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«V seien, daß aber bei etwaigen Schwierigkeiten eine definitive Entscheidung binnen kürzester Frist zu erwarten stünde und daß bei derselben da» Staattministerium und unter Umständen auch der Landtag zur Mitwirkung berufen sein würden. — Die Coburg« Gothaer wissen also noch immer nicht, woran sie mit der Thronfolge in ihrem Lande eigentlich find. Da» Compromiß in der österreichisch-unga rischen Ausgleichsfrage soll nun endlich bei den in voriger Woche zu Wien stattgekundenen Aus gleichsverhandlungen zwischen den österreichischen und den ungarischen Ministern zu Stande ge kommen sein. Der Umstand, daß der öfter- reichische Ministerpräsident Graf Thun und der ungarische CabinettSchef v. Szell am Freitag längere Besuche mit einander austauschten, kann al» eine Bestätigung dieser Nachricht betrachtet werden. Wie verlautet, soll Ungarn bei den Compromißverhandlungen seine Forderungen in der Hauptsache durchgesetzt haben, womit freilich da» Ministerium Thun dem ReichSrath gegen- über einen unbequemen Stand haben würde, wenngleich e» heißt, der Ausgleich solle in Oesterreich ohne Einberufung des Reichsraths mit Hilfe de» § 1» durchgesührt werden. Der deutsche Hauptdelegirte bei der Haager Friedenskonferenz, Gras Münster, hat bei derselben im Auftrage seiner Regierung beantragt, daß die Protokolle der Plenar- wie der Commissionssitzungen gleich nach deren Fertigstellung veröffentlicht werden sollen. Der Antrag bezweckt, den Unzuträglich keiten, welche sich au» den bisherigen ungenauen Veröffentlichungen über die Haager Conferenz- verhandlungen ergaben, ein Ende zu machen. Alsbald nach der Entscheidung des Pariser Kassationshof» in der Revisionsfrage des DrcyfuShandelS ist nun endlich auch Oberst Picquart durch Beschluß der Anklagekammer nach vielmonatiger Untersuchungshaft in einst weilige Freiheit gesetzt worden, was am Freitag Nachmittag geschah; zu irgendwelchen Zwischen fällen ist eS hierbei nicht gekommen. Mit Be sorgnissen sah man in Paris dem großen Rennen in LongchampS am Sonntag entgegen, da hierbei neue Demonstrationen der Royalisten und Nationalisten und Gegendemonstrationen der Sozialisten und Radikalen befürchtet wurden; jedenfalls hatte die Regierung umfassende Vor sichtsmaßregeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung bei diesem Rennen getroffen. Die Gerüchte über einen bevorstehenden Sturz des Ministeriums Dupuy durch die Deputaten- kammer erhalten sich. In der italienischen Deputirten- kammer setzt die sozialdemokratische Gruppe ihre Obstruktionstaktik zur Verhinderung des Zustandekommens des Gesetze- über die politischen Maßnahmen mit ungeschwächten Kräften fort. — In einer zu Rom abgehaltenen Versammlung der italienischen Ackerbaugesellschast wurde die Auswanderung italienischer Bauern nach den jenigen Gegenden Preußens, wo am meisten, Mangel an ländlichen Arbeitern herrscht empfohlen. — DaS italienische Kronprinzenpaar ist in Christiania eingetroffen, um dem Herzog der Abruzzen auf seiner Nordpolfahrt das Ge leite bis zur Grenze des Eismeere» zu geben und dann Spitzbergen zu besuchen. Im englischen Unterhause kamen am Freitag wieder einmal die chinesischen Angelegen heiten aus'» Tapet. Gegenüber den