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Der Handwerksbursche auf der Passauer Brücke. Orr Hannesle von Strümpfelbach. der mit dem Bruder Straubinger lang in Regensburg drein gewesen war, begleitete seinen Kameraden nach Strau bing und reiste von da Passau zu, um sich in'S Oesterreichische zu schlagen. In Passau angekommen, überzählte er vor allen Dingen sein Geld, denn es ist von der löblichen Polizei d e weise Einrichtung getroffen, daß jeder Handwerksbursche, wenn er die Grenze passiren will, eine bestimmte Summe Gel des aufweisen muß. Als nun der Hannesle sein Geld ein, zwei-, dreimal überrechnet halt«, sand er zu seinem großen Vergnügen, daß ihm noch etzliche Sechser über die zwei Gulden, die er aus der Grenze verweisen mußte, für bayrisch Bier übrig blieben, und es wäre gegen sein Gewissen gewesen, diese» übrige Geld noch in'- Oesterre.chiscke zu verschleppen. Er setzte sich daher in ein Bierhaus und kranf in alter Gemülhsruhe verschiedene Seidel, bi- die poli zeiliche Summe hergesiellt war. Hierauf huckte er sein Ränzchcn w eder aus, griff nach Hut und Stab und wanderte wohlgemuth über dir Passauer Brücke. Mil dem Gelbe hätte es nun schon seine Rich tigkeit gehabt, aber in'S Wanberbuch machte der österreichische Grcnzvisitatvr am jenseitigen Brücken- end ein ellenlange- Gesicht hinein, so daß dem ar men Hanne-!« der kalte Greusel den Buckel hinauf stieg, wie der Grimme Blatt um Blatt nmdiehte und mit seinem langen Schnauzbart schier den Sand von der letzten Seite kehrte. Der Herr Grenzhauptmann war nämlich heut« ganz besonders ingrimmiger Natur; denn seine Ka- thel hakte ihm die Knödel versalzen, auch drückte ihn sein rechtes Hühnerauge— Grund genug, einen ar men Handwerksbmschen zu schikaniren. Deshalb warf er jetzt auf den Hannes!', der demüthig mit abgezogenem Hute vor ihm stand, nachdem er ihn durch viertelstündiges Blättern auf die Folter ge spannt hatte, einen jener unbeschreiblichen Blicke, dir nur aus dem Auge eines deutschen oder russischen Beamten auf das gebeugte Haupt eines Unterlhanen fallen können. Dieser Löwenblick hätte den Han» neSIe unfehlbar zu Boden geschmettert, ohne daS Bewußtsein dec verschiedenen Seidel Bier, die er im Leib hatte, und die ihm einigen Anhalt verliehen. „Das ist nicht in Richtigkeit/' polterte end lich der Grenzaufseher heraus, , da- muß in Passau noch einmal visirt werden. Die Unterschrift ist ver löscht und da- Sigill ist nicht auSgedeuckt. Mache Er, daß Er fortkemmt." Diese letzte Ermahnung wäre nicht nökbig ge wesen, denn kaum hakte der Hannes!« sein Wander buch wieder in der Hand, als er über" die Brückt zurückfloh, wie wenn Ihn die Tarantel gestochen hätte. AlS er nun am andern Ende der Drücke an gekommen war und wieder nach Passau hinein wollte, hielt ihn der bayrische Grenzaufseher an und verlangte — o Schrecken! —Len Verweis von zwei Gulden vierundzwanzig Kreuzer, und unser armer Hannesle hatte doch nur zwei Gulden. - Ec nahm deshalb sein Herz in beide Hande und kehrte noch einmal an das österreichische Ende der Brücke zu rück. Aber da kam er schön an. Erschrocken wandt« er sich noch einmal auf die bayr sche Seite, aber wieder vergeben-; und so lief ec zwischen Bayern und Oesterreich hin und her wie eine arme Seele, die nirgends Ruhe findet. Endlich setzte er sich auf'- Brückengeländer und betrachtete die unter ihm wegeilende Donau. Er be neidete da- freie Element, das dahinziehen darf, ohne daß ihm ein Grenzaufseher den Weg versperren kann. Er beneidete die Vögel, die über den Wellen tanz ten, und die Fische, die sich lustig in die Luft schnell ten, und wenn er gekonnt hätte, er wäre lieber «in Hecht geworden oder eine Möoe, als der HanneSle von Strümpfelbach auf der Passauer Brücke geblieben. Zuletzt packte ihn aber doch der Zorn, soweit die- nämlich einem loyalen deutschen Unrerthanenher- zrn möglich ist, und er hatte stark im Sinn, seine Wuth an sich selbst auszulassen und in die Donau zu springen. Aber zur rechten Zeil fielen ihm noch die zwei Gulden rin, die er»bei sich trug, und di« mannigfachen Seidel Bier, die man dafür kaufen könnte. Ec Hirte ganz d-ul!ich da- Klappern der Bierkrugd-ckel im Ohr und in der Nase spürte er da» Brickeln de» Schaume- — und er war gerettet. Ueber Nacht konnte er aber doch nicht bleiben auf der Brücke, und er faßte sich d.-Shalb noch ein mal da- Herz, mit dem bayrischen Aufseher zu sprechen, der ihm etwa- weniger Angst einzejagt hatte, als dec österreichische. Ec stellte ihm seine schauderhafte Lage auf'- ergreifendste dar, und siehe, der Bayer — den einige, unterdessen genossene Sei-