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der Einwohner. In Podolien, der Ukraine und anderen Provinzen Rußlands brachen Bauernaufstände aus. Vor Sebastopol erstürmten am 2. die Alliirten die wichtige Zentralbastion. Der französische Obergeneral Canrobert legte am 19. den Oberbefehl nieder, den General Pelis- sier übernahm; Canrobert behielt blos das Kommando einer Division. Es kam nun für einige Zeit etwas mebr Leben in die Unternehmungen der Alliirten, die in den Nächten vom 22. zum 23. und vom 23. bis 24. nach furchtbar blutigen Kämpfen die Außenwerke der Quarantänebastion eroberten und am 25. die Tschernaga- linie besetzten. Gleichzeitig ging ein Theil der englisch französischen Flotte mit Landungstruppen nach demAsow'- schen Meere ab, besetzte die von den Russen fast gar nicht vertbeidigten Punkte Kertsch und Jenikale, woselbst sie ungeheure Vorräthe eroberten und die Verbindung der russischen Krimarmee mit den kaukasischen Besitzungen unterbrachen. Die sardinischen Truppen, die zu Anfänge des Monats in der Krim angekommen 'waren, batten keine Gelegenbeit erhalten, sich an den staktgehabten Kämpfen zu betheiligcn und äußerten deshalb unverhohlen ihreMißstimmunz über den englischen Oberbefehl. Juni. Die Dresden-Tharander Eisenbahn ward am 28. eröffnet. In dem schon öfters durch Feuersbrünste heimgesuchten Kirchberg brach am 14. wieder eine solche aus. — Aus einer amtlichen Veröffentlichung der öster reichischen Staatseinnahme und Ausgabe im Jahre 1854 ersehen wir, daß die Gesammtausgabcn in dem genann ten Jahre 38k Millionen, die Gcsammteinnahmen nur 245 Millionen Gulden betrugen, daß also in einem ein zigen Jahre ein Defizit von 141 Millionen entstanden ist, dessen Deckung dein neuen Finanzminister manch Kopf zerbrechen machen wird. Der Kaiser Franz Josef machte eine Reise nach Galiziey, um die dort gegen die russische Grenze ausgestellte Armee zu besichtigen, die daraus durch Beurlaubungen und Entlassung der Reserven ^bedeutend verringert wurde, zur unangenehmen Ueberraschung der Wcstmächte, die immer noch an eine beabsichtigteTheilnahme Oesterreichs am Kriege gegen Rußland geglaubt zu haben schienen — Wiederholte Aicberanfälle. die den König von Preußen befielen, veranlaßten das Gerücht von einer ernsten Krankheit desselben, dem aber widersprochen wurde. — In Hamburg verwarf die Bürgerschaft die vom Se nate vorgclcgte neue Verfassung, von der behauptet ward. Laß sie schlechter noch sei als die alte. Die Anwerbungen zur englischen Fremdenlegion nehmen einen schnellen Fortgang, seitdem auf der Insel Helgoland eine Werbe- Lepot errichtet worden ist. — Der von Roebuck bean tragte Untersuchungsausschuß des englischen Parlaments hat seine Arbeit beendigt und tadelt in seinen Berichten in ernsten Worten die Leitung und Verwaltung der Ar mee und der Krimeppedition. Auch mit der Verwal tung deS Landes zeigt sich eine immer weiter um sich greifende Unzufriedenheit, die bereits zur Bildung eines mit Geldmitteln hinreichend versehenen Vereins für administrative Reform geführt hat, eines Ver eins, dessen Bestehen in Deutschland zu den Unmög lichkeiten gehören würde. — Die Unzufriedenheit mit den Kortes und dem Ministerium, die überall in Spanien sich laut aussprach, führte hie und da zu Unordnungen, und diese wieder hatten zur Folge, daß die ganze Provinz Katalonien in Belagerungszustand erklärt wurde. — Es war vorruSzusehen, daß der beschlossene Verkauf der Kirchengüter in Sardinien und Spanien den Zorn der gesamntten katholischen Geistlichkeit und besonders deS päpstlichen Stubls wecken müßte; und so ist es denn nicht zu verwundern, daß der Papst eine förmliche Pro testation erlassen bat, der indeß vor der Hand die betheiligten Regierungen keine Wirkung zugesteben werden. — Bei der neuangeordnetcn Nckrutirung in Rußland ist befohlen worden, daß man, um die vorgeschriebene Zahl der Rekruten zusammenzubringen, wo nöthig selbst bis ins 37. Jahr greifen und auch einzige Söhne auSheben soll, worin wohl der Beweis liegt, daß durch die vielen Rekrutenaushebungen das Land bereits von tauglichen jungen Leuten entblößt ist. Die englisch-französische Flotte in,der Ostsee bat, obgleich sie weit stärker ist als im vorigen Jahre und über 100 Segel zählt, bis jetzt auch nichts Bedeutendes ausgerichtet. Sie segelte vor Kronstadt und legte sich dort vor Anker; die russische Flotte aber blieb ruhig hinter den schützenden Festungs mauern. Das Beschießen kleiner Küstenbefestigungen am finnischen und-bolhnischen Meerbusen, das Wcgnebmen russischer Kauffabrer und das Verbrennen von Vorräthen ist Alles, was wir bis jetzt über die Tbaten derverbündeten Flotte berichten können. Bei einer NekognoszirungSfahrt in der Näbe von Kronstadt stieß die englische Dampf fregatte Merlin auf unter dem Wasser von den Ruffen angebrachte EpplodirungSmaschinen; die Ervlosion erfolgte indeß ohne Schaden. Da nun die Engländer darauf aufmerksam gemacht waren, so wußten sic eine bedeutende Anzahl derselben mit großem Geschick unter dem Wasser aufzusinden und herauszuheben. Der Ueberfall eines unter Parlamentärflaggc ans Land geschickten englischen See offiziers und seiner unbewaffneten Leute bei Hangöudd, die von den im Hinterhalte liegenden Russen theils nieder- geschogen, theils gefangen wurden, spricht nicht für rus sische Humanität. Vor Sebastopol unternahmen am 7. die Alliirten einen neuen Sturm gegen den Malachow- tburm und eroberten die vor demselben liegenden russischen Werke. Hierauf richteten sie am 17. ein 24 Stunden lang ununterbrochenes heftiges Feuer gegen den Malachow- thurm selbst, worauf sie am 18. gegen dieses feste Werk anstürmten, aber blutig zurückgeschlagen wurden. Glück licher-war die in Las Asow'sche Meer geschickte Abtheilung kleiner Dampfer und Kanonenboote, die nach und nach die an der Küste gelegenen Städte Taganrog, Mariupol, Berdiansk und andere angriff, ungeheure dort zum Unter halt der russischen Krimarmec aufgehäufte Vorräthe ver brannte und die Verbindungswege nach der Krim zerstörte. Einige der bei der Einnahme von Kertsch und Jenikale tbätig gewesenes englischen und französischen Schiffe mit Landungstruppen an Bord erschienen vor Sudschuk-Kale und Anapa, den beiden letzten und stärksten der russischen Festungen an der asiatischen Seite Les schwarzen Meeres. Die Russen aber warteten einen Angriff nicht ab, sondern verbrannten und sprengten selbst die Festungswerke und zogen sich in das Innere zurück. Während dies geschah, hatte der russische General Murawieff seine Armee bedeu tend verstärkt und zog nun gegen die türkische Festung Kars, ohne jedoch bis jetzt die Belagerung zu beginnen.