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Sitzung»» durch die allgemein» Juristendebattr bet dieser Position in Anspruch genommen worden «ar. Im wesentlichen gestaltete sich die Mittwoch»- Diskussion wiederum zu einer Polemik zwischen den Rednern aus dem Haute und dem Staats sekretär deS Reichsjustizamte» vr. Nirbrrding. Abgeordneter vr. Müller »Meiningen (freisinnige BolkSP.) forderte die Einführung der bedingten Verurteilung, beklagte den Richtrrmangrl an preußischen Landgerichten und wünschte Auskunft betreffs der rrichSgrsetzlichen Regelung deS Ver sicherungsvertrages. Abg. Thiele (soz.) zählte eine ganze Reihe von Fällen auf, in welchen die Justiz gegenüber al» Sozialdemokraten bekannten Personen parteiisch verfahren sein sollte. Auch beschwerte er sich darüber, daß daS Gericht zu Halle seine Unverletzlichkeit als Abgeordneter nicht respektiert habe. Abg. Bargmann (fr. BolkSP.) bemängelte u. A. die Bestimmungen über die Fesselung der Gefangenen und legte sich gegen das Duellwesen ins Zeug. In fast zweistündiger Rede verbreitete sich Abg. Stadthagen (soz.) über Befangenheit der Richter, daS „Prügeirecht" der Dienstherrschaften, die AnsiedrlungSgesrtzgebung, den Kontraktbruch ländlicher Arbeiter usw. Allen diesen Rednern antwortete Staatssekretär vr. Nieberding unermüdlich. Gegen Ende der Sitzung wurden vom Abg. Jessen (Däne) dänische Klagen vorgetragen. Im Eingänge der Sitzung hatte Präsident Graf Ballestrem daS älteste Mitglied des Reichstages, v. Winterfeld-Menktn, zu seinem 81. Geburtstage namens des HauseS herzlich be glückwünscht, dabei die Pflichttreue des greisen Parlamentariers rühmend hervorhebend. In der Budgrtkommission deS Reichs tages ist seit Mittwoch der Marineetat auf der Tagesordnung. In genannter Sitzung wurden eine Reihe kleinerer Posten gestrichen; bei der Debatte über die Forderung für eine ganze Anzahl neuer Marineosfizterstellen trat Vertagung ein. Berlin, 3. März. Die Wahlprüfungs kommission deS Reichstages erklärte die Wahl Blumenthals (9. Wahlkreis Elsaß - Lothringen) einstimmig für ungültig. Im preußischen Abgeordnetenhaus! wurde am Mittwoch der Etat der Bauverwaltung weiterberaten. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab Eisenbahnminister Budde eine offizielle Er- klärung über die Hauptpunkte der neuen Kanal vorlage ab, wonach dieselbe aus einer ganzen Reihe von Entwürfen wasserwirtschastlichkn Charakters besteht; doch soll die Vorlage dem Landtage erst nach Ostern zugehen. — Die bairische Abgeordnetenkammer erörtert augenblicklich daS Thema von der Mainkanalisation und von der Kettenschleppschifffahrt aus dem Main. — Bei der Stichwahl im Reichstags Wahlkreise Elchwege- Schmalkalden wurde der antisemitische Kandidat Raab gegenüber dem soz. Kandidaten Hugo gewählt. Der Wahlkreis war bislang freisinnig vertreten. Ein gewisses Aufsehen erregt die plötzliche Heimberufung deS Kommandanten deS Kanonen bootes „Habicht" in Swakopmund, des Korvetteii- kapitän« Gudewill, welcher die ersten Operationen gegen die rebellischen Hereros geleitet hat. An seiner Stelle ist Kapitänleutnant Kühne zum Kommandanten veS „Habicht" ernannt worden. Berlin, 29. Februar. Oberst Leutwein telegraphiert von gestern: Die Kolonne des Majors von Estorfs hatte am 25. Februar ein zehnstün diges schweres Gefecht an der