korps. Hinter dem Dorfe Nossenthin im Meklenburgiscken hatte am 1. Nov. 1806 Aork sich wieder einmal ausgestellt, die nachdringenden Feinde aufzuhalten, um seinem Hauptkorps Zeit und Raum zum wei tern Rückzug zu sichern. Es war eine Ackerlehne, an dir sich ein Wiesengrund anschloß, bis links zum Saume des Waldes hinauf eine Weidenreihe. Da wieder entspann sich das Schießgefecht. Der Feind kam nicht recht heran; die Sonne war schon im Sinken. Mehr als einem der Jager und Aork selbst fiel die wunderbare Aehnlichkeit dieser Gegend mit dem Mittenwalder Uebungsplatze auf; wie oft hatte er dort harte Worte gebraucht, wie hatte er sie dorr mit dem verhaßten taktischen Dienst zwänge gepeinigt, wie statt der alten bequemen und schlaffen Zucht Sporn und Gebiß bitlcrscharf gehandhabt; sollte nicht manchem Burschen unwill kürlich die Erinnerung schlimmer Stunden, ver bissenen Ingrimmes gegen den harten Obersten kommen? Daß sie ihn fürchteten, wußte er; es kam auf die Probe an, ob sie ihn haßten. Er ritt während des Feuerns an der Front seiner Jä ger langsam hinunter, das Gesicht dem Feinde zu. Dann als er zu Ende war, wandte er fich ruhig und ernst zu seinen Jägern: „Jager, daß der Franzos mich nicht treffen würde, wußte ich wohl.; aber ich glaubte gewiß, es gebe unter Euch Einige, die mir setzt eine Kugel zuschieben würden; ich sehe, Ihr seid alle treue, wackere Män ner, und von jetzt an betrachte ich mich als Eu ren Vater, Euch als meine Kinder." — Wie glü hend Eisen fuhren uns des Obersten Worte durch die Adern, hat nachmals ein Jäger gesagt, und von dem „Alten" sprach man mit Ehrfurcht und heißester Hi.ngebung: Für den und mit dem durch's Feuer! — Zu Anfang des Jahres l8lO war der Gene- ral Aork zum General-Jnspectcur aller leichten Trup pen — Füsiliere, Jäger, Schützen, Husaren — ernannt worden. Den letzteren mochte es sonder bar vorkommen, von einem Infanterieosfizier inspizirt zu werden, der wohl nur so pro korwa hmsche. Als nun Aork in Münsterberg zum ersten Male das erste schlesische Husarenreg.ment besich tigte, fand er dies auf einem Platze aufgestellt, der vorn durch ein ziemlich durchschnittenes Ter rain beschränkt war. Man hatte ihm, dem Infan terie-General, ein frommes und wohlbeleibtes Pferd zum Reiten gegeben, das zu den raschen Bewe gungen des Husarcnmanövers wenig paßte. Aork ließ die Sache eine Weile so gehen; dann for derte er ein Flanqueurpfcrd und sah sich im Dor- bcisprengen das Terrain vorn flüchtig an; aller dings gab es da Hindernisse, doch nickt solche, vor denen ein Husar erschrecken darf. Jetzt ließ der Kommandeur einen Angriff machen. Aork sprengte mit; aber nahe am Ende des freien Rau- mes^ehe noch Halt geblasen wurde, kommandirte Aork von Neuem Marsch, Marsch! Und nun, er selbst voran, ging es durch die Büsche und über die Gräben; manches Schacko flog ab, mancher Reiter, manches Pferd stürzte, bis die strenge Lek- tion fertig war. Und in solcher Weise leitete er das Manöver weiter nach dem rechten Wesen und Zweck des Husarendicnstes. Die Offiziere aber und die Husaren bekamen großen Respekt vor dem Infanterie-General, der sie führte, „als wäre er selber ein Husar gewesen." — Aorks beide Knaben, der 12 jährige Heinrich und der 6 jährige Louis, hatten neben des Vaters Zimmer Unterricht, die offene Thür ließ ihn hören, daß die Geschichte von Mucius Scävola, der die Hand in's Feuer streckt, um dem Feinde zu zeigen, daß er den Schmerz nicht fürchte, erzählt wurde. Nach der Stunde spricht der Vater mit den Kna ben von Mucius Scävola und dessen Heldenmuth, und was sie wohl in ähnlichem Falle khun wür den. Natürlich meinten sie: dasselbe. So soll es versucht werden. Es wird ein Blatt Papier ge- nommen, zusammengeballt, Heinrich muß die Hand ausstrccken — er würde sich vor dem Vater ge schämt haben, es zu weigern — der Papierballen wird darauf gelegt, angezündct, und Heinrich läßt ihn, so sehr es schmerzt, niederbrcnnen bis in die Hand. Nun wird der kleine Louis noch einmal ge fragt; mit Thränen in den Augen bleibt er bei seinem Wort; es wird eine Papierkugel ihm in's Händchen gelegt, angezündct, und auch er hält es ruhig zu Ende. .„So muß ich's auch," sagt der Alte, ballt sich seinen Bogen Papier zusammen und mackt seinen Buben das römische Experiment gründlichst nack. Freilich ist das Ende von dem Spaß eine tüchtige Brandwunde; und als am an-