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Roß- und Viehmarkt in Neustadt in Sachsen «III V. NI«i tid<Z4 Der Geldmarkt und der Krieg. Die Franzosen haben der europäischen Ge schäftswelt vor wenigen Tagen eine große Sorge abgenommen, denn eine Gruppe der Pariser Groß bankiers hat Rußland 800 Millionen Francs auf Schatzscheine geborgt, die erst in 3 Jahren rück zahlbar sind. Auf diese Weise hat Rußland zum Kriege gegen Japan Geld bekommen, ohne den europäischen und ohne speziell den russischen Geld markt in Anspruch zu nehmen, und diese Tatsache ist in unserer politisch und wirtschaftlich nicht sorgenfreien Zeit immerhin von einein großen Werte für die fernere Entwickelung des politischen und geschäftlichen Lebens. Diese finanzielle Maß regel Rußlands beweist, daß cs fest und standhaft gegen Japan einen großen Schlag vorbereitet, und daß es in finanzieller Hinsicht dabei mit seinem unerschöpflichen Crcdit bei Frankreich arbeitet. Rußland vermeidet dadurch eine innere Anleihe und einen schlimmen Zwang auf die einheimischen Finanzen. Freilich werde» die 800 Millionen Francs, wenn der russisch-japanische Krieg nicht etwa bald ein Ende nimmt, zu der russisch?» Kriegsführung gegen Japan nicht reichen So ein Krieg kostet heutzutage leicht mehrere Milli arden und die Russen mögen später wohl noch öfter bei französischen und vielleicht auch bei deut schen Bankiers wegen neuer Anleihen anklopfen. Bei diesem riesigen Geldbedarf für den Krieg in Ostasien ist die Tatsache ausfällig und auch erfreulich, daß dadurch auch der euro päische Geldmarkt fast gar nicht mehr in Mit leidenschaft gezogen wird. Zu Beginn des russisch japanischen Krieges krachte es zwar an allen großen europäischen Börsen und in Paris hatte man eine Zeit lang wie den Kopf verloren Man fürchtete in Paris Verwickelungen mit England und sah dort zum Schrecken aller Patrioten und Geldverleiher ein, daß die intime Freundschaft mit Rußland auch kolossale Schattenseiten habe. Die Sorge wegen internationaler Verwickelungen hat sich aber in Paris und in allen europäischen Hauptstädten gelegt, die Börsen nnd auch die Geschäftswelt atmeten wieder auf, die Kurse der Wertpapiere stiegen wieder nnd — faßt klingt es unglaublich — der Diskontozinssuß ist sogar in England und in Frankreich gefallen. Die deutsche Reichsbank ist nun allerdings dieser Zinsermäßi gung noch nicht gefolgt und begibt noch immer Schatzscheine, um das Gold fester in ihren Kassen zu halten. Was soll diese Maßregel bedeuten? So kann die deutsche Geschäftswelt fragen Fürchtet etwa Deutschland, in den Krieg ver wickelt zu werden? Sicher hat Deutschland diese Sorge nicht, aber die deutsche Reichsbank wll durch dieses Festhalten des Goldes einen mäßigenden Einfluß auf gewisse Börsenaktioncn ausüben. Denn schon seit Jahr und Tag haben die deut schen Börsen und viele Banken sich so gcberdet, als wenn sich das deutsche Gcschäftsleben von der schweren Krisis schon vollständig erholt hätte und man mit vollen Segeln sich schon wieder den goldenen Geschäftsjahren zuwende. Aber die wirtschaftliche Kraft im Volke ist noch nicht wieder auf der rechten Höhe angclangt und alle geschäft lichen Neugründungcn müssen dies bitter erfahren. Der Tanz um das goldene Kalb an den Börsen kann diesen natürlichen Krankheitszustand nicht heben, dazu gehört Zeit und Arbeit. Und es wäre zu wünschen, daß der Krieg und die Lage des Geldmarktes den Gesundnngsprozcß im Gc- schästsleben nicht unterbrechen. Die größten finanziellen Hochburgen, die Banken von England und Frankreich, fürchten nun aber große euro päische Verwickelungen und sehr starke Ansprüche an den Geldmarkt wegen des russisch-japanischen Krieges nicht, sonst würden sie ihr Geld nicht zu billigem Zinsfüße hergcben. Ganz aufgeklärt ist diese zuversichtliche Haltung der Banken von Eng land und Frankreich nicht, zumal noch keine große Schlacht zwischen den Russen und Japanern statt gefunden hat und jeder Krieg unberechenbar ist. Aber manchmal wissen die Börsenmänner und Großbanken in Kriegsfragen mehr Bescheid, als die Diplomaten nnd Politiker, deshalb kann man die gute Haltung des Geldmarktes immerhin als ein günstiges Zeichen für die