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10». Der fSchfifche Erzähler. Seite 4 dichtgesüllten Saal dort die 12 Confirmanden und 29 andere Kinder eintraten und das Lied anstimmten von der seligen, fröhlichen Weihnachts zeit, da fühlten eS alle Anwesenden, wie es noch immer gilt: Geben ist seliger, denn Nehmen. In einer herzlichen Ansprache wies sodann Herr ?.Lange auf die große Liebe hin, die Gott uns in der heiligen Weihnacht erwiesen und die uns immer wieder treibt, auch Gutes zu thun und nicht müde zu werden, in Anknüpfung an das AdventSwort: der Herr harret, daß er auch gnädig sei, und hat sich aufgemacht, daß er sich eurer erbarme! Immer lauter und größer wurde die Freude, der auch eine ganze Zahl von Kindern in bewegten Worten einen dank baren Ausdruck gaben. Es war Weihnachten für sie angebrochen, so daß sie nun mit frohen Augen dem eigentlichen Weihnachten mit seiner großen Freude für alle Welt entgegen sehen konnten. Mit Dank gegen Gott dem Herrn gingen sie heim und erzählten nun mit Freuden, was der heilige Christ ihnen gebracht hat. Gottes reicher Segen möge aber fort und fort aus der stillen Arbeit unserS Frauenvereins ruhen zum Wohle aller seiner Mitglieder und der ganzen Gemeinde. Die sozialdemokratische Fraktion des Land tags hat folgenden Antrag gestellt: die Kammer wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, noch diesem Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Abstimmung sür alle Staatsangehörigen vom 21. Lebensjahre an, zur Einführung gelangt und das Gesetz vom 3. De zember 1868, die Wahlen sür den Landtag be treffend, ausgehoben wird. In Kössern bei Grimma hatte vorgestern die 12jährige Tochter des Steinbruchpächters H. ein Zündhütchen, wie es zu Sprengungen ver wendet wird, in der elterlichen Wohnung zu erlangen gewußt und mittelst einer Stecknadel in die Zündmasse hineingestoßen. Hierdurch ist das Zündhütchen unter starkem Knall explodirt, und dem Kinde ist dadurch ein Fingerglied voll ständig abgerissen worden, außerdem wurden ihr an beiden Händen mehrere Finger erheblich be schädigt. Berlin, 20. Dezember. Der „Reichsau- zriger" bezeichnet die Zeitungsnachrichten be treffend die Abänderung der Militärkonvention zwischen Württemberg und Preußen als irrig. Die schwebenden Verhandlungen bleiben auf dem Boden der genannten Konvention und betreffen eine zweckmäßigere Regelung der Kommandirung und die Verwendung der württem- bergischen Offiziere nach Preußen und umgekehrt vermittels einer Anordnung, wodurch die Anciennetätsverhältnisse beider Kontingente mehr übereinstimmend erhalten werden. ES ist sicher anzunehmen, daß die militärischen Hoheitsrechte des Kaisers und des Königs von Württemberg unberührt bleiben und alle Ernennungen und Beförderungen nach wie vor von den Kontingent herren befohlen werden. Nach dem Wiederzusammentritt des Reichs tags wird, wie nunmehr feststeht, sofort die Tabaksteuer berathen werden, der die Wein steuer, falls sie nicht zurückgezogen wird, folgt. Den Schluß bildet der Finanzreformplan. Man will diese Vorlagen an eine Kommission ver weisen, weil sie in gewisser Hinsicht als zu sammengehörig betrachtet werden — vielleicht in I Hinsicht aus das Scheitern. Berlin, 18. Dezbr. Dir Anarchisten ver- anstalteten gestern Nachmittag in Wcißensee, eine öffentliche Versammlung, die von etwa 100 Per sonen besucht war. Man beschäftigte sich mit dem Anarchismus und dem Verhalten der ver schiedenen politischen Parteien ihm gegenüber. Mehrere Redner, besonders der kürzlich verur« thrilte Wiesenthal, feierten die Anarchisten Pallas, Ravachol und Vaillant als muthige Märtyrer und Freiheitskämpfer. — Und die Polizei läßt das ruhig zu! Wiesbaden, 18. Dezember. Nachdem in den letzten Tagen verschiedene anarchistische Falschmünzer hier und in Rheinhessen ver haftet worden sind, ist nunmehr auch das Haupt dieses anarchistischen Komplotts, ein berüchtigter Tischler Ruppert, verhaftet worden. Im Ganzen sind jetzt 9 Personen in Hast, bei denen falsches Geld und anarchistische Schriften gesunden wurden. Die Hauptverhandlung wird in Wiesbaden statt finden, da hier die Geldfabrikation betrieben wurde. Ueber den Nutzen, welchen Deutschland durch