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Züge aus dem Leben des preußischen Generals Grafen Jork von Wartenburg. (Mit Abbildung.) . Von allen preußischen Heerführern in den Kriegen gegen Napoleon hat sich nächst Blücher keiner so heivorgethan als Aork. Sein finsterer, verschlossener Sinn, seine stolze Kälte, seine Leiden schaftlichkeit, sein stets kochendes Innere, wahrend das Aeußerc in starrer Kälte verharrte, mochten Schuld sein, daß er außerhalb seines Korps we niger begeistert genannt wurde als andere Gene rale, die bei Weitem weniger geleistet hatten. In seinem Armeekorps wurde er gefürchtet wegen der Strenge, mit der er die Mannszucht handhabte, aber dennoch gingen seine Soldaten mit ihm und für ihn freudig in den Tod. Sie wußten« daß kein General sie sicherer, kaltblütiger und entschlos sener gegen den Feind führe als Aork. — Es fehlte bisher an einer ausführlichen Lebensbeschreibung dieses ausgezeichneten Generals, bis Droyftn das „Leben des Feldmarschalls Grasen Aork von War tenburg" in 3 Bänden schrieb, ein Werk, ebep so ausgezeichnet, als der Gegenstand, den es behandelt. Es würde über die uns gesteckten engen Gren zen hinausgehen, wollten wir den Lesern unseres Kalenders eine vollständige Lebensbeschreibung Aorks liefern. Wir geben im Nächst, hendcn unter Be nutzung des Droysen'schen Buchs einzelne Züge aus Aorks Leben, die, obgleich ohne äußeren Zusam menhang hingeworfen, geeignet erscheinen, den berühmten General so, wie er war, — in seiner Größe wie in seinen Fehlern — erkennen zu lassen. Aork war im Jahre 1759 geboren. In preu ßischen, dann in holländischen Diensten in Ostin dien erwarb er sich die ersten Lorbeeren und reiche Kriegsersahrung. Im Jahre 1787 ward er wie der in preußischen Dienst angestellr, in dem er fortan mit höchster Auszeichnung verblieb. Im Jahre 1799 wurde er Kommandeur des Fußjä gerregiments in Mittenwalde. — Den Offizieren des Fußjagerregiments lag es ob, den Zusammenhang der Bewegungen je nach der Aufgabe und dem Terrain entsprechend zu lei ten. Vortrefflich gelang es bei den Jüngeren, und mit wachfinder Lust lernten und lehrten sie an der Hand ihres unermüdlichen Kommandeurs. Aber mit den alten, eingerosteten Majors und Kapikains war wenig oder nichts anzufangen. Aork ver suchte dies und das; wo irgend möglich, suchte er ihnen nachzuhelfen, gab ihnen wohlinstruirte junge Offiziere zur Peile, versuchte sie durch Besprech ungen aufzuklaren. Sie sollten zu Pferde die Uebungen leiten; allerdings mußten sie etatmäßig Pferde haben; aber es war seit Menschengedenken im Korps üblich, daß sie diese ihre Verpflichtung in Kutschpferden leisteten, um mit Frau und Kind spazieren fahren zu können; sie blieben auch jetzt bei der Gewohnheit und begnügten sich, mit ihren Kutschpferden in die Manöver zu reiten. Das war mehr als alles Andere, Aorks Aerger. Er ließ keinen Anlaß vorübergehen, wenn die alten ' Herren auf ihren feisten, undienstmäßigen Gäu len hinschlenderten, drein zu fahren, sie bis aus das Aeußerste zu Hetzen: „Reiten Eie, reiten Sie, Herr Hauptmann, brechen Sie den Hals, wenn es nicht anders gehen will; warum reiten Sie solche Schindmähren!" Und sie jagten auf Leben und Tod, um das verwünschte Ende der schon bekann ten Redeweise nicht mehr zu hören. In diesem Geiste äußerster Strenge verfuhr er unablässig und trieb die Ungeschickten bis zur förmlichen Verzweiflung. Dagegen müssen wir auch hervor heben, daß er mit besonderem Takte eben Diejeni gen, die er im Dienst auf das härteste angelassen, Abends, wenn sie ihn in seinem Garten besuchten oder mit ihm in der Ressource zusammentrafen, völlig kameradschaftlich und ohne die geringste Er innerung an die peinlichen Vormittagsstunden be handelte. Kam einer der Herren, ihn zur Rede zu setzen, so empfing er ihn mit der ihm eigenen vornehmen Höflichkeit, unterhielt ihn sehr angele gentlich und ließ ihn nicht zu deiy Anlaß seines Besuches kommen; und unterbrach dann Jener, etwa weil der Dienst oder ein Geschäft ihn erwarte, so hieß es: „Ich will Eie nicht aufhalten; wir sprechen bei besserer Muße davon; essen Sie heute mit uns" und dergleichen, und mit freundlicher Entschiedenheit war der Kläger hinaus komplimen- tirt. — Die Mannschaft dieses Korps bestand nur aus gelernten Jägern, meistens Söhnen von Forst beamten, die so lange im Regimenle blieben, bis sie in dem Forstdienst eine Anstellung erhielten. Sie wurden, das einzige Korps in der ganzen damaligen preußischen Armee, mit „Sie" angeredet und hat ten mancherlei Freiheiten. Aork war durchaus nicht der Ansicht, die höhere Meinung, welche sie von ihrem Korps hatten, brechen zu müssen'; er verstand es, sich derselben zu bedienen, um das Ehrgefühl und den Wetteifer Aller zu beleben. Meißner Calender F