politische und wirt schaftliche Entwickelung der Dinge ansehen. — Sachsen. Kantate! Wieder ein Sonntag mit freudiger Losung: Kantate, finget dem Herrn rin neues Lied, denn er tut Wunder, Halleluja! Es sind die Anfangsworte des 98 Psalms, der dann in grandiosen Bildern von dec in aller Welt sich offenbarenden und dos Weltall beherrschenden Wundermacht GotteS redet. Dem Herrn für sein wunderbares Walten Lob und Dank zu singen, ist rin natürliches Bedürfnis der nach Gott ver langenden Menschenseele. Ein geistlicher Dichter drS 18. Jahrhunderts, Bartholomäus CroffeliuS, hat das schlicht und innig ousgrdrückt: Dir, dir Jehova will ich siaaen, denn wo ist doch rin solcher Gott wie du? Dir will ich meine Lieder bringen, ach gib mir deines Geistes Kraft dazu! In den evangclischen Gesangbüchern nahmen die Lob- und Danklieder von jeher eine bedeutende Stellung ein, und eS ist etwas Ergreifendes, wenn volltönender evangelischer Gemeindegesang zum Himmel tönt. Eins von den vielen Verdiensten Luthers ist es ja, rin wirklich brauchbares protestan tisches Kirchenlied geschaffen zu haben. Neben der Bibel ein Gesangbuch! So wissens die Pro testanten bei uns von Kind auf, und es ist rührend, zu hören, wie die jungen evangelischen Gemeinden in Oesterreich treulich und eifrig unsere bekanntesten Kirchenlieder einüben, um dann am Sonntage einen ordentlichen Gemeindcgesong zu haben. Vorher wußten solche lieber trittsgemeinden so gut wie garnichts von unseren Choralschätzen. Es gibt aber auch ein Singen im Herzen, und daS muß die eigentliche Voraussetzung sein, wenn wir im Gottesdienste oder bei sonst einer Gelegen- heit den religiösen Gesang ausüben. Der Apostel Paulus schreibt im kkolosserbriefc nicht ohne Grund: Singet dem Herrn in eurem Herzen, und alles, waS ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihc! Nicht immer ist das Menschenherz so gestimmt, wie es der Apostel von einer christlichen Persönlichkeit verlangt. Wir lassen uns gar zu leicht und zu oft von Ver stimmungen Niederdrücken, und dann ist es, als ob kein freudiger Ton mehr aus der Menschenbrust sich emporringen könnte. Auf einem Wege zwilchen Sorgen und Särgen verstummt man wohl bald, oder es sind eben nur bittere Klagen, die uns bewegen. Das soll aber nicht das Ende einer christlichen Weltanschauung sein. Das Kan tate-Evangelium enthält einen JesuStrost, der größer ist als alle menschliche Not. Siehe ich bin bet euch alle Tage, bis an der Welt Ende! Also darf dennoch und trotz allem ein freudiges, weihe volles Singen durch das Christenherz gehen, denn Gott bringt das Wunder fertig, auch da zu trösten, wo aller Menschcntrost versagt. Gerade dadurch aber erweist er sich der christlichen Er fahrung immer wieder als der, dessen Allmacht und dessen Liebeswille unbegrenzt sind, und wir verstehen das bedeutsame Wort aus dem Kantate psalm: Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes! Bischofswerda, 29. April. Wir weisen darauf hin, daß kür die letzten zwei Sonntage vor dem Pfingstfeste, den 2. Pfingstseiertag, den Sonntag, an welchem das sogenannte August schießen hier abgehalten wird, sowie für die den beiden Jahrmärkten unmittelbar vorauSgehenden Sonntage der Handrlsgewerbebetrieb Vormittags um 1 Stunde verlängert und Nachmittags auf die Zeit von 2 bis 9 Uhr laut amtlicher Bekannt machung in diesem Blatte vom 28. März d. I. festgesetzt worden ist. Bischofswerda, 29.April. Unsere hiesigen Jahrmärkte erfreuten sich besonders in den letzten Jahren einer großen Anziehungskraft bei den auswärtigen Marktbesuchern, sodaß schon mehrmals kaum die dafür zur Verfügung ge stellten Plätze und Straßen auSrrichten. Auch der am Sonntag und Montag hier stattfiadendr Frühjahrs.Jahrmarkt wird wieder von Markt fieranten stark besucht werden. ES sind an zu ständiger Stell« Anmeldungen in großer Zahl ringrgangrn. Bischofswerda, 29. April. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich, findet Donnerstag, den 5. Mai, abends 8 Uhr, im SchützenhauS all- hier rin großes patriotisches Konzert, gr- spielt von der Kapelle de» 4. Jnf.