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7 --7^7- E , ! >'M!i> ^S 4S Der sächsische Erzähler. Seite ». Politische Weltschau. In glanzvollster Weise hat am Freitag die herkömmliche Frühjahr-Parade des Garde corps, abgesehen von den Potsdamer Regi mentern, auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin stattgefunden. DaS Kaiserpaar war hierbei von einer größeren Anzahl von Fürstlichkeiten umgeben, unter ihnen Prinz Bictor von Italien, Prinz Leopold von Baiern, Prinz Friedrich August von Sachsen und Herzog Albrecht von Württemberg. Bei dem zweiten Vorbeimarsch der Truppen führte der Kaiser mit gezogenem Säbel das zweite Garde-Regiment z. F. seiner erlauchten Gemahlin vor, während Prinz Friedrich August das Garde-Schützen-Bataillon, bei dem der dereinstige sächsische Thronfolger bekanntlich Oberst L l»8uits ist, dem Kaiser vorführte. Nach mittags fand im Berliner Residenzschlosse das übliche Paradediner statt. Am Sonnabend Vor mittag folgte im Lustgarten zu Potsdam die Parade der dortigen Garnison nach. — Wie verlautet, soll der Kaiser nach Beendigung der Parade auf dem Tempelhoser Felde an die höheren Offiziere eine Ansprache gehalten haben, deren Inhalt angeblich nur für diesen engen Kreis bestimmt gewesen ist. Der gegenwärtige Besuch des Prinzen Bictor von Italien, Grasen von Turin, am Berliner Hofe legt erneut Zeuaniß von den so herzlichen Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiserhause und der italienischen Königsfamilie ab. Kaiser Wilhelm hatte bei seinem letzten Aufenthalte am römischen Hofe den jungen Prinzen eigens zur Theilnahme au der Frühjahrsparade des Garde korps und weiter überhaupt zu einem Besuche des kaiserlichen Hofes ringeladeu, welcher Ein ladung der Prinz nunmehr nachgekommen ist. Prinz Victor war am Donnerstag Nachmittag in Berlin eingetroffen, wo er auf dem Bahnhose vom Kaiser empfangen und herzlichst begrüßt wurde; alsdann geleitete der Kaiser seinen hohen Gast nach dem königlichen Schlosse. Am Frei tag Vormittag wohnte der Graf von Turin nebst den übrigen hierzu in Berlin eingetroffenen auswärtigen Fürstlichkeiten der Frühjahrsparade der Berliner Garnison bei. Die Opposition im Lager der schlesischen Centrumspartei gegen die Parteileitung hat einen weiteren bemerkenswerthen Schritt nach vorwärts gethan. In einer zu Breslau stattge fundenen und zahlreich besuchten Versammlung von Vertrauensmännern der Centrumspartei, die auch vom Clerus stark beschickt mar, wurde Freiherr v. Huene fast einstimmig als Reichs tagskandidat für den Wahlkreis Breslau-Land- Neumarkt aufgestellt. Aus telegraphische Anfrage erwiderte Herr v. Huene, daß er diese Kandidatur annehme. UebrigenS ist er auch im Wahlkreise Militsch-Trebnitz als Kandidat aufgestellt. Der Bundesrath hat am Freitag seine Tätigkeit wieder ausgenommen. Er berieth an diesem Tage die Vorlage, betr die aus der inter nationalen SanitätSconferenz zu Dresden am 15. April d. I. unterzeichnete Uebercinkunft. Die Vorlage wurde schließlich dem Ausschüsse für Handel und Verkehr überwiesen. Das preußische Abgeordnetenhaus hat sich am Mittwoch nach definitiver Genehmigung des Wahlgesetzes, des UebcrweisungsgesetzeS und des Lehrerdotationsgesetzes nochmals auf einige Zeit vertagt. Dies einerseits infolge Mangels an Berathungsstoff, andererseits aber auch in Hinblick auf die bevorstehenden Reichstagswahlen; wahr scheinlich wird die nächste Sitzung des HauseS erst Ende Juni stattfinden. Als Tag des Zusammentrittes des neuen Reichstages wird jetzt in Berliner parlamentarischen Kreisen der 4. Juli bezeichnet. Die Nachricht bedarf offenbar noch sehr der "Bestätigung, da es bislang allgemein hieß, der Reichstag würde noch im Juni einberufen werden. In Baiern stehen neben den Reichstags wahlen auch Neuwahlen zum Landtage bevor. Die letzteren sind auf den 5. und 12. Juli anberaumt worden, so daß sie den letzten Stich wahlen zum Reichstage unmittelbar folgen werden. Die württembergische Abgeordneten- Kammer ist am Sonnabend vertagt worden. Am Tage vorher hatten noch mehrfache bemerkenS- werthe Abstimmungen stattgefunden. Zunächst wurde ein Antrag des Volksparteilers Hauß mann, eS solle den Beamten jedwede Wahlbeein- stussung zu Gunsten bestimmter Kandidaten unter sagt werden, nach einer eindrucksvollen Rede des Ministerpräsidenten v. Mittnacht über Rechte und Pflichten der Staatsbeamten durch Annahme einer motivirten