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in der Mitte des Monats war kein Russe mehr in den Donaufürstenthümern. Dagegen waren die russischen Gar den aus Petersburg nach Polen marschirt und hatten dort mit anderen russischen Lruppenkorps starke Stellungen gegen Oesterreich eingenommen, das damals sich mit den West mächten gegen Rußland verbinden zu wollen schien. — In Rußland sowohl als in Frankreich fanden neue Rekruten aushebungen statt. Nicht blvs an den Küsten des schwarzen Meeres findet der Kampf zwischen den Russen und den West mächten statt, auch an den Küsten des stillen Meeres; in Kamtschaika wird am 1. Sept die russisch? Festung Pctro- paulowsk von einigen englischen und französischen Kriegs schiffen beschossen, die sich jedoch nach tapferer Gegenwehr der Russen vielfach beschädigt zurückziehen müssen, worauf der englische Admiral Price sich mittels eines Pistolenschusses selbst das Leben nahm. — Die schon einige Jahre hindurch in China stattsindcnde Rebellion macht immer weitere Fort schritte in diesem eulferntcn großen Reiche, bereits bedrohen die Rebellen Kanton. Oktober. In Dresden wurde am 10. ein außeror dentlicher Ständelandtag eröffnet. Kurz vorher, am 4., fand ebenfalls in Dresden die jährliche Versammlung deut scher Architekten und Ingenieure start, die nach Beendigung ihrer wissenschaftlichen Besprechungen eine Lustfahrt nach Meißen machten, wo sie mit gutgemeinter und herzlicher Gastfreundschaft ausgenommen wurden. — Die von dem dänischen Ministerium bewirkte Oktroyirung einer Gcsammt- Verfaffung fand im ganzen Lande lebhaften Widerspruch. Im dänischen Reichstage erhob sich ein- feste Opposition, worauf am 21. das Volksthing, die zweite Kammer, auf gelöst wurde, nachdem cs in einer mißliebigen Adresse sich gegen das Ministerium ausgesprochen hatte. Mehr Ver legenheit als die Opposition des Volkes machte der dänischen Regierung die Opposition der Vereinigten Staaten gegen den Sundzoll. Die Regierung der Vereinigten Staaten kündigte förmlich den Vertrag wegen fernerer Zahlung die ses Zolles. — Die bereits weit vorgerückte Jahreszeit nö- thigte die englische Flotte, die russischen Ostsceküsten zu ver lassen. Nur einige leichte Schiffe blieben in der Nähe, die anderen gingen zunächst nach Kiel und von dort mit dem frühen Eintritt des Winters sämmtlich nach England zu rück. — In den ersten Tagen dieses Monats ließ sich halb Europa durch die angeblich von einem Lartarea nach Bu karest gebrachte Nachricht von der erfolgten Uebergabe von Sebastopol narren. So unwahrscheinlich sie klang, so fand sie doch überall Gläubige, ja selbst der Kaiser Napoleon deutete in einer Rede an die Truppen im Lager von Bou- logne darauf hin, und in Paris waren bereits die Kanonen dec Invaliden geladen, um beim jeden Augenblick erwarteten Eintreffen der offiziellen Nachricht abgefeucrt zu werden. Sic sind bis heute noch ungelöst. Der Marschall St. Ar- naud war nach der Schlacht an der Alma schwer krank auf ein Schiff gegangen und hatte den Oberbefehl über die fran zösischen Truppen vorSebastopol dem General Canrobcrt über geben ; er selbst starb äuf der Ueberfahrt nach Konstantinopel. Der'General Canrobertjhg Verstärkungen, die ihm aus Frank reich und von dem franz. Okkupationökorps in Griechenland nachgeschickt wurden, an sich und begann dann, ohne doch die Stavt ganz einschlicßen zu können, eine regelmäßige Belagerung. Unterdessen zogen auch die Russen, große Ver stärkungen an sich, und Menschikoff rückte wieder von Sym- pheropol nach Sebastopol. Eine Anzahl russischer Kriegs schiffe wurde am Eingänge des Hafens versenkt, um der englisch-französischen Flotte das