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Zweite Anlage zu Ar. 99 des sächsischen Lrzählers. Bischofswerda, de« 27. August 1904. Wider den Starrsinn! uo. — Es ist etwas schönes um die Konsequenz, leider aber geben sich starrsinnige Leute nur all zuhäufig sür konsequente Naturen aus. Der Starrsinn ist gewöhnlich der Fehler derjenigen, welche allzusehr auf sich selbst vertrauen und un wissend sind. Er ist jedem Alter verderblich, be sonders aber der Jugend; in ihr ist eS sehr widrig und rin sehr bedeutendes Hindernis für ihr Fortschritten im Lernen und für'thr künftiges Fortkommen in der menschlichen Gesellschaft. Ver gebens sorgen die zärtlichen und liebevollen Eltern, ihren starrsinnigen Kindern die geschicktesten Lehrer zu verschaffen; vergebens bestreben sich die größten Geister der Zett solche Menschen zu belehren: vor ihnen bleiben die Kenntnisse wie vor einer ver schlossenen eisernen Türe; denn der Starrsinn empört sich gegen Belehrung und macht, daß die Unwissenheit selbst auf ihre Fehler stolz ist und selbige fortwährend an sich behält. Mit jedem Jahre wird dieser Fehler festere Wurzel fassen, bis endlich derjenige, der ihm dient, bet ollen, die ihn kennen, zum gehässigen Sprichwort wird. Jedes Blatt der heiligen Schrift gibt Lehren oder Beispiele, welche uns diesen Fehler als feindlich betrachten lassen, eben so sehr der Religion, als den guten Sitten. In dem geselligen Leben ist der Starrsinn für diejenigen, welche ihm ergeben sind und sür dir mir solchen unglücklicher W.ise in Verbindung Stehenden eine unerschöpfliche Quelle der Widerwärtigkeit und des Elends. Manche Menschen sind so vom Starrsinne ge blendet und eingenommen, daß sie es sich zur Ehre onrechnen, niemals etwas, das sie einmal gesagt hoben, zu widerrufen, oder etwas, das sie getan haben, zu verbessern, oder zu vernichten, sogar wenn man ihnen noch so klar beweist, daß das Gesprochene oder Getane unrecht oder un überlegt von ihnen geschehen ist. Solche Menschen sind kaum zu bemitleiden, wie groß auch ihre Leiden durch ihren widerspenstigen Starrsinn sein mögen. Der Starrsinn hat auch gewöhnlich einen Teil sogenannten falschen Stolzes mit sich. Durch diesen wird der Starrsinnige bewogen, es für eine Schande zu halten, wenn er seinen Irrtum gestehen, und sich zu entwürdigen, wenn er fein getanes Unrecht verbessern soll; als wenn Auf richtigkeit ein Fehler und Ehrlichkeit rin Verbrechen wäre! Von allen Fehlern ist daher kaum einer mehr, als dieser zu fürchten; wer von ihm be fangen ist, ist niemals glücklich und kann »S auch nimmer werden, so lange er ihm ergeben ist. Die vielen von dem Starrsinne herrührrndrn Uebel sind ober um so fürchterlicher, da er nicht blos die Ruhe einzelner Personen vernichtet, sondern ost ganzer Familien und Völker. Von den Alten wurde der Starrsinn oder die Hartnäckigkeit in der Figur eines Frauenzimmers mit Eselsohren vorgestellt, und zwar schwarz gekleidet, mit einem Stück Blei auf dem Kopse und in Gesellschaft eine- Maulesels an einem dunklen Orte. Sie ist schwarz gekleidet, weil, wie diele Farbe keine andere annimmt, auch der Starrsinnige weder sür doS Recht der Vernunft, noch für die Kraft drS Beweises empfänglich ist. DaS Blei auf ihrem Kopse bedeutet Unwissenheit, von