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Inzwischen hat die fürstlich schaumburg. ltppe'sche Regierung den schon angekündtgten Protest gegen die Uebrrnahme der Regentschaft von Lippe- Detmold seitens des Grafen Leopold von Lippe- Biesterfeld beim BundrSrate eingerricht. Wie der „Berliner Lokalanzrtger" von „besonderer Sette" erfährt, stützt sich dieser Protest im wesentlichen auf die Behauptung, daß dir Berufung des Grafen Ernst als Regenten sich als eine Borweg nahme der durch den Landtag zu vollziehenden Regrntenwahl darstrllt. Das Gesetz vom 24. März 1898 habe der Frage der Thronfolge berechtigung und Fähigkeit des Grasen Leopold tn keiner Weise präjudizierrn wollen. Schaumburg- Lippe erstrebe nichts anderes, als eine loyile Ent scheidung des BundeSrateS über diejenigen Rechts fragen, welche zwischen den Parteien streitig seien. UebrtgenS habe der verstorbene Gras-Regent in den letzten Monaten seines Lebens In einer un mittelbaren Kundgebung erklärt, das Recht seiner Linie Schaumburg gegenüber der Entscheidung eines unparteiischen Gerichtshofes anvertrouen zu wollen. Ferner heißt es, der Protest verlange bis zur endgtlttgen Regelung der ganzen Streit frage die Einsetzung einer anderweitigen Regent schaft in Lippe-Detmold. Zur Homburger Begegnung zwischen dem Reichskanzler Grafen Bülow und dem italienischen Ministerpräsidenten Giolttti werden noch immer allerhand Nachklänge laut. So weist die offiziöse „Trtbuna" in Rom aus die Unrichtigkeit ver schiedener Vermutungen der Presse über die Zu sammenkunft Giolittis mit dem Grafen Bülow hin und erklärt die der „Times" aus Berlin telegraphierte Meldung für unbegründet, daß Giolttti den Grasen Bülow besucht habe, um mit Deutschland eine für die beabsichtigte Verstaat lichung und Betriebsübcrnahme der Eisenbahnen notwendige Anleihe abzuschlirßen. Das Blatt sagt, jene Nachricht sei unbegründet, weil das gegenwärtige italienische Kabinett in der Lage sei, die geschäftlichen Abwickelungen der Bahnen und die BetrirbSübernahme derselben ohne Emission einer inneren Anleihe und ohne Zuhilfenahme eines auswärtigen Kredits in die Wege zu leiten. Weiter berichtet der römische Korrespondent eines Pariser Blattes, daß Giolittis Reise nach Homburg die Ergänzung der Reise TittoniS nach Abbazia sei. Giolttti habe auf dem Umwege über Hom burg Wien beeinflussen wollen, um die letzten Meinungsverschiedenheiten zwischen Italien und Oesterreich zu zerstören und habe auch den Fall Gegkorgts besprochen. Des weiteren wurde auch die Frage der Patenschaft des Kaisers bet dem italienischen Kronprinzen gestreift. — Na, vielleicht erfährt man doch einmal, welche Fragen und Er eignisse in Homburg zwischen Bülow und Giolittt eigentlich zur Erörterung gekommen sind! Dem „Reichsanzriger" zufolge ist der Im Rekchseisenbahnamt aufgestellte Entwurf einer neuen Eisenbahn-Bau- und Betriebs- Ordnung dem Bundesrat zugegangen, nachdem er mit Vertretern der Regierungen tn zwei Kon ferenzen, zuerst im Frühjahr 1903 und tn zweiter Lesung im Frühjahr 1904 auf das sorg fältigste durchberatcn worden ist. Er enthält tn sechs Abschnitten die allgemeinen Vorschriften für den Bau neuer und den baulichen Zustand bestehender Bahnen, für den Bau, die Ausrüstung und Unterhaltung der Fahrzeuge, für die Hand habung des Bahnbetriebs und