Wasferstelle Odjihtnanapa, 50 Lm östlich von Omaruru, gegen zahlreiche, tapfer fechtende Hereros in vorzüglicher Stellung, gegen die eine Wirkung der Ar tillerie unmöglich war. Am Abend wurde die feindliche Stellung durch einen Sturm der Kompagnie Franke durchbrochen, worauf sich die Hereros in östlicher Richtung zurückzogen. Verluste: Tot Oberleutnant Otto Schulze au» KroSien, fchwerverwundet die Oberleutnants Frhr. v. Schönau-Wehr, Schußwunde in daS linke Kate, Hannemann vom Seebataillon und Leutnant v. Stülpnagrl, beide Schuß durch den rechten Oberarm, Gefreiter Vollrath au» Koßwig, Kret» Zerbst, Querschuß durch den Unterkiefer, Gefreiter Ernst Binder au» Holzgerlingen in Schwaben, Schuß durch die linke Lunge und linken Oberarm. Leichtverwundet Sergeant Bernhard Becker au» Brockupünen in Ostpreußen, Streifschuß an der rechten Backe. Gefreiter Bruno Sputh aus Schönefeld, Kret» Leipzig, Streifschuß am linken Unterarm. Gefreiter Rein- hold Meusel au» Wald, Kreis Zittau i. S., Streifschuß am Kopf. Berlin, 2. März. (HereroS-Aufstand.) Nach einem heute etngegangenen Telegramm de» Gouverneur» Leutwein ist der Gefreite Emil Fehr au» Hopfenau, Kret» Insterburg, bei einer Rekognoszierung gefallen. Der Plchfische Erzähler. Sette ». In Kamerun soll r» zu neuen Unruhen gekommen sein. Berlin, 29. Febr. Die Berliner Schutz. Mannschaft befindet sich zur Zelt in einem sehr geschwächten Zustande, stad doch 450 Stellen frei. Schon feit Jahren konnten dir etat-mäßigen Stellen wegen Mangel» an fähigen Anwärtern nicht voll besetzt werden. Den Schulzwang zu Schulfesten hat da» höchste preußische Gericht frstgrlegt. Ein Familienvater K. war auf gründ einer Regierung». Verordnung wegen Schulversäumni» in Strafe ge nommen worden, weil seine Kinder sich nicht an einem Schulfest beteiligt hatten. Nach der in Rede stehenden Regierungsverordnung haben die Eltern dafür Sorge zu tragen, daß ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen. K. behauptet, an den Schulfesten, wo auch getanzt werde, brauchten sich die Kinder nicht zu beteiligen; diese seien lediglich verpflichtet, an dem Unterricht in der Schule tetlzunehmen. DaS Landgericht verurteilte aber K. zu einer Geldstrafe, da er verpflichtet ge wesen sei, dafür Sorge zu tragen, daß seine Kinder dem Schulfest nicht fernblieben. Gegen diese Ent scheidung legte K. Revision beim Kammrrgertcht ein und betonte, er könne nicht durch eine Regierungs verordnung gezwungen werden, seine Kinder anzu halten, an Schulfesten teilzunehmen. Da» Kammer gericht wie» jedoch die Revision des Angeschuldigten als unbegründet zurück. DaS Kammrrgertcht ist der Ansicht, daß . unter den Begriff der Schul- versäumnts auch die Versäumnisse von solchen Veranstaltungen der Schule fallen, die vorwiegend einen erziehlichen Cha rakter haben. Flensburg, 2. März. Heute wurde hier eine neue Erkrankung an den schwarzen Blattern festgrstellt, und zwar bet einer Diako nissin, die bet der Pflege der Blatternkcanken be teiligt war. Auch diese Kranke wurde sofort in die außerhalb der Stadt belegene Isolierbaracke übergeführt. Erfurt, 1. März. Der Oberleutnant von Kunowski von dem in Eisenach garnisonierenden 3. Bataillon de» Infanterie-Regiment» Nr. 94 hatte sich gestern wegen sortgesetzter Soldaten mißhandlungen vor dem Kriegsgericht in Erfurt zu verantworten. ES