den französisch-schweizerischen Zollkrieg hat, berichtet nachstehende Mittheilung: „Vor einigen Tagen besuchte ich die Schweiz via Lindau-Rorschach. Die beiden Schiffe nach Ror ¬ schach und nach Romanshorn lagen zur Abfahrt bereit, setzten sich aber, trotzdem die Zeit der Ab fahrt verstrichen, nicht in Bewegung. Nach etwa fünfzehn Minuten fragte ich den Kapitän meines DampsbooteS, weshalb denn nicht abgefahren > würde. Er antwortete mir, daß seit dem sran- s zösisch-schweizerischen Zollkriege der Verkehr aus Deutschland nach der Schweiz derartig zuge nommen habe, daß die Packetpost nicht in der vorgesehenen Zeit abgefertigt werden könne. Sie hätten fast täglich gegen früher, vor dem Zoll kriege mit Frankreich, eine 6 - lOfach größere Anzahl von Postpacketen aus Deutschland, wo durch die Abfahrt der Schiffe sich fast um eine halbe Stunde verzögere." Glatz, 21. Dezember. Die beiden wegen Spionage verurtheilten französischen Offiziere haben heute hier ihre Strafe angetreten. O e st e r r e i ch. Se. koiserl. und königl. Hoheit der Erzherzog Otto ist, wie aus Oedenburg, 20. Dezember, gemeldet wird, von feiner Verwundung bereits hergestellt. Die erzherzoglichc Familie wird die Weihnachten in Wien verbringen und reist dann an die Riviera ab. Von dort begiebt sich Erzherzog Otto nach Indien zur Elephantenjagd. Seine Rückkehr erfolgt erst in vier Monaten. Prag, 20. Dezember. Bezüglich des Atten tats in Rakonitz wird noch gemeldet: In der Nacht zum 17. Dezember sind 32'/, kx Dynamit entwendet. Das Attentat in dem Hanse dcS Advokaten Wolff erfolgte am 18. Dezember. ES scheint, daß die Dynamitpatronen vom Trottoir in den Hausflur geworfen sind. Aus die Ausforschung des UebclthäterS ist eine Prämie von 500 Gulden ausgeschrieben. Die Stadlwachen sind verstärkt. Mehrere Haus suchungen waren erfolglos. DaS Dynamit attentat wird der sozialistischen Partei zugeschricbcn. Umfassende Sichcrheitsmaßrcgcln sind getroffen. Wien, 21. Dez. DaS Rakonitzer Attentat wird den Czechen zugeschrieben. Advokat Wolf erhielt vor Wochen einen Drohbrief, worin er aufgesordcrt wurde, 300 Gulden für den czechischen Schulverein zu hinterlegen, andernfalls sein Leben in Gefahr stände. Ein heute ge fundener Drohbrief kündigt an, in der Christnacht würde beabsichtigt, die Stadtkirche in die Lust zu sprengen. Wien, 19. Dezbr. Die Buchdrucker gehilfen Wiens haben in einer Versammlung beschlossen, vom 1. Januar n. I. ab eine Er höhung des jetzt geltenden Mindestlohnes von 12 auf 15 Gldn. zu beanspruchen. Unterhand lungen über diese Forderung mit den Arbeitgebern sollen sofort beginnen. Italien. Als Nachfolger des Grafen SolmS zum Botschafter in Rom ist der derzeitige Ge sandte in Bukarest, Herr v. Bülow, in Aussicht genommen. Frankreich. Paris, 19. Dezember. Unter den auszu weisenden 200 Anarchisten befinden sich 37 Deutsche, zahlreiche Russen, Italiener, einige Oesterreicher, Belgier, Engländer, Holländer und Schweizer. Bei der Verhaftung dcS gefährlichen Anarchisten MLrignau erklärte dieser, er könne keinen Wider stand leisten, da er überrascht worden sei. Die Haussuchung führte zur Entdeckung zahlreicher Bomben. Mürignau hatte, wie aus den Briesen hervorgeht, einen Anschlag gegen eine öffentliche Versammlung geplant. Paris, 20. Dezember. Die Deputirten- kammer beendigte heute die Wahlprüfungen. — Der Senat genehmigte die Nachtrags - Kredite. Die Session wurde geschlossen. DaS Parlament tritt am 9. Januar 1894 wieder zusammen. Paris, 21. Dezember. Infolge der Re pressivgesetze gegen die anarchistischen Hetzer haben einige anarchistische Blätter bereits zu erscheinen ausgehört. Andere Blätter dieser Richtung zeigen ihre» Lesern mit Bedauern an, daß sie in ihren Artikeln künftighin gemäßigter sein würden. St. Etienne, 21. Dezember. Die Unter suchung gegen die jüngstverhasteten Bergleute hat ergeben, daß die Polizei eS mit einer weit verzweigten Anarchistenvereinigung zu thun hat. Die Bergleute von St. Etienne sollen den Anar chisten von Paris, Lyon und Marseille in den letzten Monaten große Mengen Sprengstoff zu gewendet haben. Spanien. Barcelona, 18. Dezember. Der Urheber de« BombenattentatS im Teatro Liceo ist rin gewisser Jose Codina, welcher