der Bahnpolizei und endlich Bestimmungen für das Publikum. Von Interesse wird es sein, daß für Hauptbahn züge unter besonders günstigen Verhältnissen künftig eine größere als die bisher gestattete Höchst geschwindigkeit von 100 Km in der Stunde zu gelassen werden kann und auf Nebenbahnen unter gewissen Bedingungen 50 km statt bisher 40 km in der Stunde statthaft sein sollen. Aussehen erregt dir Verhaftung des Vor stehers des Gehrimbureaus der Germaniawerft in Kiel, W. Barkemeyer. Derselbe ist dringend verdächtig, sich KonstrukttonSpläne und Zeich nungen von Schiffsmodellen der Germaniawerft widerrechtlich angeeignrt und gegen eine größere Geldsumme einer anderen deutschen Werft angr- botrn zu haben. Die Untersuchung gegen Barke meyer, dir unter Mitwirkung eines Berliner Krtminalwachtmeisters geführt wurde, schwebt be reits seit einigen Tagen. Die Zeichnungen sind bis zu Barkemeyer gelangt, dann aber abhanden gekommen. Der Verhaftete bestreitet jede Schuld. Dir vettere Untersuchung dürste aber bald Klarheit tn die Angelegenheit bringen. — Die HandelS- vertragSverhanvlungen zwischen Deutschland und Rumänien stehen gutem Einvernehmen nach vor ihrem Abschlüsse. — Dem Professor Robert Koch, dem berühmten Forscher, ist die erbetene Ent- lassuug aus seinem Amte als Direktor des In stitutS für Infektionskrankheiten tn Berlin vom Könige von Preußen mit PrnstonSgrwährung be willigt worben. Der jüngste Besuch des Königs Karl von Rumänien am Wiener Hofe besitzt zweifellos politische Bedeutung. So hatte der König am Donnerstag wie am Freitag längere Besprechungen mit dem österreichisch-ungarischen Minister des Aeußrrrn Grasen ToluchowSki; außerdem empfing der König auch den deutschen Botschafter Grafen Wedel. Sollten diese Vorgänge auf eine An näherung Rumäniens an den Dreibund hindeuten? — Die österreichisch-italienischen Handelsbeziehungen haben eine provisorische Regelung erfahren. Auf Grund einer am Freitag tn Wien veröffentlichten Verordnung, brtr. dir Regelung der Handels- beziehungen mit Italien, werden die Zollämter angewiesen, den Verkehr mit Italien vom 1. bis 15. Oktober auf der Grundlage deS 8t»tus yuo zu behandeln. Für die Zett nach dem 15. Oktober werden demnächst besondere Verordnungen er scheinen. Die türkische Regierung will sich ebenfalls Torpedoboote zulegen. Am Freitag ist der Vertrag der Pforte mit den Crrufotwerken wegen Lieferung von Torpedobooten, welche bis zum 1. Juli 1905 zu geschehen hat, unterzeichnet worden. Der Preis für jedes Torpedoboot beträgt 22 500 türk. Pfund. — In türkischen und anderen Kreisen be zweifelt man die Richtigkeit der Blätternachricht vom Auslaufen der russischen Schwarzen - Meer- Flotte. — Auf Kreta Hot ein Wechsel der dort stationierten russischen Truppen stattgefunden. Die abgelösten Truppen sind sür die Mandschurei bestimmt. Von Petersburg aus werden die Meldungen eines auswärtigen Blattes über Ersetzung de» Marineministers Avellan durch Admiral Resch- djestwensky und über weitere Veränderungen im Marineressort sür falsch erklärt. Hingegen dürste Admiral Alexejew abberufen werden. General Kuropatkin bleibt dem Vernehmen nach aus seinem Posten. Als künftiger Oberbefehlshaber wird fort gesetzt Großfürst Nikolai Nikolajewitsch genannt. — Der Zar besichtigte tn den letzten Tagen tn Odessa und anderen