handelte sich um 24 Einzel fälle. Die Verhandlung sand unter Ausschluß der Oiffentlichkeit statt. DaS Urteil lautete auf 3 Monate Festungshaft. Eisenach. Nach hartem Wahlkampfe wurde am Dien-tag die Oberbürgermetsterfrage in der Stichwahl entschieden. Bon den zur Stichwahl gekommenen Kandidaten erhielten Bürger meister Sch mied er-Bromberg 1448 Stimmen und Assessor Leidenroth-Eisenach 1106 Stimmen, die übrigen waren ungültig. Ersterer ist somit gewählt; er ist 1862 in Grünberg in Schlesien geboren, mehrfach auf städterechtltchem und sozialem Gebiet schriftstellerisch tätig gewesen und stand bereits bei der letzten hiesigen Ober bürgermeisterwahl mit auf der engeren Liste. Heidelberg, 3. März. Der Großherzog von Baden soll in Berlin einen leichten Schlaganfall erlitten haben. Osfiziöserseits wird eine derartige Besserung des Gesundheitszustände« versichert, daß in den nächsten Tagen an die Wiederaufnahme der völligen Regierungstätigkeit des Großherzog» gedacht werden kann. Jena, 1. März. Eine große Studenten versammlung protestierte einstimmig gegen die farbentragrnde katholische Verbindung „Sugambrta", weil durch Erregung de» bisher in Jena un bekannten konfessionellen Streite» die Eintracht unter der Studentenschaft gefährdet sei. O e st e r r e i ch. Prag, 1. März. Der deutsche Konsul in Prag, Freiherr v. Seckendorfs, wurde zum außer ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Kolumbien ernannt. — Die czechisch-nationale Studentenschaft veröffentlicht im heutigen Abend blatt« der „Narodnh Ltsiy" ein Eingesendet, in dem e» heißt: „Wir bekennen un» mit Stolz dazu, daß die sonntägige Manifestation auf dem Graben da» Werk der akademischen Studentenschaft war, die nicht duldet, daß der Graben al» rin den Deutschen reservierter Ort betrachtet werde, ein Ort, von dem au» durch die deutschen Couleur- studenten nicht nur da» czechischr Publikum, sondern der rein czechischr Charakter Prag» provoziert werden soll. Wir werden die Reinigung de« Graben» systematisch betreiben, und zwar so lange, bi» die zuständigen Kreise die Uebrrzrugung gewonnen haben werden, daß der nur in Prag geduldete „Bummel" nicht» »eiter ist, al» «ine Provokation de» c^echifchen Volke»." (Folgen dl« Unterschrtstrn.) Ja Prag kam r» dieser Tag, anläßlich «in» IGG4 Arbritrrversammlung, in welcher der russisch- apantsche Krieg besprochen wurde, zu Straßen- rawallen, die schließlich den Charakter deutsch- kindlicher Kundgebungen annahmea. Die rin- chrritrnde Polizei nahm eine Anzahl Verhaf tungen vor. In Oesterreich-Ungarn nehmen nach der Verabschiedung der Delegationen die beiderseitigen Bollparlamrnte ihre Tätigkeit wieder auf. Zu nächst ist da« ungarische Abgeordnetenhaus wieder zusammengrtreten; ihm wurden am Mittwoch eine Reihe von Vorlagen überreicht, darunter auch solche betreffs der Handelsvertrag-Verhandlungen mit Deutschland und Italien. Der österreichische RetchSrat tritt erst in einigen Tage», am 8. Mä», zusammen. Inzwischen ist in Wien eine Zoll- und Handelskonferenz zur Besprechung der mit Deutschland und Italien abzuschlirßrnden Handels verträge zusammengetretrn. — Für den Erzbischof von Olmütz, vr. Kohn, ist sein Prozeß vor dem geistlichen Gericht im Vatikan gut auSgegangrn. ES gelang dem Erzbischof sich bezüglich der gegen ihn erhobenen Anklagen und