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EM Zweite Anlage zu Ar. 117 des sächsischen Lrzähl'ers BischofSwer-a, de« 8. Oktober 1V04. Zur Heidelberger Eisenbahnkouferenz. Tie dieser Tage in Heidelberg abgehaltene Konferenz von Vertretern der süddeutschen Staats- bahnvcrwaltung und der preußisch - hessischen Eisenbahngemeinschaft kann wohl als die Einleitung zu einer intimen Annäherung der süddeutschen Eisenbahnverwaltung an die Eisenbahngemcinschaft im Norden betrachtet werden Bekanntlich hat man sich auf dieser Konferenz dahin geeinigt, daß eine Betriebsmittelgemeinschast zwischen Prenßen, Baiern, Württemberg und Baden anaestrebt werden soll Die weitere Bearbeitung der in Betracht kommenden Fragen wird durch eine von den beteiligten Staaten zu beschickende gemeinsame Kommission erfolgen Die Betriebsmittelgemein- schast bezweckt die gemeinschästliche Benutzung der Lokomotiven, der Personen-, Gepäck- und insbe sondere der Güterwagen Durch solche Gemein schaft wird vermieden, daß ohne den geringsten Grund Güterwagen leer hin und her laufen, und daß auf den Uebergangsstationcn wie bisher zum Zwecke besondere Uebergabeverhandlungen ein Aufenthalt für Güterwagen entsteht. Freilich ist dies Ergebnis der Heidelberger Eisenbahnkonferenz nnr ein mäßiges, aber es konnte wenigstens einigen bislang besonders schwer empsundenen Uebelständen im Eisenbahnverkehr abhelfen, so namentlich dem überflüssigen Wagenwcchscl, womit zugleich der so empfindliche Wagenmangcl eine gewisse Milderung erfahren würde. Die Beseitigung der bisherigen Dezentralisation im deutschen Eisenbahnwesen wird sich allerdings nur dann als ein wirklicher Vorteil erweisen, wenn es vermieden wird, eine übermäßige Zentralisation der Betriebsleitung herbeizuführen; in Preußen hat es sich ja schon herausgestellt, wie sehr die Disposition über Betriebsmittel durch zu starke Zentralisation leiden kann. Es ist deshalb auch vorerst nur als eine Art Experiment anzusehen, ob die Bctriebsmittelgemein- schaft wirklich das halten wird, was man sich von ihr verspricht. Gelänge aber dieser Teil des Eiscnbahneinhcitsprogrammes, so wäre alsdann auch der Finanzgemeinschaft der Weg geebnet. Der Augenblick hierfür ist deshalb vielleicht auch jetzt noch nicht gekommen, weil einstweilen erst noch in den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten mehr als bisher die Ueberzeugung durchdringen muß, daß die Eisenbahnen nicht so nach fiskalischen Rücksichten, sondern vielmehr im Interesse des Verkehrs zu betreiben sind. Erst wenn dieser Grundsatz anerkannt ist, könnte die Hoffnung gehegt werden, daß die Finanzgemeinschaft im deutschen Eisenbahnwesen einen Fortschritt bildete, der von der Bevölkerung mit Sympathie ausgenommen und sich hiermit auch als eine wahre Stärkung des Reichseinheitsbewußtseins bewähren würde. Schon jetzt aber wird man wohl die Erwartung aussprechen dürfen, daß diese künftige Gemeinschaft zwischen der preußisch-hessischen Eisenbahngemein schaft und den süddeutschen Eisenbahnverwaltungcn sich schließlich auch auf die anderen noch selbst ständigen Eisenbahnverwaltungcn Deutschlands erstrecken werde, namentlich auch auf die wichtige sächsische Staatsbahnverwaltung. Ausfälligerweise ist gerade Sachsen mit seinem reich entwickelten Bahnnetz auf der Heidelberger Eisenbahnkonferenz nicht vertreten gewesen; ob dieses Fernbleiben Sachsens von den soeben in der altberühmten Neckarstadt gepflogenen Beratungen zwischen den Vertretern Preußen-Hessens, Baierns, Badens und Württembergs nur auf zufälligen Umständen oder aber auf tiefer liegenden Gründen beruhte, dies muß noch dahingestellt bleiben. Jedenfalls muß aber bestimmt gehofft werden, daß die anzubahnende Eisenbahngemeinschaft nicht bloß auf Preußen und die genannten süddeutschen Staaten beschränkt bleibt, sondern daß sie auch Sachsen und die weiteren Bundesstaaten mit noch selbständigen Bahnbetrieb umfassen wird. An die Ersetzung der heutigen verschiedenen Eisenbahnsysteme in Deutsch land durch ein wirkliches Reichseisenbahnsystem ist wegen der hierbei zu überwindenden Schwierigkeiten noch auf lange nicht zu denken. Mit um so größerer Genugtuung wäre es daher zu begrüßen, wenn wenigstens im Rahmen der Betriebsmittel und Finanzgemeinschaft