südrussischen Städten die nach Ostasien bestimmten Truppen. Die neuen Wirren tn Marokko dauern sort. Der Gouverneur von Arstla, einer Nachbarstadt von Tanger, der Schwiegervater des früheren KrtegsmintsterS El Menebht, ist dort von Leuten aus den Stämmen der Nachbarschaft aus Rache dafür, daß er mehrere Angehörige dieser Stämme hat verhaften lassen, ermordet worden. Die Mörder befreiten nach der Tat alle Gefangenen und töteten viele Bewohner von Arstla, wo jetzt große Aufregung herrscht. Die Behörden haben sich mit der Bitte um Hilfe an den Vertreter deS Sultans in Tanger, Mohamed el Torres, ge wendet. Berlin, 1. Oktober. Die neue Mtttrlmrerretse des Kaisers wird auf ärztliches Anraten erfolgen, da die Seeluft sowohl im Frühjahr im Süden wie im Hochsommer im Norden besonders günstig aus den Gesundheitszustand deS Kaisers etnwirkt. Die Reise findet Anfang des nächsten Jahres nach der Hochzeit des Kronprinzen statt. Berlin, 1. Oktober. Der „RetchSanzeiger" veröffentlicht die Ernennung deS interimistischen BankoorstandeS Kühn zu Großenhain zum Bank vorstand bet der Rrtchsbank und dir Verleihung des Charakters als Geh. Baurat an den Regle- rungSbaurat Rehbein-Letpztg. Berlin, 1. Oktober. Reichskanzler Gras Bülow hat den Präsidenten des Reichsgerichts zum 25jährigrn Bestand der deutschen Justiz organisation in einem längeren Telegramm be glückwünscht. Berlin, 1. Oktbr. Die aus einem Bataillon bestehende Garnison von Detmold ist bisher auf den Namen des neuen Regenten Grafen Leopold noch nicht vereidigt worden. In Detmold wird angenommen, daß die Vereidigung auf den Namen deS Grafen Leopold vorläufig überhaupt nicht stattfinden wird. Berlin, 1. Oktober. Die „Berl.Pol.Nachr." melden, im BundrSrat werden demnächst neue Ab änderungen über die Verordnung der Sonntags ruhe eingebracht werden. Dabei soll den technischen und kommerziellen Interessen, sowie den Arbeitern Rechnung getragen werden. Berlin, 1. Oktober. (Amtliche Meldung.) Der Reiter Max Hermann Klippel, geboren am 27. Juli 1882 tn Beiersdorf (AmtShauptmann- schast Löbau), ist am 27. September im Lazarett Waterbrrg am Typhus gestorben. Berlin, 2. Oktober. DaS Etapprnkommando meldet aus Okahandja, daß die Verbindung mit dem Oberkommando durch Gewitterregen seit vier Tagen unterbrochen ist. Baden-Baden, 1. Oktober. Dl« Groß herzogin-Mutter Anastasia von Mecklenburg, Kron« Prinz Wilhelm und die Herzogin-Braut Cecilie zu Mecklenburg trafen heute hier ein und wurden auf dem Bahnhof von dem Großfürsten Michael Nikolajewitsch, Vater der Großherzogin Anastasia, dem russischen Ministerrrstdenten v. Eichler, dem Generaladjutantrn de» TroßherzogS Friedrich, Generalleutnant v. Müller und dem Obrrschloß- Hauptmann Offensandt v. Berckholtz empfangen. Köln, 1. Oktbr. Wie die Kölnische Zeitung hört, ist mit Geheimrat Robert Koch vom Staate da» Abkommen getroffen, daß er sich für besondere Arbeiten, besonder» auch auf dem hygienischen Gebiete dem Staate weiter zur Verfügung stellt. Auch von dem Institut sür JnsekttonSkrankheiten werden ihm zu wissenschaftlichen Arbeiten reichlich Räume bereit gehalten, und es werden ihm alle Hilfsmittel des Institut» sür seine Arbeiten dienlich gemacht. Im Lause diese» Winters wird sich Professor Koch nach Deutsch-Ost-Afrika begeben, um dort dir bakteriologischen Arbeiten