Angriffen BereSford'S auf die Chinapolitik de» Ministeriums Salisbury'- vertheidigte Unterstaatssekretär Brodrik eingehend die bisherige Haltung der englischen Regierung in der chinesischen Frage. Er bezeichnete ferner da» englisch-russische Eisen bahnabkommen al» sehr werthvoll und bezweifelte schließlich die Nachricht, daß Rußland von der chinesischen Regierung die Konzession zum Bau einer direkten Bahn von der Mandschurei nach Peking verlangt habe. Er ließ indeß durch blicken, daß England in Peking energische Gegen vorstellungen gegen einen etwaigen derartigen Schritt Rußland» erheben würde. In Pretoria hat am Freitag der Prozeß gegen die verhafteten Johannesburger Ver schwörer begonnen; drei von ihnen treten al» Kronzeugen aus, weshalb die Anklage gegen sie fallen gelassen worden ist. In politischen Kreisen Pretoria'» ist man der Ansicht, daß ungeachtet de» Scheitern» der Blormfonteiner Konferenzverhandlungen die von Präsident Krüger gemachten Vorschläge so ent gegenkommende gewesen sind, daß England vom moralischen Standpunkt au» unmöglich einen Krieg gegen Transvaal anfangen könne. Berlin, 9. Juim Die Budgetkommissio« de» Reichstage» nahm endgiltig beim Nachtrags etat de» Auswärtigen Amte» di« Entschädigung der Gebrüder Denhardt mit 150,000 Mk. an. Berlin, S. Juni. Dem Bernehmen nach beabsichtigt die deutsche RrichStelegraphenver- Wallung wegen der enorm hohen Kupferpreise ihren Bedarf an Kupfer erheblich einzuschränken und die Telegraphenleitungen vorderhand nur au» Eisendraht zu bauen, für die Telegraphen leitungen aber an Stelle der Kupserdrähte Aluminiumdraht oder Eisendraht mit Kupfer überzug (Doppel-Mrtalldraht) zu verwenden. Nicht weniger al» 54 Abgeordnete, also nahezu der siebente Theil de» Reichstag, haben ihren ständigen Wohnsitz in Berlin. Diesen wird eS natürlich am leichtesten, die Sitzungen zu besuchen. Wenn nun, wa» häufig der Fall ist, zu einer Sitzung de» Reichstag» nicht mehr al» etwa 50 bi» 60 Abgeordnete sich eingrfunden haben, so besteht der ganze Reichstag, abgesehen von dem Vorstände, au» lauter Berlinern! Bon diesen gehören 7 zum Ceatrum, 12 zur deutschfreistnnigen Volk-Partei und 1b zur Sozial demokratie. Die Sozialdemokratie im Reichstage besteht aus 3 Arbeitersekretärrn, 2 Schneider meistern, 8 Cigarrenfabrikanten, 4 Gastwirthen, 23 Schriftstellern, 5 Buchdruckern bez. Buch händlern, 1 Kaufmann, 1 Tapezier, 3 Rechts- anwälten, 2 Tischler, 1 Geschäftsführer, 1 Schuhmacher, 1 Rentner, 1 Bergmann. Unter den 23 Schriftstellern befinden sich 13, die nicht in dem Kreise wohnen, den sie vertreten. Man wird nicht fehlgehen, wenn man den größeren Theil von diesen zu den Berufsparlamentariern rechnet, die ein Gewerbe daraus machen, sich in den Reichstag wählen zu lassen, weil sie in der Verarbeitung der ihnen unentgeltlich zugehenden Drucksachen deS Reichstags und in Anfertigung von Berichten über die mündlichen Ver handlungen für eine Anzahl Zeitungen ihren Erwerb finden. Die gesammte deutsche Studenten schaft hat beschlossen am 24 Juni am Sarg des Fürsten Bismark in FriedrichSruh eine Trauerfeier zu veranstalten. 