ein Zusammenschluß aller deutschen Bahnverwaltungen erfolgte, die er sprießlichen Wirkungen und Folgen eines solchen einheitlichen Zusammenschlusses würden sich gewiß nach mehr als einer Seite hin zeigen. Q Deutsches Reich. Der Kaiser hat seinem Jagdaufrnthalte in MMa^MaaMtka einen solchen in HubertuSstock Nachfolgen lasse«»/ woselbst seine Snkunst am Spät abend des 6. Oktober erfolgte. Aus der Reise von Romintrn nach HubertuSstock besuchte der Monarch Königsberg und Danzig; in letzterer Stadt wohnte er am Donnerstag der feierlichen Einweihung der technischen Hochschule bei. Gleich- zeitig mit dem Kaiser verließen auch die Kaiserin und die Prinzessin Luise Viktoria Schloß Rominten und begaben sich zunächst nach Potsdam zurück. Berlin, 5. Oktober. Der Kaiser hat bei seinem Jagdausrnthalt in Ostpreußen das Glück gehabt, einen Achtundzwanzigender im Belauf BluSdzrn zu schlißen. In seiner WeidmannSsreude hat er den Hegemeister deS Belauf- mit einem ansehnlichen Geldgeschenk bedacht. DaS TelrgrammdeS Kaisers an den Grafen Leopold zur L.ppe-Btesterfeld, in welchem der Monarch die Anerkennung der Regentschafts übernahme in Lippe-Detmold durch den Grasen Leopold, sowie die Vereidigung deS lippeschrn Militärkontingents auf den Graf-Regenten ver- weigert, bildet daS Ereignis der Woche. In der Presse aller Parteien hat diese markante persönliche Meinungsäußerung drs Kaisers in dem lippeschrn Thronfolgestrelt eingehende Beachtung gesunden; meist wird in den Kommentaren zu dem kaiserlichen Telegramm der persönliche Charakter dieser Kund gebung hervorgehobcn und auf die bedenklichen Konsequenzen hingewiesen, welche unter Umständen rin solches Eingreifen des Reichsoberhauptes in die Angelegenheiten der Einzelstaaten nach sich ziehen könnte. Recht sympathisch berührt die feste Haltung der lippeschrn Regierung gegenüber der kaiserlichen Kundgebung. In der Eröffnungssitzung des Detmolder Landtages am Mittwoch gab Staatsmintster Gevekot bei Begründung der eingebrachten Vorlagen über die Regentschaft und die Thronfolgefrage die Erklärung ab, daß die fürstliche Regierung entschlössen an dem Landgejetz sesthalte, welches die Regentschaft des jetzigen Gras-Regenten Leopold ausspreche. Weiter betonte der Minister, daß dem Kaiser kein Recht zustehr, sich in die ltppesche Landesgesetzgebung einzumischen, und drückte schließlich die Hoffnung aus, daß der BundeSrat einen unparteiischen Schiedsgerichtshof zur gerechten Entscheidung der lippeschrn Thron- folgefroge schaffen werde. Gewiß kann man nur aufrichtig wünschen, daß der unerquickliche neue Streit um den lippeschrn Thron durch einen solchen Rechtsspruch endlich zum Abschluß kommen möge; hoffentlich wird auch der Reichstag in die Lage versetzt, sich mit der Sache zu befassen. Berlin, 5. Okt. Die Vermählung drS Kron prinzen soll, wie nach dem „Bert. Lokalanz." neuerdings verlautet, am 22. März nächsten Jahres stattfinden. Berlin, 5. Okt. Der Aufenthalt deS Reichs kanzlers in Homburg wird nach den bisherigen Dis positionen noch etwa IV, Wochen dauern. In diesem Zusamenhang, schreibt die „Tägl. Rund schau", sei noch etwas anderes richtig gestellt: Italienische Blätter haben den Besuch deS italieni schen Ministerpräsidenten Giolttti in Homburg damit in Verbindung gebracht, daß der Kaiser bet der Taufe des italienischen Kronprinzen Pathen« stelle übernehmen werde. Dies ist aber bisher noch nicht in Frage gekommen. Während der abgelausenen Woche waren der evangelische Bund in Dresden und der Protestanten tag in Berlin versammelt. In Posen fand am Mittwoch die feierliche Eröffnung des neuen Kaiser-Frirdrich-Museum» statt. Der Verband deutscher Krankenpflege- Anstalten vom Roten Kreuz ist in Kiel zu seiner Jahresversammlung zusammengetretrn. Bon der deutschen Kaiserin, der Königin von Württem berg und der Großherzogin von Baden waren BegrüßungStrlegrammr eingrgangen. Die Ver sammlung sandte der deutschen Kaiserin als der Protektorin des verband» ein HuldtgungStelegramm. Schwerin, v. Oktbr. Die „Mecklenburgische Zeitung" teilt mit, der RetchStagSabgeordnrte für den 2. mecklenburgischen Wahlkreis Schwertn-WtS- mar, RegterungSrat Drüscher (kons.) legte sein Mandat nieder. Berlin, 6. Oktbr. Im Lazarett Okahandja am 4. Oktober