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Die schneeweißen lackirten Wände dieses Saales mit ihren Vergoldungen steigerten die verschwende rische Beleuchtung durch den Reflex zu einer Helle, welche an die Worte Fiesco's erinnerte: „Tausend Kerzen spotten die Morgcnsonne hinweg." Eine der Thüren des Saales bot eine Perspective in einen Wintergarten, über den eine alabasterne Lampe ein vollkommenes Mondlicht ausgoß. Der große Abstand zwischen der Beleuchtung und Färbung des Tanzsaalcs und des Wintergartens erzeugte eine cigenthümlichc Phantasmagoric, indem die den Fernblick eröffnende Saalthür, welche ein glück licher Einfall mittelst einer Pflanzcngarnitur zu einem Fenster verengt hatte, als ein magischer Spie gel erschien, was auf die Kinder des Orients einen märchenhaften Eindruck machte. Gleicherweise wirkte ein inmitten eines Pflanzcnberges errichteter Spring brunnen mit vielfach sich kreuzenden Wasserstrahlen, der die Mitte eines hoch gewölbten kleinen Salons einnahm. Die Paschas und Beys glaubten sich in Mahomcds Paradies versetzt, das allen Sinnen so viel Genuß verspricht, und sie bedauerten nur, daß die vor ihren funkelnden Augen hcrumschwebenden Houris, für sic unnahbar blieben. Von der Gesellschaft, die sich in diesen Salons bewegte, konnte die Illustration nur ein schwaches Bild geben. Nirgends in der Welt kann man eine so umfassende Nationalitätcn-Asscmblöe verei nigen. Es ist eben die Gesellschaft, wie sic auf den Höhen von Pera wohnt: Diplomaten aller Staaten, umgeben von ihren Schutzbefohlenen, die vor Jahrhunderten oder Jahrzehnten als Aben teurer hier eingcwandcrt und am Goldenen Horn ihr unerschöpfliches Californien gefunden haben. Die armen Diplomaten hätten sich zu Tode gelang weilt, wenn sie die Umgebung ihrer Paläste nicht in den Kreis ihrer Unterhaltung hineingezogcn, ohne viel, nach dem Stammbaum zu fragen. Jndeß hat die Salonfähigkeit im Laufe der Zeiten diese Bour geois wirklich verfeinert; sic schwatzen überdies allc- samrnt französisch wie die staute volee von Berlin und Petersburg, und da sie zusammengcdrängt in Pera wahrten und in den Salons sich fortwährend begegnen, so bilden sie unter sich so gut eine Ari stokratie wie das Faouburg St. Germain. Dennoch pflegt sich diese Gesellschaft in den Salons der hochgestellten Diplomaten meist etwas fremd und genirt zu fühlen; doch auf den diesjäh rigen Bällen der Jnternunciatur wußte die Herz lichkeit des Fcstgebcrs und eine geschickte unauffäl lige Leitung der Unterhaltung durch die lebenslusti gen jüngeren Beamten alle Steifheit zu beseitigen und die Unterhaltung warm und im Fluß zu erhalten. — Eine seltene malerische Färbung erhielt die Gesellschaft durch die echten Kinder des Orients, welche in neuerer Zeit zu den Bällen der Diplo matie gleichfalls ihr Contingent stellen, obgleich sie nie tanzen. Die zwei persischen Diplomaten im Vordergründe der Zeichnung mit ihren kostbaren Kaftans und unvergleichlichen Mützen murmeln Verse des Hafis, um ihre dithyrambische Erregung auszudrückcn. Glauben Sic nicht, daß der Fest träger neben ihnen, wahrscheinlich Kiamil Bcy, I'intiostucteuv des Lmbasskisteurs, über die schweren Zeiten seines Vaterlandes seufzt; er spricht gewiß von nichts Anderm als dem trefflichen Rheinwein, dem er soeben trotz Mohamed und Koran volle Ehre erwiesen, oder von den Formen einer vorüber- schwebcnden Tänzerin, die er mit der Gründlichkeit eines Harcmkundigcn analysirt. Die herrliche pa triarchalische Gestalt auf der linken Seite ist ein würdiger Nachkomme des Erzvaters Abraham und gäbe ein treffliches Modell für einen Bendcmann. Wie Abraham an Hagar erquickt er sich, seiner daheim gebliebenen Sarah vergessend, an dem An blick der schönen Kinder der Jsmaeliten. Das ist sein einziger Genuß die Nacht hindurch, denn streng den Gesetzen seines Glaubens gehorchend, genießt er nichts aus den Fleischtöpfen Aegyptens, aus der Küche der Ungläubigen. In der Mitte des Saa les hat der.Zeichner den Herrn vom Hause hinge- stcllt, um ihn als Mittelpunkt der froh bewegten Gesellschaft zu bezeichnen. In der That hat die ser. Mann, der während seiner glänzenden Lauf bahn die Augen der Welt auf sich gezogen, das bcneidenswcrthe Glück, überall, wo er erscheint, Aller Augen und Herzen durch seine Persönlichkeit zu fesseln. Eine glückliche Mischung von militä rischer Energie und man möchte sage», national- öconomischcr Bonhommic in seinem inner« Leben und seiner äußern Erscheinung machen ihn zu dem Staatsmann, wie ihn unsere Zeit allein brauchen kann, die fortwährend zu bekämpfen und zu ver söhnen, Wunden zu schlagen und zu verbinden hat. Dieser Mann hat cs nach wenigen Monaten sei ner Amtsvcrwaltung in der türkischen Hauptstadt dahin gebracht, daß der Name Oesterreich, der in StaMbul und Pera früher nicht sehr wohlklingend war, jetzt alS Pcrsonification der Liebenswürdig keit gilt. Die Obmacht in Konstantinopel, wird wahrscheinlich auf den Schlachtfeldern entschieden werden, aber in den Herzen von Pera hat der österreichische Jnternuncius bereits die unbestrittene Herrschaft errungen.