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Mrscellen und Anekdoten. Der lebendig geprügelte Tobte. Zwei Edelleute in Petersburg hatten sich ge genseitig ewige und unversöhnliche Feindschaft ge schworen. Zufällig starb in dieser Zeit einer von den Dienern des einen Herrn; man begrub ihn, der russischen Sitte gemäß, nach Verlauf von 24 Stunden. Da fiel es dem andern Herrn ein, sich an seinem Gegner zu rächen, und zwar, ihn der gewaltsamen Ermordung dieses seines Dieners zu beschuldigen. Um dieser Anklage den Anschau der Wahrscheinlichkeit zu geben, beschloß er, den Todten mit Hülfe einiger Getreuen wieder auszugraben, und ihn so zuzurichten, daß sich bei dessen Besich tigung deutliche Spuren von erlittenen Gewalt- thätigkeiten zeigen sollten. Dem zu Folge ward der Körper aus dem Sarge genommen, aufrecht hingesiellt, und eben fing man an, ihn furchtbar abznprügcln,als der Todte, zum Entsetzen der gan zen Gesellschaft plötzlich auflebte, und dadurch die erschrockenen Walker zur scheunigen Flucht brachte. Nach und nach sammelte der Erstandene so viel Kräfte, daß er in seinem Sterbecostüm das Haus seines Herrn erreichen konnte, wo sein Erscheinen alle Bewohner mit Grausen erfüllte. Als man endlich sich wieder beruhigte, erzählte dec Neuge- borne, was ihm begegnet sei. Eine Art Starr krampf hatte ihn bei vollem Bewußtsein unvermö gend gemacht, sich zu bewegen oder auch nur zu sprechen, bis die schrecklichen Hiebe seine erstarrten Glieder wieder belebten. Er hatte trotz seiner Be täubung die Prügler wohlerkannt, und der höl lische Plan ward entdeckt, den man wider seines Herrn Glück und Ehre geschmiedet hatte. >,Friedrich, hole mir einmal ein Stück Kuchen vom Bäcker!" sprach ein Herr zu seinem Diener, und reichte ihm den dazu erforderlichen Groschen dar. Eben wollte Friedrich sich entfernen, als sein Herr, der gerade die Spendirhosen anhattc, ihn wieder zurückrief, und ihm noch einen Groschen gab, damit er sich dafür auch ein Stück von dem edlen Gebäck mitbringen solle. Nach einer Weile kam Friedrich wieder, hatte den Rest eines Stück Kuchens in der Hand, und legte noch kauend dem Herr« einen Groschen auf den Tisch. „Nun, wo ist denn der Kuchen?" fragte dieser. „Ja, es war blos noch ein Stückchen da!" war die Antwort. In dem Laden eines Wachskerzenhändlcrs zu Neapel fand sich neulich ein wohlgekleidetec Herr ein, und kaufte gegen gleich baare Bezahlung für 5000 Dukaten Kerzen ein. Er hatte eine Anzahl Lastträger bei sich, welche die Maaren sogleich fort trugen, während er zwei schwer mit Goldstücken gefüllte Beutel auf den Tisch pflanzte, um die Zahlung zu leisten. Nun fing er an, aus einem der Beutel Geld zu nehmen unv zählte bis auf 20 Dukaten. Da erschienen ein Paar Bettler an der Ladenthüre, und baten um ein Almosen. Aer- gerlich darüber, im Zählen unterbrochen zu werden, kehrte er sich um, und hieß sie zum Teufel gehen. Die Bettler verstanden falsch und wurden grob; der Herr, über diese Unverschämtheit aufgebracht, drohte dem Einen mit einer Ohrfeige; aber ehe er sichs versah, hatte er selber eine weg. Jetzt ent stand eine förmliche Prügelei, die Bettler aber suchten bald das Weite, der Herr stürmte fluchend ihnen nach, und — soll heute noch wieder kom men. In den Geldsäcken fand der betrogene Kaufmann blos wcrthlose Schaustücken, und von den gehandelten 5000 Dukaten erhielt er nichts weiter, als die bereits aufgezählten zwanzig. Der Esel. Der Prinz Friedrich von Braunschweig befand sich einst zu Berlin in Gesellschaft mehrerer könig lichen Prinzessinnen beim Spiel, als der General Ramin hcrzutrat, um den Damen seine Ehrfurcht zu bezeigen. „Herr General," sprach eine der Prin zessinnen, „ich begegnete diesem Morgen Ihrem Regimente, als eS vom Excrciren zurückkam, und hörte die Musik desselben mit vielem Vergnügen; Sie haben ein sehr braves Musikkorps." — Kö nigliche Hoheit," erwiederte Ramin, „die Kerle bliesen ehedem, um aus der Haut zu fahren; aber ich habe sie so lange auf den hölzernen Esel reiten lassen, bis sie gut wurden." — „Sie sehen, meine Damen," rief Prinz Friedrich, „was ein Esel ver mag!" — Alle lachten, nur Ramin nicht.