150 Drligierte von allen deutschen Universitäten werden an dem genannten Tag in FriedrichSruh Zusammentreffen. Der bekannte Graf Pückler-Klein-Tschirne trat am Donnerstag zum ersten Mal in Berlin auf. Er gebrauchte dabei Ausdrücke, wie: „Fort mit dem Jvdengesindel von den deutschen Gerichts höfen." Dann kamen die Juden in der Medizin, in der Litteratur und Journalistik an die Reihe. Schließlich sagte der Graf: „Der deutsche Michel sieht da- alles ruhig mit an und gafft und gafft und* freut sich und klatscht den jüdischen Freunden womöglich noch Beifall, so daß man aus der Haut fahren könnte, anstatt den Knüppel zu nehmen und kräftig dazwischen zu hauen, daß die Fetzen fliegen, daß sie alle die Kränke kriegen in da- klappernde Gebein." Nach diesen Worten erhob sich der überwachende Polizei leutnant und erklärte auf Grund de» § 5 deS Vereinsgesetzes die Versammlung für aufgelöst. Die Versammlung brach in Hochrufe au». * Grevenbroich, 10. Juni. Bei der heutigen Reichstags-Ersatzwahl im Wahlkreis Neuß-Grevenbroich wurde Rechtsanwalt Am Zehn- hoff (Köln, Ctr.) gewählt. * München, 10. Juni. Die Urwahlen zum Landtage sind auf den 10. Juli und die Abgeordneteawahlen auf den 17. Juli anberaumt worden. * Wien, 10. Juni. Die heutige Konferenz der österreichischen und ungarischen Minister hat zu einem vollen Einverständnisse in der AuS- gleichSfrage geführt. Der Ministerpräsident Szell, welcher heute Nachmittag von dem Kaiser empfangen wurde, theilte dem Kaiser die That- sache mit, daß ein Kompromiß zu Stande ge kommen ist. Alle in den Blättern über den Inhalt desselben erschienenen Angaben sind un zutreffend. Authentische» ist nicht vor den Mit theilungen zu erwarten, welche der Minister präsident Szell voraussichtlich am Mittwoch in dem ungarischen Abgeordnetenhaus« mache« wird. Die „Wiener Allgemeine Zeituna" erfährt über den Standpunkt der österreichischen Regierung bei den jüngsten nunmehr abgeschlossenen Ver handlungen bezüglich der Ausgleichsfrage, daß nach dem Wegfall der PerennirungSklausel für die österreichische Regierung zwei Lösungen mög lich erschienen: entweder Beibehaltung de» Ter min» für den grsammten Ausgleich, einschließlich der Verlängerung de» Bankprivilegium» mit dem alten Statut bi» zum Jahre 1903 oder längere Dauer de» gesammten Au»glrich» einschließlich Rxv fEchfchch? WpßIMOff D-z-g M. IVOG. de» Vankprivilegium» mit dem neue« Statut über da» Jahr 1903 hinaus. Hinz« kam «in weitere» für beide Fälle giltiae» Postulat, näm lich die Möglichkeit au» zu schließen, haß die ge meinsame Bank Über den Ablauf de» Zoll- und HaodelSbündnisse» hinaus auch nach der even tuellen Zolltrennung aufrecht erhalten bleibe. Welche von beiden Eventualitäten rinaetreteu ist, und ob überhaupt eine derselben vollständig ver wirklicht wird, darüber werden die authentischen Mittheilungen Szell'» in dem ungarischen Ab geordnetenhause Aufklärung geben. * Pari», 11. Juni. Die Blätter be schäftigen sich fortgesetzt mit dem muthmaßlicheu Verlauf de» heutigen Tage». Die sozialistischen und radikalen Organe halten e» für sicher, daß die Gegner Laube» in dem Strome der An hänger de» Präsidenten verschwinden werden; sie erklären, der heutige Tag werde eine friedliche Massenkundgebung zu Gunsten Loubet» und der Republik bedeuten. Die konservativen Organe fordern ihre Anhänger auf, nicht nach Longchamp» zu gehen. Die Polizei ist auch heute der Ansicht, daß