Beschwerden glänzend zu rechtfertigen. Grottau, 28. Febr. Am Sonnabend ergriff die Bevölkerung an der Nordgrrnze Böhmen» ein panischer Schrecken, al« sich da» Gerücht ver breitete, im Bezirk Hohenrlbr sei der Landsturm zu den Waffen einberufrn worden. Tatsächlich hatten die Landsturmleute ersten Aufgebot» am Sonnabend dir EinbrrusungSordre bekommen, nach welcher sie am Sonntag mit dem Frühzuge nach Gitlchin fahren sollten. Als sie aber am Sonntag früh sich auf dem Bahnhof Hohenrlbr sammelte», wurden sie von Gendarmen, die ihnen die Etn- berufungSkartrn abnahmrn, wieder nach Hause gr« schickt. Es handelte sich um eine der jetzt an vielen Stellen Oesterreichs stattfindendrn Probe mobilisierungen. St. JoachtmStal. Am 24. Juli 1904 werden 400 Jahre verflossen sein, seitdem in Rochlitz i. S. der berühmte Kanzelredner und Liederdichter, der Pfarrer Johann Mathes tu», geboren wurde, der als Leiter der hiesigen Latein schule diese zu so hoher Blüte brachte, daß sie damals die besuchteste Lateinschule Böhmen» »ar. Den Geburtstag de» Freunde» Luther» wird nun die hiesige evangelische Gemeinde in besonderer Weise feiern, indem sie an diesem Tage den Grund stein zu einer evangelischen Kirche legen wird. Dank dem Entgegenkommen de» deutschen Turn vereins ist eS der evangelischen Gemeinde auch bereit» gelungen, für das neue Gotteshaus einen passenden Bauplatz erwerben zu können. Italien. Rom, 1. März. Jetzt wird bestätigt, daß Erzbischof Kohn in Olmütz von allen An schuldigungen völlig fretgrsprochen worden ist. Der Papst sprach ihm in der letzten Audienz sein ganz besondere» Vertrauen au», obwohl er ihm gleichzeitig mttteilte, daß er die Bestellung eine» CoadjutorS im Interesse de» Verhältnisses zu den weltlichen Behörden für un umgänglich notwendig erachte. Frankreich. Präsident Loubet trifft, wie nunmehr fest steht, am 24. April zur Abstattung feine» Gegen besuche» am italienische» Hose in Rom ein. Der Großherzog von Mecklenburg- Schwerin ist am Montag Abend zur Kur in Tanne» ringetroffen. Daselbst ist auch die Braut de« Großherzog», die Prinzessin Alexandra von Cumberland mit ihren Eltern angrkommrn. — Der in Men tone schon seit längerer Zett weilende greise Ex-Präsident Krüger sollte ernstlich leidend sein. Diesen Gerüchten gegenüber erklärt jetzt der Arzt Krüger», daß sich derselbe bester Gesundheit erfreue. In Frankreich nimmt sich die parlamentarisch politische Situation für da« radikale Ministerium Combe» einigermaßen kritisch au»; allerdtng» hat dasselbe erst noch in den letzten Tagen wiederholt Vertrauensvota von der Deputiertenkammer er halten, indem sie verschiedene gegen die Regierung zugespitzte oppositionelle Anträge ablehote. Immer hin können fatale Ueberraschungrn für da» Kabinett eintreten, zumal in der plötzlich aufgrtauchtrn Frage der Marinrforderuvgrn, in welcher di« bis herige republikanische Regierungsmehrheit an scheinend nicht mehr zuverlässig ist. Part«, 3. März. Der Kommandant de» Panzer» „Jaurügutbeny", der Ende diese» Monat» Toulon verlassen sollte, hat festgrstellt, daß sämt liche Trinkwafferbrhälter de» Schiffe» durchlöchert sind. Der Seepräfekt hat eine Untersuchung ein geleitet, ob vö«wtlligkrit vorltegt, um die Abfahrt de» Schiffe» zu verzögern. Lyon, 3. März. Da» Blatt „Novrlltste d« Lyon" meldet, der Erzbischof von Lyon Kardinal