welcher der Starrsinnige niedergedrückt und gereizt wird. Der Maulesel ist rin Sinnbild solcher Menschen und wegen seiner allbekannten Störrigkeit bereits zum Sprichworte geworden. Die Dunkelheit endlich, in welcher sie sich befindet, deutet aus den tn Dunkel gehüllten Geist de« Starrsinnigen. Vermischte-. — Urbrr dir Leidensgeschichte drS deutschen Lehrer« Förster in dem neuen Wrrschen, dem polnischen Dorfe Burowtec, weiden der „Schles. Ztg." folgende haarsträubende Einzelheiten gemeldet: Die Kinder lehnten sich von Anfang an gegen die Anordnungen de« jungen Lehrer«, der kein polnische« Wort versteht, tn systematischer Weise auf. Dabei spielten namentlich tue Burschen im Alter von 10 bi» 12 Jahren eine große Rolle, und unter ihnen taten sich Domogala und Alorek besonder- hervor. Ost wurde der Unterricht durch lärmende Kinder unterbrochen, dir auf die Bänke stiegen und dem Lehrer polnische Schimpfwort« zurirfen, die sich dieser erst durch dir Tochter de« polnischen Lehrer« übersrtzrn lasten maßte. Da» Lied: „Großer Gott, wir lode» dich' weigerten sich dir Kinder zu singen. AlS da« Lied: »Ich bin ein Preuße" gesungen AuUMW^Land ein Mädchen auf und sang: „Ich bin eine Polin!" Als der Lehrer einen der renitenten Lümmel strafte, erklärte ihm dieser in polnischer Sprache: „Warte nur, Du xsikckrsv vwmiee, mein Vater wird Dir da« schon anstrrtchrn." Der Lehrer wurde überhaupt in polnischer Sprache nur mit „Du" angrredrt. Vom Grüßen war gar keine Rede. DaS Gebaren der Kinder wurde in der letzten Zeit immer ärger, und der Lehrer war der Verzweiflung nahe. Eine« Tage« war Turnstunde auf dem Schul hofe. Der Lehrer ließ die Kinder marschieren und Wendungen machen. Als er „Links um" komman dierte, machte der Knabe Domagala dir Wendung absichtlich erheblich langsamer als die anderen Kinder. Der Lehrer faßte nun den Knaben am Arm, um ihn zu einer schnelleren Wendung zu bewegen. Der Junge aber benahm sich renitent und gehorchte nicht; bei dem Bemühen de» Lehrer«, ihn mit Gewalt tn Reih' unv Glied zu stellen, riß der Aermel des bet den Dorskindrrn im allge meinen nicht sehr festen Flauschrockes. In seinem Ungehorsam wurde der Junge noch durch einen etwa 16jährtgen Burschen bestärkt, der außerhalb vr« Schulhofes auf der Landstraße stand, und ihm über den Zaun polnisch zurtes, er solle sich das nicht gefallen lassen. Der Lehrer holte den Rohrstock, um den Knaben zu züchtigen. Dieser widersetzte sich der Strafe, sprang dem Lehrer an die Brust und erhielt dabei einen Schlag auf die Hand. Laut schreiend entriß er sich nun dem Lehrer und lief das langgestreckte Dorf entlang zu seinen Eltern. In kurzer Zeit war daS halbe Dorf vor dem Schulhouse zusommrngrlausen, und von allen Setten hagelten nun die polnischen Schimpsworte aus den „verfl. . . . rüoinieo" nieder, so daß der Lehrer die Turnstunde vorzeitig abbrrchen mußte. In seiner Ratlosigkeit setzte sich der Mann aufs Rad und fuhr zum Kreisschul- ioipektor noch Neutomischel. Dieser veranlaßte sofort beim Lanvrat eine genaue Untersuchung. Die aus dem Landrat, dem Königlichen Kom- missarius und dem KceiSschulinspektor bestehende Kommission stellte dabei fest, daß der Lehrer durchaus nicht die ihm zustehendrn Befugnisse überschritten hatte und daß vor