Tagesordnung Götz mit 63 gegen 12 Stimmen beseitigt. Dann lehnte das Hau emen Antrag Schnaidt, die Regierung möge in Erwägung des herrschenden NothstandeS aus den Wegfall der Kaisermanöver in Württemberg hin wirken, ab. Schließlich nahm das Hau- einen Antrag Sandberger, das Vertrauen zur Regier ung auSzusprechcn, sie werde, wenn nöthig, für die Bedürfnisse des Landes eintreten, mit 39 gegen 35 Stimmen an. Das österreich-ungarische Ministerium Ta affe vermag sich offenbar nicht zu that« kräftigen Schritten gegen da- wüste Treiben der Jungczechen in Böhmen aufzuraffen. Bon diesem Mangel an Energie zeugt auch der nach mehr tägigen Verhandlungen gefaßte Beschluß des österreichischen GesammtministeriumS, gegenüber der gespannten Lage in Böhmen, keine Regierungs handlungen vorzunehmen und den Plan der Errichtung eines deutschen KrcisgerichtS in Trautenau vorläufig wieder fallen zu lassen. Nur zur Erledigung der dringendsten Angelegen heiten soll der böhmische Landtag in der zweiten Dezemberhälfte aus's Neue einberufen werden. — Der einstweilige Verzicht auf den Vorschlag der Errichtung eines deutschen KreiSgerichteS in Trautenau bedeutet einen bedenklichen Beweis von Schwäche seitens des CabinetS Taaffe gegen über den Jungczechen; es ist sicher, daß sie diese Nachgiebigkeit der Regierung noch ganz gehörig auSbeuten werden. Den französischen Russenschwärmern wird es höchst unangenehm sein, zu vernehmen, daß das Marincministcrium in Paris noch immer keinerlei Nachricht über den angeblich bevorste henden Besuch eines russischen Geschwaders in Brest erhalten hat. Schon seit Wochen kündig ten die französischen Chanvinistenblätter an, daß das nach Amerika entsandte russische Geschwader auf seiner Rückfahrt die genannte Hafenstadt be rühren werde und daß Großfürst Alexis es da selbst einer Besichtigung unterziehen würde. Die Anwesenheit eines russischen Geschwaders und zugleich auch eines Mitgliedes des russischen Kaiserhauses in Brest würde natürlich erneut zu einer großen russisch-französischen VerbrüderungS- demonstration führen, daher werden es die Pussenfreunde jenseits der Vogesen gewiß recht schmerzlich empfinden, daß man im französischen Marineministerium von dem angekündigten rus sischen Flottenbesuche noch immer nichts weiß. Die französische Depntirtenkammer ge nehmigte am Donnerstag endgiltig die Vorlage über die Wahlkreise. Das zu der Vorlage an genommene, vielerörterte Amendement Bazille wurde hierbei dahin abgeäudert, daß lediglich die vom Staate besoldeten Beamten und Geistlichen nicht als Dcputirte gewählt werden dürfe«. Diese Abschwächung des erwähnten Amendements schließt ein gewisses Entgegenkommen der Kammer gegenüber dem Cabinet Dupuy in sich, so daß dasselbe sich vielleicht noch einige Zeit zu halten vermag. Die mehrtägigen lebhaften Debatten des italienischen Senats über das Pensionsge setz haben mit einem Siege des Ministeriums Giolitti geendet. Nachdem am Freitag zunächst ein der Regierung nicht genehmes Amendement zum Pensionsgesetz abgelchnt worden war, wurde der grundlegende Artikel 1 desselben mit 152 gegen 132 Stimmen angenommen. Die Ergebnisse der serbischen Skupschtina- Wahlen liegen jetzt endgiltig vor. ES sind 120 Radikale, 10 Fortschrittler und 1 Liberaler ge wählt, außerdem haben drei Stichwahlen statt zufinden. Die Radikalen, welche bereits in der ausgelösten Skupschtina die entschiedene Mehrheit besaßen, werden demnach in der neuen Volksver tretung in geradezu erdrückender Ueberzahl auf treten, was auch einen radikaleren Anstrich des serbischen KabinetS bedingen dürste. Bereits stellt denn auch eine offiziöse Belgrader Meldung die Umgestaltung des infolge des Staatsstreiches eingesetzten CabinetS Dokic »och vor dem Zu sammentritte der neuen Skupschtina in Aussicht, welcher Umhäutungsprozcß vcrmuthlich im Sinne der Radikalen erfolgen wird. Das englische Unterhaus debattirt noch immer über § 3 der Home-Rule-Bill. Immer neue Amendements werden von der konservativ- unionistischen Opposition zu dem genannten Para graphen beantragt, sie sind indessen von der regierungsfreundlichen Mehrheit bis jetzt sämmt- sich abgclehnt worden. In Irland heben die Agrarverbrechen wieder an. In der Grafschaft Clarr spielt der neueste Vorgang dieser Art; der Verwalter Moloney vom Gute Rittouanthla wurde, als er sich zur Entgegennahme von Pachtzinsen unter wegs befand, durch Gewehrschüsse schwer ver