in Perpignau verhaftet wurde. — Zur Zeit befinden sich im hiesigen Gefängniß 143 Anarchisten. - . ., 18»L. Barcelona, 20. Dezember. Der verhaftete: Anarchist Codina hat gestern rin umfassendes Geständniß abgelegt und die Namen seiner Mit schuldigen genannt. Griechenland. Die griechische Kammer hat die Vorlage über das finanzielle Arrangement in drittem Lesung angenommen. Der Staatsbankerott isv damit thatsächlich in Kraft getreten. Die „Staats- bürger-Ztg." schätzt den Verlust des deutschen Volksvermögens durch den Konkurssturz der griechischen Papiere infolge des Staatsbankerotts aus die ganz ungeheuerliche Summe von rund 213 Mill. Mark. Die Blätter aller Richtungen begrüßen eS mit Genugthuung, daß die Reichs regierung gegen die willkürliche Verkürzung der Rechte der griechischen Gläubiger protestirt hat^ England. „Telegraph" und „TimeS" wenden sich in heftigen Leitartikeln gegen die griechische Un- ehr lichkcit »nddcn Ministerpräsidenten Trikupis, der wie ein Seeräuber, die auswärtigen Aktionäre plündere. „Daily Telegraph" glaubt, das in Griechenland jetzt alles feil sei. England solle sich nicht wundern, wenn Griechenland Korfu oder andere Inseln an Rußland oder Frankreich ver kaufe oder verpachte. Amerika. Dem „Reuter'schen Bureau" wird aus Rio de Janeiro vom 16. Dezember gemeldete Admiral de Gama schlug den Angriff gegen die Insel Gobernador zurück, wobei der General Telles und 7 Aufständische verwundet wurden. Vermischtes. — Berlin, 21. Dezbr. Ueber das Ver unglücken zahlreicher Weihnachtssendungen geht der „Nationalztg." folgende Mittheilung zu: Am 20. dieses Monats ist der Eisenbahnzug 317 Berlin — Kreuz, der mit Verspätung am Be stimmungsorte eingegangcn war, infolge un richtiger Wcichenstellung von einer Rangirmaschine erfaßt worden. Der bei dem Zusammenstoß ge troffene Bahnpostwagen wurde ans den Schienen gehoben und aus die Seite geworfen. DaS auS der Leitung ausströmende Gas entzündete sich am Osenscuer und setzte die Ladung in Brand. Von der aus gewöhnlichen Packeten bestehenden Ladung sind 235 Stück mehr oder weniger durch Feuer und Wasser beschädigt worden; 50 Stück sind verbrannt. Der Bahnpostwagen ist stark beschädigt. Die drei im Wagen thätig gewesenen Personen sind zum Glück ohne ernstliche Ver letzungen davongekommen. Die zur Aufrechter- yaltung dcS Betriebes erforderlichen Maßnahmen sind sofort getroffen worden. — (Spätere Mel dung). Soeben geht uns die weitere Mittheilung zu, daß der am 20. d. M. im Güterzuge 522 aus Berlin 5 Uhr 18 Min., Abends nach Leipzig abgelassene Bahnpostwagen, der eine starke Packet- ladung sür das Königreich Sachsen enthielt,, heute früh in Jüterbog brennend eingelausen ist. Etwa r/g der Ladung soll verbrannt oder be schädigt sein. Näheres über diesen neuen Unfall ist noch nicht bekannt. — Hamburg, 18. Dezbr. In dem Fahr- kartenschwindel-Prozcß, in welchen bekanntlich über 50 Schaffner uud Viehhändler verwickelt sind, hat heute der Staatsanwalt für die am schwersten belastete» Schaffner unter Ausschluß mildernder Umstände 15 Monate bis 5 Jahre Zuchthaus, gegen die anderen 6 Wochen bis 5 Monate Gesängniß, gegen die betheiligten Viehhändler 4 Monate bis 1 Jahr Gesängniß und außerdem Geldstrafen in Höhe von 400 bis 2500 Mark beantragt. — Hamburg, 20. Dezember. Nach acht stündiger Berathung im Fahrkarten-Prozeß betrat der Gerichtshof den Saal und verkündete das Urtheil. Danach wurden verurtheilt die Schaffner Quasebart, Meinecke, Borchert, Grün- waldt, Bürger und Franz zu je 6 Monaten Gesängniß und 1 Jahr Ehrverlust, Patenhagen und Rhode zu je 8 Monaten Gesängniß und 1 Jahr Ehrverlust, Brocke und Edler zu je 9 Monaten Gesängniß und 1 Jahr Ehrverlust, Rennert, LewandowSky und Wiese zu je 10 Monaten Gesängniß und 1 Jahr Ehrverlust, Schmiedtke und ThomaschewSky zu je 18 Mon. Gesängniß und 2 Jahren Ehrverlust, Philipp und Hahn zu je 5 Monaten Gefängniß und 1. Jahr Ehrverlust, MartenS zu 2 Jahren 3 Mon. Gefängniß Und 3 Jahren Ehrverlust, Viedge, Schuldt und Hammelsheim zu je 3 Monaten Gesängniß, Grünert zu 1 Jahr Gesängniß und 2 Jahren Ehrverlust; ferner die Viehhändler Marx und Kern zu je 100 Mk. Geldstrafe, Ofew zu 2 Monaten Gesängniß und 600 Mk. Geld»