fortzusetzen, die er bet seinem letzten Aufenthalt tn Rhodesta noch nicht völlig zu Ende sühren konnte. Ins besondere wird er die Zecken als Infektionsträger für eine Reihe von Viehkrankhetten weiter be obachten; er hofft, gerade tn Deutsch-Ost-Afrika tn Vieser Richtung ein besonders gutes Feld sür sichere wissenschaftliche Feststellungen zu finden. In Marburg hatte bet den letzten Stadt- verordnetenwahlen der Oberbürgermeister erklärt, wenn der als Kandidat aufgestellte Spediteur August Heppe gewählt würde, werde er sein Amt niederlegen — weil nämlich Heppe zu Fastnacht ein Bündel Heu aufs Rathaus geschickt hatte mit dem Zusatz, daß sek sür die Ochsen da oben. Heppe erhielt bet der Wahl zwar ziemlich viel Stimmen, fiel aber doch durch. Er hatte darauf beim Be zirksausschuß Klage gegen die Gültigkeit der Wahl angestrengt, weil tn der Erklärung deS Oberbürger meisters eine Wahlbeeinfluffung zu seinen Ungunsten zu erblicken sei. Diese Klage wurde zu Kassel tn der Verhandlung vor dem Bezirksausschuß kosten pflichtig abgewtesen. Die Summe der vom Reich und Preußen gemeinschaftlich an das sogenannte Preußenkon- sortium begebenen Schatzanweisungen beträgt 150 Millionen Mark. Hiervon erhält das Reich 80 Millionen Mark und Preußen den Rest. Die Anmeldungen waren so groß, daß nur eia Teil berücksichtigt werden konnte. Dux, 29. September. Dem evangelischen Pfarrer Schüle tn Boreslau, der ob seines leut seligen Wesens von der ganzen evangelischen Ge meinde BoreSlau hochgeschätzt wurde, ist vom Kultusministerium die Bestätigung versagt und ihm die weitere Ausübung kirchlicher Funktionen untersagt worden. Die evangelische Gemeinde Boreslau, die seit der Wethe der neuen evangelischen Bergkirche, welche bekanntlich im Vorjahre erfolgte, überaus erstarkt ist, befindet sich deshalb tn großer Erregung. Gegen die neuerdings beschlossene Errichtung einer italienischen juristischen Fakultät tn Innsbruck hat der Ausschuß der deutschen Volks partei tn Tirol protestiert. Er bezeichnet die italienische Fakultät als eine Gefährdung deS deutschen Charakter» von Innsbruck und verlangt die sofortige Verlegung der italienischen Kurse aus Tirol. Petersburg, 2. Oktober. Der Kaiser wird am 4. d. M. Reval besuchen, um vom Baltischen Geschwader Abschied zu nehmen. Petersburg, 2. Oktober. Der deutsche Bot schafter Graf v. AlvenSlebrn hat heute seine Ur- laubSretse angetreten. Die Leitung der Geschäfte der Botschaft hat der Botschaftssekretär Freiherr v. Romberg übernommen. . Der Krieg in Ostasien. Ueber die Bewegungen der russischen und japanischen Streitkräfte in der Gegend von Mukden wird allerhand gemeldet; ein ent scheidender Zusammenstoß scheint Indessen noch nicht brvorzustehen. Die japanischen Truppen sollen stark unter epidemischen Krankheiten leiden, namentlich unter der gefürchteten Bert-Bert- Krankheit. Man glaubt, daß diese letztere Epidemie dem Genüsse von Reis zuzuschreiben sei, der bereits vor längerer Zeit gekocht wurde. Besonders soll aber die BelagrrungSarmre vor Port Arthur stark leiden, dir 11. Division ist durch Krankheit und ferner durch BefechtSvrrluste nahezu ausgerteben. General Sacharow berichtet in einem Telegramm an den Petersburger Generalstab allerhand über Scharmützel russischer Abteilungen mit den Japanern am 28. und 29. September, welche