wundet. Die Thäter sind noch nicht ermittelt, l obwohl sieben Personen verhaftet wurden. Und HsvWB noch am Tage dieser That hatte der irische' Staatssekretär Morley im Unterhause stolz ver kündet, daß seit dem Amtsantritte de» KabinetS Gladstone die Agrarverbrechen in Irland abge nommen hätten! Der blutige Bürgerkrieg im zentralameri- kanischen Staate Nicaragua hat mit dem Siege der Revolution geendet. Der bisherige Präsident Sacaza dankte ab, die provisorische Regierung siedelte nach Managua über und übernahm ohne Widerstand und Ruhestörungen die Leitung der Staatsgeschäfte. Der Präsident dec amerikanischen Preisjury bei der Chicagoer Weltausstellung, That cher, beginnt den ausländischen Kommissaren Zugeständnisse zu machen. Er theilte denselben schriftlich mit, daß noch zwei oder mehr Preis richter zur Prüfung der einzelnen Ausstellungs gegenstände ernannt werden könnten. Im östlichen Centralafrika hat die britische Interessensphäre durch die Verkündigung des englischen ProtectoratS über das Negerkönig reich Uganda eine bedeutsame Erweiterung er fahren; nähere Berichte über diefen Vorgang, stehen indessen noch aus. Uganda liegt im Norden des Bictoria-See'S und ist jca. 3300 Quadratmeilen groß; seine Bewohnerzahl wird auf 2, und wohl auch noch mehr Millionen geschätzt. Karlsruhe, 5. Juni. AuS Anlaß des gestrigen VerbandstageS der Militärvereine und der Enthüllung des Kriegerdenkmales in Offen burg hielt der Großherzog eine Rede und be merkte in der Einleitung er sei jüngst in Heidel berg vielfach mißverstanden worden. Der Groß herzog sagte dann, der gerade Weg sei der beste; daher solle sich jeder fragen, was bei der bevor stehenden Wahl erreicht werden solle? Eine Ver ständigung über eine genügende Verstärkung deS- deutschen Heeres, angesichts der stärkeren Gegner. Da wolle er mittheilen, was einst vor langen Jahren der Feldherr Erzherzog Karl von Oester reich über den Krieg sagte: „Der Krieg fei das größte Uebel, welches einem Staat widerfahren könne; eS müsse daher die Hauptfrage eines Regenten sein, alle immer möglichen Kräfte gleich beim Ausbruch deS Krieges aufzubieten und Alles anzuwendc», damit derselbe so kurz als möglich sei und bald auf möglichst günstige Weise entschieden werde. Ein großer Zweck könne nur durch große Anstrengungen erreicht werden." Der Großherzog fuhr dann fort: „Nun wohlan, meine Freunde, gehen Sie den geraden Weg der Ehre und wählen Sie nur solche Männer, welche die Kraft und Macht des Deutschen Reiches höher halten als den Parteigeist und welche in der Militärvorlage den Weg erkennen, das Deutsche Reich vor Demüthigungen zu bewahren." Im weiteren Verlaufe des Festes wurde ein Huldigungstelegramm an Se. Maj. den Kaiser abgesandt. Cronberg, 5. Juni. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich hat heute Vormittag 11 Uhr die Reise nach Griechenland angetreten. Der sozialdemokratische Referendar Katzenstein in Darmstadt hat wegen seiner politischen Gesinnung seinen Borbereitungsaeceß, zum Anwalt nicht fortsetzen können. Er richtete eine Beschwerde an die hessische Volksvertretung, wonach die zweite Kammer mit 30 gegen 3 Stimmen zu seinen Gunsten -entschied. Die erste Kammer beschloß aber mit 19 gegen 2 Stimmen, über das Gesuch zur Tagesordnung überzugehen. Die zweite Kammer bestand auf ihrem Beschluß und überwies die Beschwerde der Regierung zur Berücksichtigung. Auf KatzeusteinS darauf eingereichtes Gesuch um endgiltige Entscheidung hat ihm die Regierung geantwortet, daß das Großherzogliche Ministerium sich nicht veranlaßt gesehen hat, eine von den früher ergangenen Verfügungen abweichende Entschließung zu fassen, und daß eS hierbei lediglich sein Be wenden zu behalten habe. (Die vaterländischeGesinnnng sozial demokratischer Führer.) So nackt und schcunloS wie in der gegenwärtigen Wahlbe wegung haben sich Mangel an nationalem Ge fühl und vollendete Vaterlandslosigkeit noch niemals an'S Tageslicht gewagt. Zu den viel fachen Proben dafür kommt heute eine neue. Die „B. Pol. Nachr." melden, daß ein sozial demokratischer Wahlredncr am Dienstag in Weißensee in einer Volksversammlung unter be täubendem Zustimmungsjubel aller Genossen sich den Satz leistete: „Wenn aber Frankreich mit uns wegen Elsaß-LothringenS Krieg anfangen sollte, so halten wir Sozialdeiyokraten dies für vollständig richtig, denn die Wegnahme Elsaß- LothringenS war ein Unrecht. Elsaß-Lothringrn»