-Regt». Nr. 103, statt. AuS dem trefflichen Programm erwähnen wir insbesondere das Kriegs - Potpourri 1870/71 in Wort, Musik und Bild. Das „Potsdamer Jntelligeizbl." schreibt darüber folgendes: „Konzert- Haus auSvrrkauft. Eine angenehme Erscheinung bot gestern abend der große Saal des Konzert- Hauses mit seinen besetzten Galerien, denn rS ist in letzter Zeit wirklich eine Seltenheit geworden, bei den hier gebotenen Veranstaltungen ein volles Hau» anzutreffen, obgleich sich die Wirte doch durchweg die grüßte Mühe gaben, daS Publikum heranzuzilhen und ihm, manchmal unter recht er heblichen Unkosten, dir selten wieder herauSge- schlagen werden können, für wenige» Geld etwas wirklich Gutes zu bieten. Gestern war aber die alte Garde mobil gemacht worden. Ganze Reihen alter Krieger konnte man gestern abend im Konzerthause erblick:n. die mit ordrngeschmückter Brust der Wiedergabe der Vorgänge auf der Bühne lauschten, wo sie selbst als Helden dabei gewesen. Man kann eS verstehen, daß bei der vortrefflichen und stimmungsvollen Musik, unter Leitung des Kapellmeisters Britzke, und der sich auf der Bühne abrollenden großen Schlachtenbilder sich Her eine Regung bemächtigte, die sich in Worten nicht aus drücken läßt. Da konnte man alte gebeugte Krieger sehen, in deren Augen eS hellauiflammte, als die markanten Schlachtenbilder erschienen, der Tambour seinen Wirbel zum Sturmmarsch schlug, die Signalhörner zum Angriff riefen — und denen die Tränen nur immer so in die eis- grauen Bärte herniederrieielten. Der Rezitator Wilhelm Müller hatte seine Sache sehr gut gemacht, sein melodramatischer Vortrag war packend und die Bilder kamen in lebendiger farbenfrischcr Wieder gabe, sodaß die Wirkung einfach eine überwältigende war. Leider kann ein« anfangs geplante Schüler- Vorstellung nicht stattfinden, da Rezitator Müller sür morgen bereits anderweitig engagiert ist, es kann daher nur noch eine Vorstellung und zwar heute abend in derselben Weise wie gestern statt finden, deren Besuch angelegentlichst empfohlen werden kann." — Jagd. In Preußen und in Oesterreich dürfen vom nächsten Sonntag, den 1. Mai, ab die Rehböcke wieder abgeschossen werden, nachdem sie in ersterem Lande vom 1. März bis zum 30. April und in Oesterreich vom 1. Februar bis jetzt in der gesetzlichen Schonzeit gestanden haben. In Sachsen hingegen stehen sie noch bis zum 30. Juni in gesetzlichem Schutz. Auch dürfen bei uns noch bis zum 15. Mat die Schnepfen und die Hähne von Birk-, Auer- und Haselwild auf der Jagd erlegt werden. Von da ab steht alles jagdbare Haar- und Federwild innerhalb Sachsens bis mit dem 30. Juni in der Schonzeit. Wildschweine, sowie allerhand Raubzeug, als Füchse, Marder, Wiesel usw., sind davon ausgeschlossen. Die so genannte hohe Jagd auf männliches Edel- und Damwild, auf Rehböcke und wilde Enten beginnt bei uns in Sachsen nach unserem Jagdgesetz erst am 1. Juli. — Nicht aus den Rasen letzen! Diese Mahnung schärfe man in jetziger Zeit, wo da» junge Grün auf den Wirsen und Wegerändern so verlockend zum Niedersetzen rinladet, den Kindern allen Ernstes rin, wenn sie HInauSeilrn ins Freie. DaS Erdreich ist zwar trocken, aber kalt, und schwere Erkrankungen können die Folge de» NiederletzenS sein. Mögen alle Eltern darum obige Mahnung ihren Lieblingen immer und immer wieder mit auf den Weg geben und auf deren strengste Befolgung rin wachsames Auge haben! — Erholungsurlaub im HandelSge- werbe. Der Verband Deutscher Handlungsge hilfen zu Leipzig, der, über da» Reich verbreitet, über 63,000 Mitglieder hat, gibt folgende Zu schrift bekannt: In einzelnen Handelsbetrieben werden in diesen Tagen Verfügungen getroffen, M welcher Zeit Prinzipal und Angestellte ihren Erholungsurlaub in diesem Jahre antreten. Denn dir schöne Sitte des Urlaub» bürgert sich auch in Deutschland immer mehr ein, während sie in dem hochentwickelten GeschäftSlrben England» und der Bereinigten Staaten von Nordamerika schon lange besteht. Auch der einsichtsvolle deutsche Prinzipal erkennt heute an, daß der Angestellte nach einer dauernden ErholungSzett schaffenStüchtiger und schoffenSfroher zurückkehrt, und zugleich hält er eS für eine Ehrenpflicht, sein Interesse am Wohl und Wehe seiner Mitarbeiter auch durch Gewährung eines Urlaubs zu bekunden. — Amerikanische Schuhwarrn. Die ve-