ollem von einer Mißhandlung des Domagala keine Rede sein konnte. Dem Schulvorstande wurde eröffnet, daß die Kinder, falls sie nicht von den Eltern zum Gehorsam angehalten würden, tn Zwangs erziehung genommen werden würden. — Stuttgart. Die Oberamtsstadt Leon berg steht seit DirnStag nacht tn Flammen. Die Hallte ist bereit« niedergebrannt. — Coburg. (Zur Warnung.) Auf dem hnsigrn Bahnhol Hot sich eine Frau durch un vorsichtiges Zuschlägen der Wageotür die vorderen Fingerglteder der einen Hand vollständig abgeschlagen. — Pilsen. Ein seltener Jagdgast wird am 2. September in Nepomuk etntnffen, um tn dem Grünberger Revier, daS dem Fürsten Engel bert Auersperg gehört, zu jagen. ES ist dir« der amerikanische Zettungkverleger und mehrfache Millionär Benett, welcher dir Grünbergrr Jagd sür drei Tage (!) gepachtet hat. Benett stellte die Bedingung, daß ihm und seiner Jagdgesellschaft Gelegenheit geboten werde, 10000 Rebhühner zu schießen, wofür er sich verpflichtete, für die drei Tage 100 000 Kronen Pachtgeld zu bezahlen. Infolgedessen hat dir fürstliche Revirr-Berwaltung mit zahlreichen Großgrundbesitzern Abmachungen auf Lieferung von 20000 lebenden Rebhühnern abgeschlossen, wofür sie 2 Kronen für do» Stück bezahlt. Die Jagdgesellschaft trifft mittel« Sonder zuge« am 2. September in Nepomuk rin. (Wenn au« tr-r Rebhühnern nur keine Enten werden!) — Wien, 24 August. (Raubanfall tn einem Eisrnbahnzugr.) Wie der „Wiener Allgemeinen Zeitung" au« Agram telegraphiert wird, verübte der Ingenieur der EtoatSbahnrn, Pasa, während einer rächtlichen Eisenbahnfahrt einen Raubanfall aus den Prior der Barmherzigen Brüder, Leonel, wobei dieser schwer verletzt wurde. — (Der Kampf mit dem Gletscher.) Leute mit gutem Gedächtnis weiden sich der furcht baren Katastrophe erinnern, die am 11. Juli 1892 den Ort Saint-Se,vai« am Westabhang de« Mont Blanc verwüstete. Der Urheber diese« Unglück war der Gletscher von Töte Rouste, in besten Innerem sich allmählich ein sonderbarer Vorgang vollzogen hatte. E« hatte sich nämlich im Ei« eine Art von Wastertasche gebildet, «ine große Höhlung, tn der sich dir Schmrlztvaster aufsammrlten, bi« sie schließlich gewaltsam auSbrachen, in da» zur Arve fühnade Tal hinabstürztea und aus ihre« Wege eolsrtzltche Zerstörungen anrichteten. Man vermutete, daß rin solcher Vorgang sich wieder holen könnte, und nahm infolgedessen beizeiten Untersuchungen vor. Nach achtjähriger Arbeit ist r» jetzt gelungen, den Im Ei« gefangenen See, der sich bereit« wieder gebildet hatte, anzuzapfen und abzuleiten. E« wurden 18 000 Kubikmeter Wasser, die tu einem Raum von SO Meter Länge, 40 Meter Tiefe und 4 Meter Breite im Ei« rtngesprrrt ge wesen Warrn, in einer Zelt von 2>/, Stunden in» Tal abgelassen, ohne daß rin Unfall dadurch ent stand. Durch den zu diesem Zweck tn den Fel« gesprengten, etwa 200 Meter langen Tunnel hofft man die Gefahr sür immer beseitigt zu haben. — Casrrta. Ein heftiger Organ richtete in der Nacht vom 23. d. M. tn dem Gebiete der Gemeinde Gioja Sannittca sehr schwere Ver heerungen an. Das Wasser riß eine Hütte der Kohlenarbeitrr fort, wobei drei junge Mädchen ertranken. Man fürchtet, daß noch mehr Per sonen zu Schaden gekommen sind. — (Nach viertausend Jahren.) Au» Lyon wird berichtet: