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Ball der k. k. österreichischenInternunciatur in Constantinopel am 6.Febr. 1854. (Mit Abbildung.) Ein Ball in Constantinopel! Da haben Sie das Eigenthümlichstc dieser merkwürdigen Weltstadt in zwei Worten ausgedrückt. Ein Ball im vollsten Glanze und im besten Geschmack europäischer Re sidenzen an der Grenze von Asien, inmitten einer Bevölkerung, welche den Tanz nur als fanatische Raserei ihrer Derwische kennt, hart neben den Mi- narctS, von deren Höhe der Muezzin mistöncndc Melodien zum Preise seines Allah singt, in dessen Namen asiatische Horden die Christenheit mit Feuer und Schwert heimsuchten! Die Türken sind noch heute was sic waren, aber auf den Höhen von Pera hat Europa seine Residenz aufgcschlagcn, und wie der Orden der Templer mit seinen verschiedenen Zun gen die Kreuzzüge leitete, so regiert dieses Pera mit seinen Repräsentanten Europas die Geschicke des Herrn des heiligen Grabes von der Donau bis zu den Quellen des Nil, vom Balkan bis zu den Ebe nen von Bagdad. Während nun der Halbmond gegen russische Batterien kämpft, und in den Mo scheen des Reiches Allah und sein Prophet um Sieg bestürmt werden, tanzt man lustig und guter Dinge auf den Hohen von Pera in vollem Bewußtsein unverrückbarer Herrschaft, wie immer die Dinge auch kommen mögen. Den diesjährigen Carneval feierten nur zwei Gesandtschaften mit großen Festlich keiten, die österreichische und die französische. Das russische Palais, auf dem höchsten Punkt von Pera, die Stadt weit beherrschend, wie die Hagia Sophia auf dem andern Ufer des Goldenen Horns, ist die ses Jahr leer und verödet. Seine Bewohner sind ausgezogen in der Hoffnung als Sieger und un bestrittene Herrscher zurückzukehren. Aber auch Rußlands unerbittlichster Gegner Lord Stratford- Redcliffe gab dieses Jahr keine Feste. Seine Ge mahlin ist in England, und er selbst liegt in sei nem von den anderen Gesandtschaftsgebändcn weit entfernten PalaiS verwühlt wie ein Maulwurf und über welterschütternde Pläne brütend. Die fran zösische Gesandtschaft gab anßer mehren kleinen Soireen einen großen Galaball, auf dem die Masse von Uniformen daS Ange blendete und die Unter haltung drückte, lieber die drei großen Bälle der österreichischen Internunciatur erging das Verbiet der öffentlichen Meinung, daß mau in Pera noch nie den Zauber einer Baünacht in solcher Vollendung genossen habe. Es war Wien in allen Reizen seiner splendiden Gastlichkeit, seinem Verständniß für Unterhaltung, seiner erquickenden Geniiithlichkeit und seiner unvergleichlichen Tanzmusik auf eine Nacht an den Bosporus versetzt. In der That war fast Alles, was die lange Flucht des Salons erfüllte, kurz vorher von der lieben Heimalh herabgeschwommcn: die reichen viel gestalteten Möbel, die kolossalen Spiegel, die pracht vollen Luster und anmuthigen Wandlcuchtcr, die riesigen Cundelaber bis auf das Getäfel des Fuß bodens, die Verzierungen der Kamine und all die hundert Kleinigkeiten, die eine glänzende Palast einrichtung bilden. Auch das ans 24 Personen bestehende Orchester, ein Nachlaß des berühmten Lanner, war von Wie» herüber versetzt und erfüllte die Säle mit einer Musik, wie man sie an den Ge staden des Bosporus noch nie gehört, weder unter der griechischen, noch unter der muselmännische» Herrschaft. Die Bälle der Jnternunciatnr bildeten zugleich das Nestaurationsfest des Gesandtschaftspalastcs. Bei der Ankunft des gegenwärtigen Jnternuncius, Baron von Bruck, im Juni des letzten Sommers war das Haus noch eine düstere, winklige Ruine, ein klosterartiges lleberbleibsel der einstigen venetia- nischen Gesandtschaft. Es war dies unter allen .Hotels von Pera das einzige, welches bei dem gro ßen Brande vom Feuer nicht erreicht wurde und darum mit all seiner unwohnlichen Alterthümlichkeit in die Gegenwart hineinreichte. Das heutige über all in Umbau begriffene Oesterreich mußte wol auch auf eine bessere Repräsentation in Constantinopel denken, zumal in einem Momente, wo cs viellcicht zum ersten Male seine Aufgabe im Osten ernstlich zu erfüllen gewillt ist. Es war ein glücklicher Zu fall, daß der Umbau des Palastes einem Manne zufiel, dessen Bausinn schon anderwärts glänzende Proben gegeben. Die Gesellschaft von Pera machte denn auch große Augcn, als sie nach langer Un terbrechung wieder die Räume des Palastes betrat, und die alte Ruine fast märchenhaft uingestaltet fand, obgleich an den Hauptmauern nichts geändert werden konnte. Am m/istcn bewunderte man die Originalität, mit der dem Ensemble eines jeden Salon durch Farbe, Formen, Verzierung und Be leuchtung ein cigcnthümlicher Charakter verliehen W»rde, was eine reizende Mannigfaltigkeit in die Harmonie des Ganzen brachte. Unsere Abbildung giebt eine Ansicht von dem großen Saale, worin mit vielem Geschmack eine imponirende Einfachheit eingehalten wurde, ohne an die Grenzen der Einförmigkeit zu gerathen. , 4