gestorben am Typhu» Seesoldat Schmidt, 3. Kompagnie Marine-Expeditionskorps, geb. 26. Januar 1883 zu Tharand (Dresden), Sergeant Roese in Waterbera. Am Typhu» starben ferner: di, Reiter Frank, Pape, Geislinger, Gefreiter Prur, die Reiter Urban, Herm.Rofe und Zmiatfcher. Oesterreich. Wien. Da» „Fremdenblatt" meldet au» Gmunden: Die Tatsache, daß Prinz Georg von Braunschweig-Lüneburg den kommenden Winter in Aegypten zuzubrtngen gedenkt, hat da» Gerücht von einer ernsten Erkrankung de» Prinzen ver anlaßt. Bon einer solchen ist jedoch hier nicht» bekannt. E» ist nur richtig, daß Prinz Georg vor Jahresfrist bei der Erkrankung seines Bruders sich an Masern infizierte, auf die al» Folgrkrankhrit eine Nierenentzündung eintrat, dir eine schmerzhafte Komplikation zurückgrlassen hat. Ja der Angelegenheit der Prinzessin Luise von Koburg zeigt man an den Wiener zuständigen Stellen endlich Entgegenkommen. Wie au» Wien gemeldet wird, bewilligte das kaiser liche Obrrhosmarschallamt in seiner Eigenschaft al» Kuratelbehörde für die Prinzessin Luise die erneute Prüfung de» Geisteszustandes derselben. Leitmerttz. (Evangelische Bewegung.) Am letzten Sonntag fand hier in einer au» allen Schichten der Bevölkerung vertretenen größeren Versammlung die Gründung eines Zwetgveretn» de» Evangelischen Bundes statt, die einen sehr schönen und verheißungsvollen Verlauf nahm. Zum Beitritt zu dem Verein meldeten sich auch viele Katholiken. Italien. Die Titel der Prinzen de» italienischen Königshauses haben eine Neuregelung erfahren. DaS römische Amtsblatt veröffentlicht ein könig liches Dekret, durch welches den Söhnen de» Herzogs von Aosta solgende Titel verliehen werden: Dem Prinzen AmadeuS der Titel Herzog von Apulien, welchen sortdann stets die erst geborenen Prinzen des Hauses Savoyen-Aosta tragen sollen, und dem Prinzen Haimon der persönliche Titel Herzog von Spoleto. Ein zweites Dekret verleiht dem ältesten Sohne de» Herzogs von Genua, dem Prinzen Ferdinand den Titel Prinz von Udine, welchen Titel fortan die erstgeborenen Prinzen des Hauses Savoyen- Genua sühren sollen und den anderen Söhnen deS Herzog», den Prinzen Philibert und Adalbert die persönlichen Titel Herzog von Pistoja, bez. Herzog von Bergono. Balkanhalbinsel. In Mazedonien geraten jetzt die bulgarischen Banden mit griechischen und serbischen Banden zu sammen. Vergangene Woche hat bet Osttma süd westlich von Florina (Wtlajet Monastir) eine bul garische Bande eine griechische Bande angegriffen. Der Kampf dehnte sich bis Bukevik aus. Der Kommandant der Gendarmerie ist mit zwei Kompagnien Jägern dorthin abgegangen. Gleich falls vergangene Woche Hot zwischen den Dörfern von Kruschrwo zwischen bulgarischen und serbischen KamttatschiS rin erbitterter Kampf unter Verluste» auf beiden Setten stattgefunden. Portugal. Dir schwierigen Verhandlungen zwischen Frankreich und Spanten über Marokko haben endlich zum Abschlüsse eines Abkommens geführt, daS bereit» unterzeichnet worden sein soll. Da» Abkommen erweitert die spanische Interessensphäre in Marokko nicht unwesentlich, weshalb man sich denn auch in den Madrider Regierungskrisen von demselben recht befriedigt zeigt. Spanien. In der Deputtertenkammer teilte am Mittwoch der Marinemtnister Gorsao mit, daß eine von der unter dem Befehl de» früheren Gouverneur» von MossamrdrS und Hulla Kapitän» Toao stehenden Expedition gegen die KuanfamaS abgezwetgte Ab teilung beim Urbrrgonge über den Kumrnefluß vom Feinde überrascht und heftig angegriffen worden sei. Die au» 4S9 Mann bestehende Abteilung habe 2V4 an Toten und SO an Verwundeten ver loren. Unter den Toten seien IS Offiziere. Die Hauptkolonne sei auch in da» Feuer gekommen, habe aber keine nennenswerten Verluste erlitten. Rußland. St. Petersburg. Nach amtlicher Meldung erkrankten an der Cholera in Baku vom 27. Sept, bi» 4. Oktober 111 Personen, e» starben 61. Ja Saratow erkrankten in demselben Zeitraum 13 Personen, S starben. Die Zahl her in der Woche Erkrankten in Saratow überstieg nicht 13. England. Der früher« englische Minister Chamber- lata hat am Mittwoch in einer großen Berfa««, lung in Luton eine Rede gehalten, in welcher er erneut für feine Tartfvorfchläge eintrat. Er führte daria au», daß die engUfch, Regie«ng. Wder die