Einlaufen unmöglich zu ma chen, und als endlich am 17. das Bombardement begann, hatten die Russen auch die Südseite dec Stadt stark befestigt. Die zu gleicher Zeit von der See aus angreifenden englisch französischen Schiffekonnten oerFestung nicht nahe genug kom men, um auf die starken Mauern kräftig cinzuwirken, wäh rend sie selbst mehrfach beschädigt wurden und sich zurück ziehen mußten. Der fühlbarste Verlust, den an diesem Tage die Russen erlitten, war der Tod des Admirals Ksrnüoss. Nachdem die Alliirtcn das Bombardement noch einige Tage mir gleich geringem Erfolge fortgesetzt hatten, stellten sie es fast ganz ein, um erst schwerere Batterien und in größerer Nähe zu errichten. Mittlerweile überfielen die Russen unter General Liprandi die von den Engländern und einigen Ba taillonen Türken schlecht bewachten Belagerungswerke, erober ten einige Redouten, wurden aver nach einer hartnäckigen Schlacht, in der die Engländer, fast ihre ganze leichte Ka vallerie verloren, nach Sebastopol zurückgeworfen, doch ge lang es ihnen, auf einigen für die Alliirten gefährlichen Punkten festen Fuß zu behaupten. — Zwar wurden in Spanien die Güter Christinens mit Beschlag belegt, al lein die würdige Dame hakt: fabelhaft große Summen in England und Frankreich in Sicherheit gebracht, deren Er trag ihr ungeschmälert blieb. November. Am 1. wurde die Eisenbahn, die die Zwickauer Steinkohlenwerke mit der sächsisch-baierischcn Ei senbahn in Verbindung setzt, in ihrem ersten Theile bis zur Königin-Maricnhülte dem Verkehr übergeben und dadurch den dortigen bedeutenden Kohlenwerken ein erweiterter Absatz gesichert. — Die preußische« Kammern wurden am SO. in Berlin eröffnet. Von ihrer Lhärigkeit ist so wenig zu sa gen als von der anderer deutscher Kammern. Zwischen Preußen und Oesterreich werden neue Uebcrcinkünfte ge schlossen, und zu gleicher Zeit vermehrt Oesterreich seine Kriegsrüstungen. — Auch in Altenburg wurde der Landtag eröffnet. — Der Winter stellte sich überall in Deutschland un gewöhnlich früh ein; schon in der Mitte des Monats gab cs so heftigen Schneefall, daß viele Landstraßen und Eisen bahnen Tage lang unfahrbar waren. — Um mehr fran zösische Truppen nach der Krim senden zu können und doch den kaiserlichen Thron auch noch immer nicht schutzlos zu lassen, wirv die ganze französische Armee in der Art ver mehrt, daß jedes der 100 Linieninfantericregimenter ein neues Bataillon erhält,- auch die kaiserliche Garde wird verstärkt. — Am 5. griffen die Russen von Neuem bei Inkerman das englisch-französische Lager vor Sebastopol an, wurden aber auch diesmal Nach mehrstündigem Kampfe mit großem Verlust zurückgeschlagen. Das war für lange Zeit die letzte frohe Nachricht, die nach England und Frank reich aus der Krim gelangte. Heftige Stürme im schwarzen Meere thaten ven Flotten großen Schaden, gefährliche Krank heiten brachen unter den Truppen aus, die schlecht oder gar nicht gegen die Ungunst der Witterung geschützt waren; auch der Prinz Napoleon, der Vetter des Kaisers, mußte Krankheit halber die Krim verlassen und nach Konstanti nopel gehen. In Frankreich, wo die Presse polizeilich streng überwacht ist, erfuhr man anfänglich wenig von dem schlechten Zustande des Heeres, doch schon genug, um Besorg nisse zu wecken, so daß der Kaiser einen seiner Adjutanten zur Berichterstattung hinschickte. In England aber, wo wirkliche Preßfreiheit besteht, wurden bald die beunruhigend sten Nachrichten bekannt, und vergeblich versuchten Regie rungszeitungen zu widersprechen. — Nachdem die Russen die Donaufürstcnthümer vollständig geräumt, erhielt, wie es scheint, auf österreichischen Antrieb Omer Pascha von Kon-