In der letzten Sitzung der Akademie von Lyon teilte Professor Lortrt mit, daß er den Inhalt eines ägyptischen SarkophageS, der die Mumie des Prinzen Mahrrpa enthielt, unter sucht habe. Außer zahlreichen Mundvorräten wurde tn diesem trotz seiner 4000 Jahre vorzüglich er« - Haltenrn Stetnsarge eine Gans gefunden. Man kann noch deutlich dir Hautvorsprünge und charak teristischen Merkmale des Tieres erkennen; Magen und Leber waren im Innern durch einen Faden verbunden. Diese GanS stimmt tn jeder Hinsicht mit der noch heute tn Aegypten am meisten ver breiteten Art überein. Ferner fand man große Krüge, die die zur Konservierung der Mumien be stimmte Flüssigkeit enthalten hatten. Mit Hilfe deS Professor« der Chemie an der Lyoner Universität Hugonnerq hat Professor Lortet die eingetrocknrte Flüssigkeit analysiert und die Formel dieser anti septischen und konservierenden Zusammensetzung frstgrstellt. — Baku. Wie hierher gemeldet wird, nimmt dir Cholera in Rrtlch zu. Au« Erstell werden Todesfälle berichtet. In Merw sind am 23. August 51 Personen erkrankt und 13 gestorben. — Sebastopol. Am DirnStag wütete hier ein heftiger Sturm, der viele Beschädigungen anrichtrte. Viele Schiffe sind auf dem Meere verunglückt. — Ein merkwürdiges Attentat hat sich in Stockholm ereignet. Am vorvergangenen Donnerstag traf nachmittags im Kontor der Zentrifugen - Aktiengesellschaft rin an den Direktor adressiertes Kästchen rin, als dessen Absender die daS Paket überbringende Frau die Firma „Nordische Kompagnie" nannte. Direktor Lundin wurde erst am nächsten Tage erwartet, und io stellte man da« Kästchen in unberührtem Zustande tn sein Kontor. Am Freitag früh fand der Direktor die Sendung vor und schritt sofort an ihre Oeffnung. Während dessen erfolgte eine gewaltige Explosion; da« Kästchen wurde zerschmettert, Bleikugeln durch, sausten dir Lust, daS ganze Zimmer wurde zerstört, Fenster zerschlagen und Türen auSgehoben, während Lundin besinnungslos hinstürzte, wunderbarerwetse aber fast unverletzt blieb. Die Untersuchung kon statierte, daß der Kasten eine sog. „Höllenmaschine" enthielt. Die „Nordische Kompagnie" ist nach weislich nicht Absender der gefährlichen Post ge wesen; man hat den Urheber des Attentat» bisher nicht ermittelt. — New-Uork. Ueber den gewaltigen Zyklon, der vor einigen Tagen, wie berichtet, in Nordamerika wütete, wird ferner gemeldet: Der durch den Wirbelsturm in St. Paul urd Minne apoll« angrrichtrtr Schaden beträgt noch den letzten Schätzungen 2'/, Millionen Dollar, ab gesehen von dem Ernte- und Gebäudefchaden, der sich noch nicht annähernd berechnen läßt. Bei dem Sturm wurden 1b Personen getötet und 400 verletzt. Der verhältnismäßig geringe Ver lust an Menschenleben wird auf den Umstand zurückgesührt, daß die Bevölkerung de« Sturm gebiet» giößtentet« rechtzeitig in den Kellern Schutz suchte, al» dir Sturmwarnung erging. Sächsische Gedenktage. »7. «agast ISKch stirbt Johann Beorg IV. an den schwarzen Blattern. 18S7 erscheint eineVekannimachungde» außerordentlichen »»sandten und de» bevollmächtigten Minister« de» Kaiser« am'sächsischen Lose, worin all« durch Sachsen passierenden franMschen Militllrpersonen daran erinnert werden, daß st« flch in den Staat,» eine« Fürsten befinden, der »ich