e» zu ernsthaften Tumulten nicht kommen werde, sondern höchsten» zu einigen lärmenden Zwischenfällen, die sofort unterdrückt werden würden. — Der „GauloiS" thrilt mit, daß der Klub von Puteaux wieder geöffnet worden sei infolge deS Versprechen» deS Grafen Janze, Christiani ans den Listen zu streichen. * Pari», 11. Juni. Wie ein Spezial telegramm au» Nizza mittheilt, wurden dort gestern Abend zwei Chasseuroffiziere verhaftet, welche bei der Retraite eine freundschaftliche Kundgebung deS Publikum» mit den Rufen: „ES lebe da-Heer! Nieder mit den Berräthern!" beantwortet hatten. Man brachte die Verhafteten nach der Polizeiwache und sodann in ihre Kasernen, wo sie internirt wurden. * PoitierS, 10. Juni. Der Ackerbau minister Viger, welcher hier eingetroffen ist, wurde von vielen Seiten mit den Rufen: „ES lebe Loubet", „ES lebe die Republik" begrüßt. Eine Anzahl junger, dem „Cercle katholique" angehörender Leute machten eine Gegenkund gebung. Zwölf von ihnen wurden verhaftet. * Madrid, 11. Juni. Der neue amerika nische Gesandte Tore! ist hier eingetroffen. New-Jork, 10. Juni. DaS „New-Jork Journal" meldet au» Cayenne, daß der Kreuzer „Sfax" mit DreysuS an Bord gestern direkt nach Brest abgegangen ist. Sachsen. * Bischofswerda, 12. Juni. Nach ver- hältnißmäßig kurzer Bauzeit präsentirt sich jetzt die innere Neustädter Straße in einem neuen Kleide, nachdem die Straße, die sich bisher in sehr schlechtem Zustand befand, einem gründlichen Umbau unterworfen und mit breitem Trottoir und Pflasterung versehen worden ist. Die Ver besserung wird, in Anbetracht de» überaus starken Verkehrs, von allen Passanten und Fuhr- werksbesitzrrn mit Befriedigung empfunden. Eine wesentliche Verbreiterung hat die Straße übrigen» auch oberhalb der Brücke durch Zufüllung de» Graben» und Anlegung einer erhöhten Fußbahn erhalten. — Der Bau der Brücke in der Bischofsstraße schreitet gut fort, die eine Wider- lagSmauer ist bereit» fertiggestellt. Wie wir er fahren, erhält die Brücke eine lichte Weite von 7,0 Metern, die Breite der darübersührenden Straße ist 13,20 Meter. Die Endm der Wider- lagSmauer sind durch 3,0 Meter lange Flügel mauern geschützt. Die Ueberwölbung erfolgt mit Sandsteinquadrrn. Interessant dürfte sein, daß da» Fluthprofil der neuen Brücke doppelt so groß ist, al» da» der Brücke in der Herrmann- straße. — In den Promenaden sind in den letzten Tagen mehrere Gartenhydranten zur Auf stellung gelangt, sodaß die Pflege der Anlagen bedeutend erleichtert worden ist. Zur Zeit wird in der Promenade an der Bahnhofstraße die Anbringung eiserner Einfriedigungen bewirkt, die nach und nach in allen Promenaden an Stelle der unschönen und wenig dauerhaften Etenael- zäunchen treten sollen. — Der Neubau oe» Krankenhaus» ist nunmehr so weit gediehen, daß in einigen Tagen da» Aufsetzen d» Dachstuhl» ' erfolgen kann. Im Laufe de» Winter» ist eine umfassende Planirung de» Platze» erfolgt; » läßt sich bereit» jetzt erkennen, daß da» Gebäude und die ganze Anlage eine Zierde der Stadt werden wird. Da» 7800 s^-Meter -roße Terrain hinter dem neuen Stadtkrankenhause wird mit Laub- und Nadelholz bepflanzt und mit der Zeit in einen Park umgewandrlt werden. — Wogende Felder. Wie wallet und wogt die herrliche Saat! Wenn der Engel d»