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Geistes, mit Worten, wie sie-eurem König gegenüber geziemen, und ich gebe auch mein königliches Wort, daß alle Straßen sogleich von Len Truppen gcräumk werden sollen. Hört die väterliche Stimme eures Königs, und vergesset das Geschehene, wie ich cs vergessen will und werde in meinem Herzen, um der großen Zukunft willen, die unter dem Friedenssegcn Gottes für Preußen und Lurch Preußen für Deutschland anbreckcn wird. Eure liebreiche Königin und wahrhaft treue Mutter und Freun din, die sehr leidend darnieder liegt, vereinigt ihr« innigen thrancnreiehcn Bitten mit de» meinigen. Die allgemeine Bürgerbewaffnung war erobert. Der Abzug der Truppen schien die äußerste Conces- sion; aber der Tumult im Schlosse nahm kein Ende. Die zur Schau getragenen Leichen boten einen ent setzlichen Anblick und dar Anstimmen von Grablie dern klang schauerlich. Die sämmllichen Leichen wurden nach dem Schlosse gebracht. General Möl- lendorf wurde von den Bürgern gefangen genommen, wurde aber auf sein Wort, die Waffen nicht wieder gegen die Bürger zu gebrauchen, in Freiheit gesetzt. Sämmtliche in der vergangenen Nacht gefan gen genommenen Bürger wurden wieder in Freiheit gesetzt. DaS Volk lfgte mehrfach Feuer an; ein Theii einer Caserne wurde gänzlich eingeäschert. Gegen Mittag hatte sich die Bürgerschaft Ber lins vor dem Schlosse auf der Seite des Lustgartens versammelt, woselbst der Kön'g in Begleitung der neu ernannten Minister auf der erhöhten Terrasse erschien. Dem schon durch eine Deputation vorge- trageaen Wunsche um eine Bürgerbewaffnung wurde sofort durch den König entsprochen, indem er sagte: „Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, daß die Ruhe der Stadt durch Niemand besser als durch die Bürger selbst bewahrt werden kann." Diese Zsnrede wurde mit einem lauten Jubel ausgenommen. Da« königliche Sästoß bot ein ganz neues Schauspiel dar; seil S Uhr waren die Wachen des selben von bewaffneten Bürgern besetzt, die ihre Waffen aus dem königlichen Zeughaus« empfingen. Um halb 6 Uhr zog die Berliner Schützengilde mit ihren Fahnen durch das Schloß und that Freuden schüsse. Abends war die ganze Stadt festlich erleuchtet und das Volk zog jubelnd durch die Straßen. Di« preußische Zeitung enthielt folgendes Decret: Gestern habe ich bereits ausgesprochen, daß ich in meinem Herzen vergeben und vergessen habe. Damit aber kein Zweifel darüber bleibe, daß ich mein ganzes Volk mit diesem Vergeben umfaßt, und weil ich die neu anbrechende große Zukunft unscrs Vaterlandes nicht durch schmerzliche Rückblicke getrübt wissen will, verkünde ich hiermit: Vergebung allen Denen, die wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen augcklagt oder verurtheilt worden sind. Friedrich Wilhelm. Die allgemeinen Aussichten waren sehr düster. Eredit, Handel und Gewerbe waren längst unlcrmi« nirt und mit dem allgemeinen Sturze bedroht. Der Thron war entwaffnet und das öffentliche Verkrguen dahin. Grundbesitz, StaatSpapiere, die meisten. In dustriezweige waren entwerlhet, die Autoritäten ent- wurzelt und alle« Dieses durch die Halsstarrigkeit des Königs. Den 20. um 1 Uhr Mittags öffnete sich das Gefängnjß der verurlheilten Polen. Im Triumph zuge nahmen sie ihren Weg nach dem königlichen Schlosse. Der Wagen, auf welchem Mieroslawski sich befand, wurde von dem Volke jubelnd durch die Stadt gezogen. Als der Zug auf dem Schloßplatze war, wurde der König gezwungen, auf dem Balco» zu erscheinen. Es herrschte eine große Erbitterung gegen den Prinzen von Preußen, weil derselbe sich dem Abzüge des Militärs widersetzt hatte. Der Prinz hatte be reits in der Nacht die Stadt verlassen. Das Volk nahm sein Palais ein, schonte aber die in demsclben befindlichen werthvollen Gegenstände. Die Leichen dcr Gefallenen wurden in die Kir chen gebracht, wo sie mit Blume» beglänzt bis zum Begräbnisse liegen blieben. Die Vertheidigung der Bairicaden wurde mit einem heroischen Muthe ausgeführt. Fünfmal stürmte das Militär die Barricade an dem cölnischen Rath hause. Man ging zuletzt so weit, mit Kartätsche» gegen diese Barricade zu schießen, und als diese siel, waren schleunigst hinter derselben neue Barricade» errichtet. Bei der Barricade an der Taubenstraße lagen mehrere Scharfschützen hinter Oelfassern versteckt und richteten eine furchtbare Verwüstung an. Der das Bataillon commandirende Major wurde vom Pferde geschossen: ebenso seine beiden Nachfolger. Ein Stud.nt mit fliegenden Haaren stand auf der Bar ricade und schwenkte eine dreifarbige Fahne. Nur Gegenwehr wurde diese Es laugte eine Deputation von zwölf Mitglie dern des Gemeinderaths von Eöln hier an, um dem Könige Vorstellungen über die Lage der Rheinpro vinz zu machen und dringend zu verlangen, daß die Deputation mit festen Zusicherungen in die Heimalh zurückkehre. Nachmittags erhielt die Deputation die nach dcr hartnäckigsten betreffende Proclamation. Barricade genommen.